LeserclubNächster Erfolg für Karl Heine. Der Sächsische Landtag bewilligt über 2 Millionen Mark zum Bau einer Verbindungsbahn zwischen dem Bayerischen Bahnhof und Plagwitz. Nur die Streckenführung ist noch nicht ganz klar. Darf die Bahn tatsächlich durch den Waldteil namens die „Nonne“ fahren? Karl Heine selbst wird die Eröffnung nicht mehr erleben. Gleichzeitig: Sächsisches Beamtenkarussell: Kleinzschocher bekommt einen neuen Schlachtgeldeinnehmer.

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Auch am zweiten Januar-Wochenende sind öffentliche Christbescherungen gut besucht. Der Gesangsverein „Eintracht“ hielt eine solche im Gasthofe zum „Reichsverweser“ ab. Über 500 Gäste sollen da gewesen sein, die „mit nicht geringem Applaus“ die „einzelnen humoristischen Gruppen in Kostüm und deren Vorführungen“ begrüßten. „Die Zwischenpausen wurden durch Tanz ausgefüllt, an dem teil zu nehmen des großen Gedränges wegen wirklich eine große Tanzlust vorausgesetzt werden mußte.“

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Meilenstein in der Plagwitzer Entwicklung: Die zweite Kammer des Sächsischen Landtags hat dem Bau der Verbindungsbahn zwischen dem Bayerischen Bahnhof und Plagwitz zugestimmt. 2 173 000 Mark darf/soll die Strecke kosten. Doch noch ist nicht klar, welcher Streckenverlauf genommen wird. Weitsichtig erkennt Otto Hübler: „Es ist dies ein Beschluß von ganz bedeutender Tragweite für unsere Orte und ihre aufstrebende blühende Industrie, der nicht freudig genug begrüßt werden kann.“ Die Zustimmung der ersten Kammer wird sogleich erwartet, auch dahingehend, dass die Bahn noch weiter als Connewitz, nämlich bis nach „Lösnig“ geführt werden soll. In Plagwitz hofft man vor allem darauf, dass „die neue Bahn nicht in zu weitem Bogen nach hier geführt wird, weil hierdurch der Hauptvorteil, den die Bahn Lindenau und Plagwitz durch Abkürzung des Wegen nach dem Übergabebahnhof und zum Anschluß an die Berliner und Eilenburger Bahn bringen sollte, stark vermindert würde.“ Tatsächlich ist Plagwitz zwar durch die Eisenbahnstrecke Leipzig-Probstzella erschlossen, aber eine kurze Anbindung an das sächsische Eisenbahnnetz existierte noch nicht. Karl Heine plante daher eine Anbindung Plagwitzens an Connewitz mit einem Abzweig von der Leipzig-Hofer-Linie.

Es folgt die Streckenbeschreibung anno 1886: „Die Abzweigung der neuen Verbindungsbahn von der Leipzig-Hofer-Linie wird nach dem vorliegenden Projekte […] in der Weise stattfinden, dass die neue Bahn ihre unmittelbare Fortsetzung in die vom Bayerischen Bahnhofe nach dem Übergabebahnhofe zu Leipzig führende Verbindungsbahn finden und somit der Zugverkehr zwischen Plagwitz und dem Übergabebahnhofe in Leipzig direkt und ohne Einfahrt in den Bayerischen Bahnhofe erfolgen kann. Von der Abzweigungsstelle bis zum Eintritt in das Pleißenthal (Auenwald zwischen heutiger Südvorstadt und heutigem Schleußig/Anm. des Autors) ist die Bahn in einer solchen Tieflage projektiert, dass es voraussichtlich angängig sein wird, innerhalb des Bereiches, auf welches sich der Bebauungsplan von Connewitz erstreckt, fast alle Niveauübergange zu vermeiden und die Straßen mittels Brücken über die Bahn zu führen. […]

Weiter im Pleißenthale geht die Bahn aus dem Einschnitte in einen Damm über, dessen Höhe es gestattet, im Überschwemmungsgebiete der Pleiße und Elster, welches geradlinig durchschnitten wird, alle die Bahn kreuzenden Wege flutfrei unter der Bahn durchzuführen. Hierbei sollen die reichlich anzubringenden Durchlaßöffnungen, als welche sieben Viadukte und beziehentlich Brücken mit zusammen 345 Lichtweite angenommen wird.“ Hier scheint der Plan nicht gänzlich umgesetzt worden zu sein. „[…] Die Länge der Neubaustrecke von ihrer Abzweigungsstelle an der Leipzig-Hofer-Linie bis zum Anschluß an die Dr. Heineschen Gleise beträgt 4,98 Kilometer (Heine hatte die Industriebahngleise in Plagwitz selbst bezahlt/Anmerkung des Autors) von diesem Anschluß bis zum Bahnhof Plagwitz 1,154 Kilometer, mithin im Ganzen 6,134 Kilometer. Wird diese Verbindungsbahn in der vorstehenden Richtung erbaut, so wird die für die Tarifberechnung beim Eisenbahntransport maßgebende Entfernung von Plagwitz nach dem Bayerischen Bahnhof in Leipzig, welche auf dem jetzigen Umwege 20 Kilometer beträgt auf 8,5 Kilometer, mithin um 11,5 Kilometer, diejenige von Plagwitz nach dem Übergabebahnhofe in Leipzig aber von 28 Kilometer auf 12,5 Kilometer, mithin um 15,5 Kilometer verkürzt.“ Die preußische und die sächsische Eisenbahn konkurrierten damals noch.

Der Plagwitzer Bahnhof im Jahre 2014. Foto: M. Hofmann
Der Plagwitzer Bahnhof im Jahre 2014. Foto: M. Hofmann

Diskussionen gibt es nur noch um den Streckenverlauf in der „Nonne“. „Der Grund, den man seitens der Leipziger für Stützung des Wunsches, eine andere Richtung gewählt zu sehen, vorbringt, ist unserer Ansicht nach ziemlich hinfällig, da es ja beim Projekte entsprechend sehr leicht sein wird, die Wege in der „Nonne“ unter der Bahn unterzuführen und wir außerdem nicht einzusehen vermögen, wie durch Hindurchlegung eines Bahndammes durch die „Nonne“ eine wesentliche „Schädigung dieses angenehmen und zur Erholung in freier Luft von den Leipzigern sehr besuchten Waldteiles“ herbeigeführt werden soll.“ Eine Umweltpartei gibt es damals noch nicht. Die Bahnstrecke führt in Teilen durch die Nonne. Die Einweihung der Strecke am 17. September 1888 macht Plagwitz zum ersten durch eine Werkbahn voll erschlossenen Industriegelände und den Plagwitzer Bahnhof zum ersten Industriebahnhof Europas. Karl Heine ist da bereits drei Wochen tot. Der Unternehmer hatte auch für diese Bahnstrecke lange gekämpft und die Vorzüge gegenüber der Thüringischen Eisenbahndirektion, mit der er auch erfolgreich über eine Verbindung mit dem preußischen Eisenbahnnetz verhandelt hatte, gepriesen. Die Güter könnten dann ohne Umladung direkt an die Fabriken gebracht werden und andersherum direkt wieder aus den Fabriken per Eisenbahn transportiert werden. Durch die Nutzung des sächsischen Eisenbahnnetzes fielen auch die Zollgebühren weg, die man an preußischen Bahnhöfen hätte zahlen müssen.

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In Sachsen wird kein Chausseegeld mehr erhoben. Sie erinnern sich sicher. Die Schlagbäume kamen unter den Hammer, an der Schlachtsteuer sollte sich nichts ändern. Tut sich doch – zumindest für den Einnehmer in Kleinzschocher. Der wird nämlich gewechselt, denn man muss ja die Beamten, die nun kein Chausseegeld mehr einnehmen, irgendwohin versetzen. Klingt sehr modern, nicht wahr? Das Amt in Kleinzschocher übernimmt demnach ein Herr Schmelzer, „ein Invalid“, wie das Wochenblatt vermeldet und wie es wohl viele Chausseegeldeinnehmer gewesen sein sollen. Herr Schmelzer wohnt im Hause des Herrn Schlösser in der Lutherstraße, heutige Creuzigerstraße, und kommt ursprünglich aus Weißbach bei Pulsnitz. „Mit der hiesigen Schlachtsteuereinnahme ist ein ganz ansehnliches Einkommen verknüpft, welches einem Invaliden wohl zu gönnen ist“, schließt der Bericht.

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Der Lindenau-Plagwitzer Radfahrer-Klub trifft sich am Mittwochabend ½ 9 Uhr zum Klubabend im „Gosenschlößchen“

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Das Osterfest 1886 findet am spätmöglichsten Termin, dem 25. April statt. Das verspricht warmes Wetter, sorgt aber auch für ungekannte Probleme für die Schulen, deren Schuljahr Ostern früher noch endete. Der Schulvorstand der Lindenauer Schule hat sich deshalb dazu entschieden, dass Schulabgänger, die für gewöhnlich nur bis März Schulgeld zahlen müssen, diesmal auch den April bezahlen. Die Eltern von Schulneulingen bezahlen dagegen erst ab Mai Schulgeld.

Noch mehr Zeitreise in der Artikelserie Leipzig 1914

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