Von Musiker/-innen verlangte er meisterliche Fingerakrobatik, von Mozart, Vivaldi sowie Beethoven wurde er bewundert und heute gilt er als einer der größten Komponist/-innen der klassischen Musik: Johann Sebastian Bach. Mit der Stadt Leipzig verbindet ihn eine lange gemeinsame Geschichte. Doch wer war dieser Komponist, dessen Name so eng mit der Stadt Leipzig verbunden ist?

Von Eisenach nach Leipzig

Sein großer Bruder Johann Christoph, 13 Jahre älter, muss die Verantwortung über den 10-jährigen Johann Sebastian übernehmen und für seine musikalische Ausbildung sorgen. Hierbei steht das Orgelspiel im Mittelpunkt. Im Nachruf auf Bach wird es später heißen: „Solange als man uns nichts als die bloße Möglichkeit des Daseyns noch besserer Organisten und Clavieristen entgegensetzen kann; wird man uns nicht verdenken können, wenn wir kühn genug sind, immer noch zu behaupten, daß unser Bach der stärkste Orgel- und Clavierspieler gewesen sey, den man jemals gehabt hat.“

Um 1700 verlässt Johann Sebastian das Haus seines Bruders, da dieser ihn, aufgrund des Familiennachwuchses, nicht länger versorgen kann. Ihn verschlägt es nach Lüneburg, Weimar, Arnstadt, Mühlhausen, abermals Weimar, Köthen, bis er schließlich 1723 nach Leipzig kommt und Thomaskantor wird.

Thomaskantor, der höchste Kirchenmusiker in Leipzig. Bach ist damit verantwortlich für die Musik in der Thomas- und der Nikolaikirche, der Peterskirche und der Neuen Kirche. Er komponiert in dieser Funktion Oratorien, Passionen, Kantaten, leitet den Thomanerchor, unterrichtet die Schüler an der Thomasschule in Musik, Latein sowie der Auslegung der Bibel und bildet junge Organisten aus. Rund 200 Kantaten aus seiner Leipziger Zeit sind heute noch erhalten. Aber der Reihe nach.

Bach ist nicht die erste Wahl

Für das Amt des Thomaskantors ist es von großer Bedeutung, einen brillanten Musiker zu haben, der den Ruf Leipzigs in aller Welt zu mehren vermag. Und auch für die Ohren der Leipziger Bürger/-innen ist ein guter Musicus ein geschätzter Genuss. Als der alte Thomaskantor Johann Kuhnau 1722 im Alter von 62 Jahren stirbt, sieht sich der Stadtrat, welchem die Besetzung des Postens unterliegt, gezwungen, einen mindestens gleichwertigen Ersatz zu finden.

J. S. Bach ist für den Posten des Thomaskantors jedoch keineswegs die erste Wahl des Stadtrates. Dieser will lieber Georg Philipp Telemann zum Thomaskantor ernennen, welcher in der Stadt Leipzig als Komponist gut bekannt ist. Schon in der Zeit während seines Jurastudiums an der Leipziger Universität hatte sich Telemann einen Ruf als brillanter Musiker erarbeitet. So lud ihn der Stadtrat im August 1722 nach Leipzig zur Kantoratsprobe ein.

Begeistert von Telemanns Können, wird dieser vom Stadtrat einstimmig gewählt. Telemann, den mit Bach seit dessen Weimarer Zeit eine Freundschaft verbindet, hat erst ein Jahr zuvor in Hamburg eine Stelle als Kantor, Musik- und Operndirektor angetreten und will diese nicht direkt wieder an den Nagel hängen – zumal man ihn in Hamburg durch eine Gehaltserhöhung zu beeinflussen versucht. Er lehnt den Posten des Thomaskantors dankend ab.

Der Titel der 100. Ausgabe der LZ, seit 1. April 2022 im Handel. Foto: LZ

Neue Kandidaten sehen ihre Chance gekommen, darunter auch „der Capellmeister Graupner in Darmstadt und Bach in Köthen“, wie es in einem Sitzungsprotokoll der Wahlkommission heißt. Ein weiterer fähiger Musiker und Komponist, Johann Friedrich Fasch, zieht seine Bewerbung zurück, weil er sich vor dem Schuldienst sträubt. Der Favorit für den Stadtrat ist klar: Christoph Graupner.

Der Landgraf Ernst Ludwig von Hessen-Darmstadt will jedoch, so lässt Graupner dem Stadtrat mitteilen, seinen Kapellmeister nicht ziehen lassen – auch Christoph Graupners Verzicht auf das Thomaskantorat ist im Übrigen mit einer stattlichen Gehaltserhöhung verbunden. Graupner empfiehlt dem Stadtrat noch in einem Dankesschreiben, sich für J. S. Bach zu entscheiden, „einen Musicus ebenso stark auf der Orgel wie erfahren in Kirchensachen und Capell-Stücken“.

Am 7. Februar ist es dann so weit: Bach wird zur Kantoratsprobe vorgeladen, bei welcher er die beiden Kantaten „Jesu nahm zu sich die Zwölfe“ BWV 22 und „Du wahrer Gott und Davids Sohn“ BWV 23 zum Besten gibt – und da Graupner nicht zur Verfügung steht, fällt die Wahl am 22. April 1723 einstimmig auf Bach. Fürst Leopold von Anhalt-Köthen, in dessen Diensten Bach bis dato gestanden hatte, entlässt ihn in Gnaden und gibt ihm sogar ein Empfehlungsschreiben mit auf den Weg. Auch den Titel des fürstlichen Kapellmeisters zu Anhalt-Köthen darf Bach, obwohl er Köthen verlässt, weiterführen.

Die Qual des Schuldienstes

Das Amt des Thomaskantors stellt Bach vor viele Herausforderungen und daraus resultierende Streitereien. Besonders der Schuldienst erweist sich als Bürde.

Dass ein guter Komponist und ein guter Lehrer zweierlei Dinge sind, welche sich selten in einer Person vereinen, das weiß der Leipziger Stadtrat längst, als er das Thomaskantorat neu besetzen muss. Nun hat der Thomaskantor aber die Pflicht zum Unterricht an der Thomasschule in den Fächern Latein, Musik und dem Katechismus, der Auslegung der Bibel.

Der Stadtrat spaltet sich in der Frage, wie mit diesem Problem umzugehen sei, in zwei Lager: Ein Teil will dem zukünftigen Kantor die Pflicht erlassen; für die konservativen Ratsmitglieder kommt eine Änderung der Pflichten jedoch nicht infrage. Ein Kompromiss muss her. Man einigt sich darin, dass der Kantor weiter die Pflicht zum Unterricht innehat, jedoch auf eigene Kosten einen Lehrer bestellen kann, welcher ihn im Unterricht vertritt.

Um 1730 kommt es dennoch zu etlichen Beschwerden über Bachs Versäumnisse im Schuldienst. So habe Bach beim Unterricht der unteren Klassen „sich nicht so, wie es seyn sollen, aufgeführet“, ohne den Bürgermeister zu informieren „einen Chor Schüler aufs Land geschicket“, war „ohne genommenen Urlaub verreiset“ und „halte die Singestunden nicht“. Aus den angehäuften Beschwerden resultierend, entschied sich der Rat, ohne Bach vorher anzuhören, „dem Cantor die Besoldung zu verkümmern“.

Bach antwortet dem Stadtrat schriftlich und schildert diesem aus seiner Sicht die enormen Missstände, welche an der Thomasschule bestünden. Er beschwert sich über das unzureichende „musicalisch naturel“ der Schüler, über mangelnde Übung und Überalterung der Instrumentalisten, sowie das Wegbleiben der Studenten, mit welchen das Stadt-Ensemble aufgestockt werden muss. Man hatte den musizierenden Studenten die Bezahlung gestrichen.

Nach einer Unterredung mit dem Bürgermeister attestiert er Bach, dass dieser „schlechte lust zur arbeit bezeige“. In einem Brief, den Bach wiederum an einen alten Schulfreund schreibt, beschwert er sich über die Pflichten seines Postens und die „wunderliche und der Music wenig ergebene Obrigkeit“ der Stadt.

Der Konflikt spitzt sich so sehr zu, dass Bach mit dem Gedanken spielt, Leipzig zu verlassen. Der im Juli 1730 frisch ernannte Rektor der Thomasschule, Johann Matthias Gesner, kann die Lage jedoch entspannen. Er ist Bach wohlgesonnen, kann sich sogar erfolgreich für eine höhere Entlohnung Bachs einsetzen, bemüht sich um Reformen und setzt die dringend notwendige Sanierung des Schulhauses durch.

Bachs Musik bleibt unübertroffen

Doch was fasziniert die Menschen heute noch an Bachs Musik? „Höre ich die Matthäus-Passion, dann ist sie für mich das größte musikalische Weltwunder, das es gibt. Höre ich die h-Moll Messe, geht es mir genauso. Ich finde auch in den 200 Kantaten von Bach viele Brillanten unter den musikalischen Edelsteinen.

Wenn ich einmal die Brandenburgischen Konzerte höre, bin ich durch und durch gefesselt und natürlich findet man auch in den Orgel- oder Klavierwerken großartige Momente“, so der Intendant des Leipziger Bachfests Michael Maul.

Neben der kirchlichen entsprang auch weltliche Musik wie die „Kunst der Fuge“ aus Bachs Feder. Zudem war seine Musik der letzte Höhepunkt der Cembalo-, Gamben- und Lautenmusik. Nach Bachs Tod fristeten diese Instrumente lediglich noch ein Nischendasein innerhalb der klassischen Musik – die Gambe und das Cembalo waren für das moderne Orchester zu leise und die Laute wurde wegen des aufwendigen Stimmens ihrer 12 Seiten als zu umständlich erachtet.

Auf Bachs Musik muss man sich aktiv einlassen, um sie zu verstehen. Dennoch fasziniert sie die Menschen bis heute. Um es mit den Worten Michel Mauls zu sagen: „Johann Sebastian Bach hat offensichtlich eine Tonsprache gefunden, die auch 300 Jahre später die Menschen weltweit elektrisiert, die zeitlos ist und nicht alt zu werden scheint“. So bleibt er bis heute ein unerreichtes Genie.

Die Spuren Bachs in Leipzig

Post mortem versank Bach der landläufigen Meinung nach lange im Nebel der Vergessenheit. Gänzlich vergessen war er aber tatsächlich nie. Doch erst im 19. Jahrhundert erlebte Bach ein wahres Revival. Eine Wiederbelebung, deren Anstoß wir im Wesentlichen dem jungen Felix Mendelssohn Bartholdy zu verdanken haben, der im Alter von 19 Jahren Bachs Matthäus-Passion zum ersten Mal nach dessen Tod wiederaufführte.

Bachs sterbliche Überreste ruhen heute im Altarraum der Thomaskirche. Gegenüber der Kirche befindet sich das Bosehaus, in dem das Bach-Archiv untergebracht ist. Das Bach-Archiv hat sich zum Ziel gesetzt „Leben, Werk und Wirkungsgeschichte des Komponisten und der weit verzweigten Musikerfamilie Bach zu erforschen, sein Erbe zu bewahren und als Bildungsgut zu vermitteln“.

Außerdem befindet sich im Bach-Archiv ein Museum, auf dessen Fläche eine Ausstellung zum Leben und Wirken Bachs bewundert werden kann. Das Bach-Archiv prägt auch das jährliche Bachfest, das dieses Jahr vom 9. bis 19. Juni wieder stattfinden soll, sowie den zweijährlichen Bach-Wettbewerb. Darüber hinaus lebt Bach in musikalischen Andachten der Thomaskirche fort.

Aus Leipzig, aber auch aus der musikalischen Welt, ist Bach nicht mehr wegzudenken.

„Johann Sebastian Bach: Auf den Spuren von Leipzigs berühmtestem Thomaskantor“ erschien erstmals am 1. April 2022 in der aktuellen Printausgabe der Leipziger Zeitung (LZ). Unsere Nummer 100 der LZ finden Sie neben Großmärkten und Presseshops unter anderem bei diesen Szenehändlern.

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