Einen Tag nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen versucht das politische Berlin mühsam, die Scherben zu beräumen. Wirklicher Grund zur Freude besteht angesichts des Ergebnisses nur für die Grünen – doch das Regieren im Bund dürfte nicht einfacher werden. Der Krieg Russlands gegen die Ukraine könnte demnächst nun auch Finnland und Schweden in die Arme der NATO treiben. Und: In Leipzig gab es einen Teer-Anschlag auf einen Neubau in Connewitz. Die LZ fasst zusammen, was am Montag, den 16. Mai 2022, in Leipzig, Sachsen und darüber hinaus wichtig war.

Kanzler zwischen allen Stühlen – Merz wittert Morgenluft

Die SPD mit historisch schlechtem Resultat, bittere Verluste für die FDP – nur die Grünen konnten einen Rekordzuwachs an Stimmen verbuchen. Dies ist, knapp zusammengefasst, das Ergebnis der gestrigen Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen. Der Urnengang im bevölkerungsreichsten Bundesland Deutschlands gilt immer auch als Stimmungsmesser für die Regierung im Bund.

Und geht es danach, sieht es für die seit Ende 2021 in Berlin amtierende Ampel-Koalition eher durchwachsen aus – vor allem für Bundeskanzler Olaf Scholz (63, SPD), der sich gerade vor dem Hintergrund des tobenden Ukraine-Kriegs immer wieder den Vorwurf des Zauderns anhören musste.

Nun könnte der Druck auf den Regierungschef weiter wachsen: seitens der Liberalen, die sich nach dem Motto „Jetzt erst recht“ zur Geltung bringen wollen, der Grünen, die mit frischem Selbstbewusstsein gestärkt ihre Handschrift in den Bund tragen möchten – und nicht zuletzt der Christdemokraten: Der Wahlsieg von NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (46) führte schon dazu, dass Parteichef Friedrich Merz (66) Morgenluft wittert und „seine“ CDU nach der verlorenen Bundestagswahl 2021 laut NTV wieder auf der Erfolgsspur sieht.

Wüst auf Partnersuche

Und wie sehen nun die Koalitions-Optionen für NRW aus? Da hat sich Wüst, der siegreiche Landesvater, zunächst alle möglichen Optionen offen gehalten. Bisher regierte er das Land an der Spitze einer schwarz-gelben Koalition.

Rechnerisch denkbar wäre etwa eine Große Koalition mit der SPD. Wie es scheint, könnte es aber auch auf eine schwarz-grüne Allianz hinauslaufen. Doch programmatisch dürften, wenn es denn dazu kommen sollte, noch harte Verhandlungen bevorstehen, wo die möglichen Partner auf Zeit einige Federn lassen müssen.

Norderweiterung: Finnland und Schweden wollen in die NATO

Fast drei Monate nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine gehen die Kämpfe im Osten des Landes weiter. Millionen Ukrainer und Ukrainerinnen sind geflüchtet. Die militärische Situation seriös zu beurteilen, ist zwar angesichts vieler interessengeleiteter Informationen, die sich kaum unabhängig prüfen lassen, derzeit schwer möglich.

Doch kann man zumindest annehmen, dass sich Russlands Langzeit-Präsident Wladimir Putin (69) mit den Folgen seiner Kriegspolitik schon jetzt gewaltig verzockt hat. Sichtbarstes Zeichen dessen ist der angekündigte Beitritt von Schweden und Finnland in die NATO. Für beide Staaten war die militärische Neutralität bislang scheinbar unerschütterlicher Leitpfosten ihrer Außenpolitik. Aber der Krieg in der Ukraine ändert alles und es rückt nun nach der Osterweiterung in der Vergangenheit die „Norderweiterung“ in den Fokus.

Schwedens sozialdemokratische Ministerpräsidentin Magdalena Andersson (55) gab jedenfalls heute die Ambitionen ihres Landes bekannt, den NATO-Beitritt ihres Landes beantragen zu wollen. Das Parlament des Landes signalisierte fast einhellige Zustimmung für diesen Schritt. Ähnliches geschah auch bereits im benachbarten Finnland, wo Präsident Sauli Niinistö (73) und Regierungschefin Sanna Marin (36) bereits Ende vergangener Woche den gleichen Willen kundtaten.

Moskau droht bereits mit Konsequenzen

Vor einem Beitritt zum westlichen Verteidigungsbündnis müssen alle 30 Mitglieder ihr Einverständnis bekunden. Zuletzt hatte die Türkei ihr Missfallen signalisiert.

Finnland und Schweden haben bislang eng mit der NATO kooperiert, jedoch ohne ihr formell beizutreten. Putins Angriff auf die Ukraine am 24. Februar 2022 führte aber in beiden Ländern zu einem Stimmungswandel. Finnland teilt mit Russland eine mehr als 1.300 Kilometer lange Grenze.

Der Kreml reagierte erzürnt auf die Neuigkeiten und drohte mit Konsequenzen. Expertinnen und Experten befürchten, dass dies tatsächlich kommen könnte – wenn nicht direkt in militärischer Form, so wären doch etwa gezielte Cyber-Attacken oder orchestrierte Ströme von Migranten möglich, mit denen versucht werden könnte, die NATO und Europa unter Druck zu setzen.

Staatsschutz ermittelt nach Sachbeschädigung

Und damit der Blick nach Leipzig: Hier richteten Unbekannte an einem im Entstehen befindlichen Neubau in Connewitz empfindlichen Schaden an. Wie die Polizei mitteilt, wurde die Fassade des Mehrfamilienhauses im Bereich Wolfgang-Heinze-Straße / Basedowstraße an mehreren Stellen mit Teer beschmiert, zudem gingen vier Fensterscheiben zu Bruch. Die Tatzeit wird zwischen Samstag und Sonntag verortet, ein genauer Sachschaden ist noch nicht bekannt.

Weil ein politisches Motiv offenbar nicht ausgeschlossen wird, hat der Staatsschutz die Ermittlungsarbeit übernommen. Immer wieder kommt es in Leipzig – und nicht nur da – zu gezielten Angriffen auf Neubauten, die sich mutmaßlich mit Angst vor einer Gentrifizierung und Verdrängung alteingesessener Mieterinnen und Mieter erklären lassen.

Auch in Leipzig-Stötteritz griffen unbekannte Täter ein Gebäude an und warfen zwei Scheiben ein – diesmal betroffen war jedoch ein evangelisch-lutherischer Kirchenbau. Der Schaden liegt hier laut Polizei im mittleren dreistelligen Bereich.

Buchmesse verschoben, Ungleichbehandlung von Flüchtlingen und der Grüne Pfeil

Worüber die LZ heute berichtet hat: Über die verschobene Buchmesse 2023, Romanautorin Ulrike Serowy wurde interviewt, Ralf Julke schreibt über das heikle Thema der Ungleichbehandlung Geflüchteter auch in Leipzig und den berühmten Grünen Pfeil.

Außerdem: Neuestes aus der Gehirnforschung und der Roman über eine Kneipe, wie sie typisch scheint für die deutsche Provinz.

Corona, Befragungen und möglicher neuer Polizeiskandal

Was heute sonst noch wichtig war: Auch wenn die Wahrnehmung sich durch den Krieg und die allgemeine Pandemie-Müdigkeit verschoben hat – Corona ist noch nicht vorbei. Gerade werden wieder verschiedene Szenarien des weiteren Verlaufs diskutiert.

Die große Befragung für den Zensus 2022 startete heute, ebenso eine sachsenweite Dunkelfeldbefragung zur Gewalt gegen Frauen.

Der bisherige Leiter des Zwickauer Polizeireviers wurde versetzt: Er steht unter dem Verdacht, dienstliche Interna weitergereicht zu haben. Mutmaßlicher Empfänger: Der rechtsextreme Anwalt und Aktivist Martin Kohlmann.

An der Funkenburgstraße in Leipzig fand wieder eine Stolpersteinverlegung, dieses Mal für die Familie Rotter statt (Video). Die insgesamt neun Personen waren alle auf die ein oder andere Weise von der Verfolgung durch das NS-Regime betroffen. Durch Vertreibung, Deportation und Ermordung.

In der Funkenburgstraße und Jahnallee im Leipziger Westen wurden die Stolpersteine verlegt und der Familie gedacht. Rund 30 Personen hatten sich dazu versammelt – darunter Mitarbeiter/-innen des Erich-Zeigner-Hauses sowie die U15-Mannschaft des 1. FC Lokomotive Leipzig.

„Wir wollen den Jungs nicht nur Technik und Taktik, sondern auch Werte und Wissen fürs Leben mitgeben“, so Torsten Kracht, Vizepräsident von Lok.

 

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