Während in Leipzig hunderte Menschen auf den Straßen tanzten, um auf den Zustand der Clubkultur aufmerksam zu machen, demonstrierten in Dresden-Löbtau Antifa-Gruppen gegen rechte Umtriebe, mit denen sie direkt konfrontiert wurden. Außerdem wurden nahe Weimar erneut Gedenkbäume für Opfer des KZ Buchenwald geschändet. Die LZ fasst zusammen, was am Wochenende des 23./24. Juli 2022 in Leipzig, Sachsen und darüber hinaus wichtig war.

Global Space Odyssey: Trauer um tote Clubs und Forderung von Rave-Freiflächen auch nachts

Unter dem Motto „Reset The Preset“ versammelten sich am Samstag hunderte Menschen zur sogenannten „Global Space Odyssey“ (GSO) – eine Tanzdemo, die seit Jahren von einem Verein Kulturschaffender in Leipzig veranstaltet wird. Wegen der Corona-Pandemie war das Format in den vergangenen zwei Jahren ausgefallen.

Am Samstag rollte der Demozug mit sieben Pritschenwagen vom Leipziger Westen über die Jahnallee und den Augustusplatz bis zum Wilhelm-Külz-Park, wo bis circa 22 Uhr noch Party gemacht wurde.

Viele ausgelassen tanzende Menschen, laute Musik, Luftballons und Wasserpistolen: Wer die Global Space Odyssey am Samstag durch die Stadt ziehen sah, konnte auf den ersten Blick den Eindruck gewinnen, dass es sich bei der Veranstaltung um so etwas wie einen legalen, mobilen Sommer-Rave in der Innenstadt handelt.

„Wir sind eine Demonstration, wir sind keine Party“, stellte eine Rednerin der GSO auf der Zwischenkundgebung auf dem Augustusplatz klar.

Politische Anliegen hat die GSO viele im Gepäck, im Fokus stand jedoch bei der Demo am Samstag wie jedes Jahr der Zustand der Leipziger Clubkultur. Auf ein Transparent waren mehrere Grabsteine gemalt, auf denen die Namen geschlossener Leipziger Clubs zu lesen waren, beispielsweise das Victor Jara und Bimbo Town. „Ruhe in Leipzig“ prangte als Überschrift über dem aufgemalten Kulturfriedhof.

Auf einem anderen Plakat forderten die Teilnehmer/-innen Freiflächen für die Veranstaltung legaler Tanzveranstaltungen, auch nachts. „Subkultur versus Hochkultur – Leipzig braucht beides rund um die Uhr“, so lautete der Slogan. Weitere Themen waren Rassismus bei Kontrollen an Clubeingängen, sexuelle Übergriffe auf FLINTA-Personen in der Clubszene, Kapitalismuskritik und Gleichberechtigung für die LGBTQI-Community. Auch das „Fahrradgate“ der sächsischen Polizei wurde auf einem Transparent satirisch aufgearbeitet.

Wie viele Personen an der diesjährigen GSO teilnahmen, lässt sich schwer schätzen, da die Veranstaltung inklusive Aftershow-Party rund neun Stunden andauerte. Es dürfte sich insgesamt um etwas über 3.000 Teilnehmer/-innen gehandelt haben.

Hitlergrüße am Rande von Antifa-Demo in Dresden-Löbtau

Demonstriert wurde am Samstag auch in der Landeshauptstadt Dresden. Unter dem Motto „Löbtau bleibt links“ versammelten sich antifaschistische Gruppen am Nachmittag am Connertplatz und liefen durch den Stadtteil Löbtau.

„Löbtau ist und bleibt ein linkes Viertel und keine Wohlfühlzone für Faschos vom Dritten Weg, halbstarke Macker und auch nicht für das Paar Kubitschek“, hieß es in einem Demo-Aufruf auf Social Media.

Anfang des Jahres berichteten mehrere antifaschistische Rechercheblogs, dass das rechtsextreme Aktivisten-Paar Alruna Kubitschek und Tilman Hauser nach Dresden-Löbtau gezogen sei. Alruna Kubitschek ist die Tochter von Götz Kubitschek, Verleger und einer der bekanntesten neurechten Denker im deutschsprachigen Raum.

Am Rande der Demo in Löbtau zeigten sich in mehreren Fällen dann die rechten Tendenzen, wegen derer die Demo initiiert wurde. Auf Twitter sind zwei Videos im Umlauf, auf denen jeweils ein Mann und eine Frau zu sehen sind, die in Richtung des Demozuges mehrmals deutlich den Hitlergruß zeigen. Der erste Vorfall ereignete sich in der Freiberger Straße, Ecke Florastraße. Dabei rief der Mann zudem „Sieg Heil“ und gab an, Palästinenser zu sein.

Der zweite dokumentierte Hitlergruß wurde den Demonstrierenden an der Tharandter Straße von einer 49-jährigen Frau entgegengestreckt. Gegen sie ermittelt nun der Staatsschutz wegen des Verwendens verfassungsfeindlicher Kennzeichen.

Das Dresdner Journalist/-innen-Kollektiv „vue.critique“, das am Samstag vor Ort in Dresden war, berichtet, dass Neonazis die Kamera eines Veranstalters der Demo kaputtgetreten haben. Ein Foto einer DSLM-Kamera mit zerstörtem Objektiv wurde gestern auf Twitter verbreitet. Am frühen Abend sollen sich Neonazis in den Seitenstraßen der Demoroute mit Pflastersteinen und Sturmhauben positioniert haben.

Erneut Erinnerungsbäume für NS-Opfer in Weimar zerstört

Nahe dem thüringischen Weimar haben Unbekannte erneut eine Gedenkstätte an die Opfer des NS-Konzentrationslagers Buchenwald geschändet. Am Samstag wurden im Weimarer Ortsteil Schöndorf zwei abgesägte Kastanien entdeckt, wie der MDR berichtet. An drei weiteren wurde die Baumrinde teilweise abgeschält. Inzwischen ermittelt das Landeskriminalamt gemeinsam mit dem Staatsschutz wegen politisch motivierter Sachbeschädigung.

Die Bäume gehören zum Gedenkprojekt „1000 Buchen“ des Lebenshilfewerks Weimar/Apolda und sollen an Opfer der NS-Diktatur erinnern. Sie sind entlang der Strecke der ehemaligen Buchenwaldbahn gepflanzt, die während des Zweiten Weltkrieges von KZ-Gefangenen unter Zwangsarbeit für die SS gebaut wurde. Auf der Strecke transportierten die Nazis später Menschen in das Konzentrationslager Buchenwald, um sie zu ermorden.

Die zerstörten Gedenkbäume, die am Wochenende in Weimar entdeckt wurden, sind bereits nachgepflanzte Bäume, nachdem dort im Sommer 2022 vorherige Gedenkbäume mutwillig zerstört wurden.

Mitte der Woche wurden ebenfalls nahe Weimar bereits sieben andere Gedenkbäume unweit der Gedenkstätte Buchenwald abgesägt. „Einer der Bäume war den getöteten Kindern von Buchenwald gewidmet“, schrieb die Stiftung der Gedenkstätte am Mittwoch auf Twitter. „Wir sind entsetzt über den gezielten Angriff auf das Gedenken.“

Merz distanziert sich von Kretschmers „Einfrier“-Forderung

Worüber die LZ am Wochenende berichtet hat: über die Arbeit an Leipzigs erster Biotopkartierung, über den Kreistags-Antrag der Grünen für den Beitritt zum Bündnis Kommunen für biologische Vielfalt

Und über die Komplexmaßnahme Gorkistraße, die nächstes Jahr begonnen werden soll

Was am Wochenende außerdem wichtig war: Nach der Forderung Michael Kretschmers, den Krieg in der Ukraine „einzufrieren“, hat ein weiterer Spitzenpolitiker dem sächsischen Ministerpräsidenten (CDU) öffentlich widersprochen. Parteikollege Friedrich Merz sagte heute im ZDF-Sommerinterview, dass Kretschmer nicht die Meinung der Union vertrete.

Er betonte dabei, dass es bei den Positionierungen der CDU zum Ukraine-Krieg kein Ost-West-Gefälle gebe. Kretschmer falle mit seiner Ansicht aus der Reihe. „Er sieht das aus der sächsischen Perspektive anders.“

Auf der letzten Pressekonferenz vor der Sommerpause des Kabinetts hatte Kretschmer immer wieder betont, welch enorme wirtschaftliche Einbußen besonders die EU durch den Krieg zu verzeichnen habe. Vor diesem Hintergrund müsse man versuchen, den Krieg mit Diplomatie „einzufrieren“, anstatt auf einen Sieg beziehungsweise eine Niederlage zu warten.

„Ich bin der festen Überzeugung, dass wir die Rohstofflieferungen aus Russland brauchen.“ Gleichzeitig betonte Kretschmer, dass es sich um einen völkerrechtswidrigen Krieg handele und die Ukraine nicht auf Gebiete verzichten solle.

Was morgen wichtig wird: Für den morgigen Montag ist für Leipzig eine Versammlung aus dem Querdenken-Milieu angekündigt. Unter dem Motto „Für Frieden, Freiheit und Selbstbestimmung“ wollen die Veranstalter/-innen zwischen 19 und 21:30 Uhr über den Leipziger Ring laufen, der Startpunkt ist der Augustusplatz. Es ist mit Verkehrseinschränkungen entlang der Route zu rechnen.

Mehr Impressionen von der GSO 2022

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Luise Mosig über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar