Kirchenbauwerke gehören in Mitteldeutschland zu fast jedem Ort. Im Alltag sind sie bekannt als Wahrzeichen, Ortsmittelpunkt oder Orientierungsmarke, sie haben architektonisch, kunsthistorisch und regionalgeschichtlich vielfältige Bedeutung. Dutzende Kirchen werden heutzutage anders als ursprünglich genutzt, so auch in Leipzig.

Gohlis gehörte einst zum Chorherrenstift

Gohlis gehörte bis zur Reformation zur Pfarrei des Augustiner-Chorherrenstifts St. Thomas. 1543/1544 wurde das Augustinerkloster aufgelöst. 1723 gab es nachweislich die erste Betstunde für Alte, Kranke und Kinder im Gemeindehaus Gohlis in der Dorfstraße (heute Menckestraße), ermöglicht vom Erb-, Lehn- und Gerichtsherrn Lüder Mencke (1658–1726).

1774 entstand dank der Aufstockung des Schulgebäudes ein Betsaal auf Veranlassung von Johann Gottlob Böhme (1717–1780), dem Vollender des Gohliser Schlösschens. Der erste ortseigene Friedhof wurde 1851 an der Ecke Möckernsche Straße und Breitenfelder Straße angelegt, ab 1868 gab es einen neuen Friedhof am Viertelsweg. 1869 wurde die Kirchgemeinde Gohlis mit der Auspfarrung aus Eutritzsch eigenständig. Seit dem 8. Mai 1870 gab es einen eigenen Kirchenvorstand.

Kirche nach zwei Jahren Bauzeit eingeweiht

Am 29. Oktober 1871 war die Grundsteinlegung der Kirche Gohlis. Als Bauplatz wurde ein Platz nahe am historischen Dorfanger an der Menckestraße ausgewählt, am Ende der Gohliser Straße. Entstehen sollte eine dreischiffige, längsrechteckige Kirche mit Chor, Sakristei- und Kapellen-Anlagen im Osten als Backstein-Verblendbau mit Baukosten von maximal 30.000 Talern.

Zwei Entwürfe standen zur Auswahl. Die Entscheidung fiel für die neogotischen Pläne des Architekten und Kirchenbaumeisters Hugo Altendorff. Grund dafür war dessen Entwurf einer eher zurückhaltend gestalteten Dorfkirche. Die Kirche bekam Chorfenster nach Entwürfen von Ludwig Nieper. Am 31. Oktober 1873 war die Einweihung des Gotteshauses.

Die Friedenskirche im Jahr 1873 kurz vor ihrer Einweihung. Foto gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=1321931
Die Friedenskirche im Jahr 1873 kurz vor ihrer Einweihung. Foto gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=1321931

Neunziger Jahre: Bauschäden und Einsturzgefahr

Das Besondere an diesem Bauwerk ist, dass anders als sonst die gesamte achteckige Turmspitze als Ziegelrohbau ausgeführt wurde – aus frei gemauerten gelblich-braunen Formziegeln der „Actien-Ziegelbrennerei zu Greppin“ bei Bitterfeld.

Ab Ostern 1902 hieß auf Beschluss des Kirchenvorstandes das Gotteshaus Friedenskirche, ab 1920 die Gemeinde „Versöhnungskirchgemeinde“. 1955 erfolgte der Einbau neuer Glasfenster, gestaltet von Alfred Brumme.

Zur schmerzlichen Zäsur kam es 1977, als die Friedenskirche von der kirchlichen Bauverwaltung aufgegeben wurde. Gründe dafür waren deren schlechter Bauzustand bei gleichzeitig massivem, DDR-weitem Mangel an Baumaterial, Handwerkern und Geld. Die Kirchgemeinde versuchte, die Kirche trotzdem weiterhin nutzbar zu halten.

Doch zwischen 1990 und 1999 wurden die Bauschäden immer größer, es bestand Einsturzgefahr am Kirchturm. In der Kirche fanden Andachten und Gottesdienste nur noch zu besonderen Anlässen statt. Seit 1999 ist die Friedenskirchgemeinde mit der Michaeliskirchgemeinde vereinigt, wechselte in deren Gotteshaus und verabschiedete sich damit von ihrem Kirchgebäude.

Turmspitze als Ortsmarke von Gohlis

Dessen Rettung begann im März 1999, als der Verein Friedenskirche Leipzig e. V. gegründet wurde: Seine Mitglieder organisierten regelmäßig Konzerte, Aufführungen, Foren und Ausstellungen im Kirchenraum und bemühten sich um die Erhaltung der Kirche. Ab 2000 begann die schrittweise Instandsetzung des Gotteshauses, am 2. Dezember 2000 wurde die Turmbekrönung mit neuem goldenem Kreuz und Kugel aufgesetzt.

Die gemauerte Turmspitze mit schlichtem vergoldetem Kreuz als höchstem Punkt ist bis heute die markante Ortsmarke in Leipzig-Gohlis. Sie wurde in jüngerer Vergangenheit detailgenau mit nach historischem Vorbild gefertigten Formsteinen restauriert. Auch erfolgte die Dachneueindeckung unter Verwendung von Ziegeln nach Muster der bauzeitlichen Dachsteine.

Heute: Ort der Sinnsuche für junge Menschen

Seit 2016 wird die Friedenskirche – mit dem Evangelischen Kirchenbezirk Leipzig als Träger – unter dem latinisierten Namen Paxkirche genutzt: als Jugendkirche. „Pax ist ein Ort für junge Menschen, ein Ort der Beteiligung, des Dialogs, des Glauben und der Gemeinschaft in Leipzig; der Name ‚Pax – Frieden‘ ist dabei Zuspruch, Anspruch und Hoffnung“, heißt es auf der Internetseite.

Ziel von Jugendkirchen ist es, jungen Menschen, denen traditionelle Gottesdienste oft fremd erscheinen, Raum und Möglichkeit zu geben, Gemeinschaft und Gottesdienst nach eigenen Vorstellungen zu gestalten – mit deren umfangreicher Mitwirkung.

Das Gotteshaus in Gohlis ist nach wie vor ein Ort zur Lebenssinn-Suche – nun für Jugendliche.

Koordinaten: 51° 21′ 30,6″ N, 12° 22′ 5,5″ O

Weblinks und Quellen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Friedenskirche_(Leipzig)
https://pax-leipzig.de/
https://www.architektur-blicklicht.de/kirchen/gohlis-friedenskirche-leipzig/
https://www.michaelis-friedens.de/friedenskirche/

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