Auch das kann es geben: Erst einmal tüchtige Schelte für eine Verwaltung, die einfach nicht begreifen will, wie wichtig ein wirklich lebendiger Biotopverbund auch in der Stadt Leipzig ist. Und dann – zwei Jahre später – ein dickes Lob für die Vorlage „Biotopverbundplanung für die Stadt Leipzig“, die am 13. Juli zur Beschlussfassung in die Ratsversammlung kam.

Bis jetzt hat Leipzig so etwas nicht. Alles wurde bislang schön für sich behandelt – Parks und Straßengrün, Auwald und Gewässer, Frischluftschneisen und Baumschutzsatzung. Der Tierschutz fiel dann sowieso meistens hinten runter, erst recht, wenn es um die Belange von Bauherren ging, denen gewachsene Gehölze, Igel und Nisthöhlen für Vögel meistens schlicht egal waren. Und sind. Was den NABU Leipzig schon 2019 dazu brachte, die Petition „Bauen und Natur erhalten“ zu initiieren.

Fruchtbare Kooperation

Aus dieser Petition wurde dann der Ratsbeschluss VII-P-00832-DS-02 vom Oktober 2020, in dem es hieß: „Um der Intension der Petition zu folgen, wird der OBM beauftragt, die Voraussetzungen für die Erarbeitung einer Stadtbiotopkartierung und einer Biotopverbundplanung mit Unterstützung der Umwelt- und Naturschutzverbände als Grundlage für den Arten- und Biotopschutz für die Gesamtstadt zu prüfen und auf Grundlage der Haushaltseckwerte dem Stadtrat eine Vorlage im IV. Quartal 2020 vorzulegen.“

Den dazu vorgelegten Verwaltungsstandpunkt hatte nicht nur der Petitionsausschuss inakzeptabel gefunden. Den hatte der NABU regelrecht in der Luft zerfetzt.

Und augenscheinlich haben die beteiligten Dezernate Bau und Umwelt den Beschluss des Stadtrates tatsächlich ernst genommen und diesmal mit den Leipziger Umweltschutzverbänden zusammengearbeitet. Denn aus deren Rückmeldungen konnte Grünen-Stadtrat Jürgen Kasek am 13. Juli vermelden, dass sie die daraus entstandene Vorlage richtig gut finden. Eigentlich geht es doch, wenn sich Rathausmitarbeiter nicht als einzige Experten verstehen, sondern das Fachwissen der Umweltverbände tatsächlich in Anspruch nehmen.

Eine erste Karte schon 2022

Natürlich ist die Vorlage noch nicht die Biotopkartierung. Dass die noch einmal richtig Arbeit machen wird, war damals auch dem NABU klar.

„Die Biotopverbundplanung wird in einem gestuften Verfahren durch ein qualifiziertes Planungsbüro erstellt“, heißt es jetzt in der Vorlage der Verwaltung.

„Beginnend mit einer Grobkartierung und Auswertung der vorhandenen Datengrundlagen im ersten Jahr. Darauf soll eine vertiefte Kartierung auf ausgewählten Flächen sowie Ausarbeitung der Biotopverbundplanung mit Verbundtypen, Zielarten und Empfehlungen zur Fortentwicklung und Maßnahmenvorschlägen folgen. Bis Mitte 2024 soll die Endfassung der Biotopverbundplanung vorliegen. Bereits Ende 2022 soll eine vorläufige Arbeitskarte zum Biotopverbund vorliegen, die Hinweise auf schutzwürdige Flächen (-potenziale) gibt und eine stärkere Berücksichtigung von Arten- und Biotopschutz in städtischen Planungen ermöglicht.“

Damit hätte auch der Stadtrat Ende 2022 zum ersten Mal eine Grundlage, städtische Vorlagen für neue Stadtentwicklungsprojekte und Baugebiete mit einer ersten groben Biotop-Karte abzugleichen. Auch wenn die Feinarbeit dann noch zu leisten ist, die in der Vorlage immerhin mit 205.000 Euro untersetzt ist.

Wenn Stadtplanung auf Umweltschutz trifft

Und die Umweltschutzverbände sollen auch im Erarbeitungsprozess mitreden. Denn dass der Kenntnisstand zu den schon existierenden Naturschutzgebieten recht hoch ist, ist eben nur die eine Seite der Medaille. Wie es dann freilich mit existierenden Biotopen, Biotopinseln und zwingend zu schützenden Lebensräumen im sonstigen Stadtgebiet aussieht, weiß die Stadtverwaltung kaum. Darüber gab es ja immer wieder Streit mit den Umweltverbänden – man denke nur an die radikalen Eingriffe am Wilhelm-Leuschner-Platz oder den Streit am GleisGrünZug in Plagwitz.

Wo städtische Planer oft gar keine Probleme sehen, sind versierte Umweltschützer meist regelrecht entsetzt. Natürlich kommen Ausbildungen zum Lebensraum von in der Stadt lebenden Tieren in der Ausbildung von Planern und Architekten praktisch nicht vor. Das ist an fast allen architektonischen Entwürfen zu sehen, wo die modernen Bauten mit idealisierten Parklandschaften umgeben sind – aber eben keinen natürlichen Lebensräumen für Tiere.

Den Nutzungsdruck durch die Stadtbewohner nicht vergessen

„Der gesamte Bearbeitungsprozess wird durch eine Arbeitsgruppe aus Stadtverwaltung Leipzig und Naturschutzverbänden begleitet“, heißt es nun in der Vorlage.

„Im Anschluss an die Biotopverbundplanung sollen die Ergebnisse in geeigneter Weise öffentlich zugänglich gemacht und fortgeschrieben werden. Insbesondere zur Flächenentwicklung soll ein Monitoring erfolgen. Hierzu wird der Endbericht Vorschläge machen. Die Ergebnisse der Biotopverbundplanung und die Anforderungen an ein Monitoring dienen zugleich der Vorbereitung einer flächendeckenden Biotopkartierung. Die Umsetzung wird dann Gegenstand einer eigenen Vorlage an den Stadtrat.“

Und auf einen Aspekt machte am 13. Juli auch noch CDU-Stadträtin Sabine Heymann aufmerksam: Dass man bei der Biotopverbundplanung immer auch mitbedenken muss, wie hoch der Nutzungsdruck auf die Erholungsräume in der Stadt schon heute ist. Dass also die Leipzigerinnen und Leipziger auch mitgenommen werden müssen bei dieser Planung, damit am Ende nicht überall Zäune aufgestellt werden müssen, die die Lebensräume der Tiere schützen, sondern die Bürger selbst akzeptieren, dass man die Störungen für die Tiere so gering wie nur möglich halten muss.

Denn Biotopplanung heißt eben auch, dass auch die Leipziger (wieder) lernen müssen, im Einklang mit der lebendigen Natur in der Stadt zu leben. Für viele Tiere ist die Stadt längst einer ihrer letzten Zufluchtsräume.

Und es ist jetzt schon absehbar, dass auch die angrenzenden Landkreise Bioptopkartierungen entwickeln müssen, damit in ziemlich naher Zeit wieder deutlich mehr miteinander verbundene Lebensräume helfen, wenigstens einen Teil unserer Artenvielfalt zu erhalten.

Ganz und gar nicht überraschend war dann das Abstimmungsergebnis: 42 der Anwesenden stimmten für die Vorlage der Verwaltung, nur sechs enthielten sich der Stimme.

Was mit anderen Worten bedeutet, dass wir gegen Jahresende die erste grobe Karte mit zu sichernden Biotopen in Leipzig zu sehen bekommen werden.

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