Jahrelang hieß es aus der Leipziger Verwaltung immer nur: „Geht nicht!“ Mal wegen Naturschutz, mal wegen Lärmbelästigung, mal wegen fehlender Flächen. Doch dann klemmte sich der Stadtrat dahinter und vertrat zunehmend deutlicher die Interessen all der zumeist jungen Leute, die sich im Leipziger Stadtgebiet gern bei Open-Air-Veranstaltungen tummeln. Und zwar meist spontan angesetzt an einem schönen Platz im Freien. Corona gab dann den letzten Schub.

Denn da flohen viele Menschen erst recht ins Freie, weil Kulturhäuser und Clubs zugesperrt waren. Und so brachte es Leipzigs Verwaltung dann auch kurzerhand fertig, 2022 ein Freiflächenkataster und ein vereinfachtes Antragsverfahren für nicht kommerzielle Open-Air-Veranstaltungen zu schaffen. Ein Jahr später wollten die Grünen nun wissen, ob das auch geklappt hat.

Antwort auf die Grünen-Anfrage „Open-Air-Veranstaltungen“

Die Zahlen hat das Amt für Stadtgrün und Gewässer jetzt geliefert: „Im Jahr 2022 wurden 427 Veranstaltungen im Bereich öffentlicher Grünflächen durchgeführt (Vergleich 2023: 266, Stand: 30.06.2023). Hierzu zählen u. a. Informationsstände von Vereinen/Parteien, Theateraufführungen, Orts-, Sommer- und Kinderfeste, Kinoveranstaltungen, Sportevents u. v. m.

Eine Auflistung ist aufgrund der Vielschichtigkeit der Nutzungen im Detail nur mit Darstellung jeder Einzelveranstaltung möglich, worauf an dieser Stelle verzichtet wird.
Zusätzlich zu den vorgenannten Veranstaltungen wurden 12 Open-Air-Veranstaltungen durchgeführt (Vergleich 2023: 11, Stand: 30.06.2023).“

Das ist – wenn man an die heftige Diskussion um das Thema denkt – nicht wirklich viel. Aber vielleicht vermutet Grünen-Stadtrat Jürgen Kasek, der am 5. Juli in der Ratsversammlung nachfragte, ja richtig: dass das Antragsverfahren immer noch zu bürokratisch und aufwendig ist.

Das unumgängliche Thema Immissionen

Das Amt für Stadtgrün und Gewässer schildert dieses Verfahren so: „Die Antragsbearbeitung für Veranstaltungen im Bereich des öffentlichen Grüns obliegt federführend dem Amt für Stadtgrün und Gewässer (ASG). Liegen die Veranstaltungsflächen in einem Schutzgebiet (Landschaftsschutzgebiet, Natura-2000-Gebiet, gesetzlich geschütztem Biotop) oder berühren artenschutzrechtliche Belange, so ist prinzipiell vom Antragsteller ein separater Antrag auf naturschutzrechtliche Erlaubnis an das Amt für Umweltschutz (AfU) zu stellen. Ein entsprechender Hinweis ist im Antragsformular enthalten.

Ebenfalls wird die Immissionsschutzbehörde mit einbezogen, wenn absehbar ist bzw. aus dem Antrag hervorgeht, dass ein Genre bespielt wird, welches ein immissionsschutzrechtlich zu qualifizierendes â€šseltenes Ereignis‘ zur Folge hat bzw. die zulässigen Immissionsschutzgrenzwerte überschreitet. Hierunter fallen insbesondere Veranstaltungen der Genres Elektro/Techno/Hip-Hop/Metal/Punk/Schlager.“

Nur: Wo sind diese Immissionsgrenzwerte einzusehen? Das wollte Kasek am 5. Juli wissen. Würde es für Veranstalter die Sache nicht einfacher machen, wenn diese Grenzwerte irgendwo öffentlich nachlesbar wären?

Noch immer zu bürokratisch

Das mit dem hohen bürokratischen Aufwand sieht auch das Amt für Stadtgrün und Gewässer mittlerweile als Problem: „Die Resonanz aus der nichtkommerziellen Veranstaltenden-Szene, insbesondere der Techno- und Elektro-Szene, ist mehrheitlich positiv. Kritisiert werden jedoch die Bearbeitungsdauer, die Beschränkungen der Veranstaltungsdauer bis 22 Uhr (bei ‚seltenen Ereignissen‘ im Einzelfall bis 23 Uhr) und die hohen Kosten durch die Bearbeitungsgebühren, geforderte Anzahl mobiler Toiletten und den Erwerb von Abfallbeuteln der Stadtreinigung.

Das ASG hat dazu bereits das eigene Preismodell für die Genehmigungspraxis (100 € für zentrumsnahe Flächen, 50 € für innenstadtfernere Flächen) überarbeitet. Innerhalb des jeweiligen Betrags sind die Bearbeitungsgebühr sowie drei Einfahrtgenehmigungen in die Grünfläche bereits enthalten.

Das Kulturamt wird auch Veranstaltende abseits des Genre G3 (Elektro/Techno/Hip-Hop/Metal/Punk/Schlager) noch verstärkt auf die niedrigschwellige Möglichkeit der nichtkommerziellen Open-Air-Kulturveranstaltungen hinweisen. Die Prüfung der Schallimmissionsprognosen erfolgt aktuell durch das Amt für Umweltschutz. Erst nach Freigabe durch das Amt für Umweltschutz können diese Prognosen durch das ASG auf der städtischen Homepage veröffentlicht werden.“

Aber allein schon diese Auflistung zeigt, dass von einer wirklichen Niederschwelligkeit bei den Anträgen keine Rede sein kann.

Das Problem mit der Nachtruhe

Und ein weiterhin ungelöstes Problem ist nun einmal, dass die ausgewiesenen Flächen zumeist in der Nähe von Wohnbebauung liegen.

Aber da gelten auch weiterhin strenge Restriktionen, wie das Umweltdezernat betont: „Grundsätzlich ist aus immissionsschutzrechtlicher Sicht aufgrund der Nähe der Veranstaltungsflächen zu schützenswerten Wohnbereichen eine Nutzung nach 22 Uhr fast immer auszuschließen. Aus den für die Standorte erstellten Schallimmissionsprognosen wurde abgeleitet, dass Flächen im Nachtzeitraum (22:00 Uhr bis 06:00 Uhr) – mit wenigen Ausnahmeregelungen (Nachtzeitverschiebung auf 23 Uhr) – nicht genutzt werden können. Nur so kann sichergestellt werden, dass im Nachtzeitraum keine schädlichen Umwelteinwirkungen in der Nachbarschaft auftreten.“

Die einen möchten die lauen Nächte gern durchfeiern. Die anderen möchten gern ihre verdiente Nachtruhe.

Vielleicht hilft es ja, wenn man eine Veranstaltungsfläche weitab vom Zentrum findet? – „Aktuell befindet sich auf Anregung des Kulturamts eine Fläche des ASG an der Neuen Messe zur Erweiterung des Flächenportfolios in Prüfung“, teilt das Amt für Stadtgrün und Gewässer mit.

„Eine Schallimmissionsprognose für diesen Ort wird zeigen, ob dort beschallte Veranstaltungen auch in der Nachtzeit im Rahmen der gesetzlichen Rahmenbedingungen möglich sein können. Weitere Potentialflächen außerhalb des Zentrums, die ggf. auch weniger gut infrastrukturell angebunden sind, sollen zusammen mit Vertretenden der nichtkommerziellen Veranstaltenden eruiert werden.“

Zentrumsnah jedenfalls sind die Konflikte mit Anwohnern oder gar mit den Auflagen im Naturschutzgebiet Leipziger Auwald nicht wirklich zu vermeiden.

Dennoch ist das Interesse an Freiluftveranstaltungen nicht erloschen, wie die Verwaltung mitteilt: „Das Antragsaufkommen an Kulturveranstaltungen im öffentlichen Grün beläuft sich mit Stand zum 30.06.2023 auf 266 Veranstaltungen. Zusätzlich sind Open-Air-Veranstaltungen mit 11 bereits genehmigten und acht noch zu bearbeitenden Anträgen zu verzeichnen.“

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar