Das Theater hat sich verändert: Nicht immer war es eine Frage von Geld und Studiertheit, ob man ins Theater gehen konnte und wollte. War Corona auch schwer für viele Kunstschaffende, so hat es doch viele Produktionen runter von der Bühne und hinein ins Internet oder nach draußen auf die Straße gebracht. Aber hat es die hochgelobte Hochkultur, den um sich selbst kreisenden Theaterkosmos zugänglicher gemacht? Und wie zugänglich ist der Betrieb für die Theaterschaffenden selbst?

Auch Anja Panse, Anna Keil und Annegret Enderle entschieden sich mitten in den Corona-Lockdowns 2021, das Kollektiv „Triple A“ zu gründen. Sie starteten gegen den künstlerischen Stillstand mit einem Podcast-Projekt „Dante.RELOADED“, ein Hörspiel angelehnt an Dantes „Die Göttliche Komödie“. Vor kurzem führten sie nun ihr Stück „Clara Z – Kämpfen wo das Leben ist“ im Laden auf Zeit im Leipziger Osten und im Schauspiel Leipzig auf.

Die drei Frauen sind schon lange im Kulturbetrieb verankert: Anja Panse, Schauspielerin, Regisseurin und Autorin, inszenierte 25 Produktionen. Nicht zuletzt war sie 2019 mit ihrem Stück „Rosa – Trotz alledem“ über das Leben und die Ideen Rosa Luxemburgs erfolgreich und tourte sogar durch Brasilien. Anna Keil, fast zehn Jahre lang festes Ensemblemitglied ab 2011 in Nürnberg, seit 2013 am Schauspiel Leipzig. Annegret Enderle musiziert seit 2010 für unterschiedlichste Theaterproduktionen. Der jüngste Kollektiv-Zuwachs Dinah Ehm ist seit 2006 unter anderem als freie Kostümbildnerin für unterschiedlichste etablierte Theater tätig.

Weil sie raus aus dem Korsett der subventionierten Stadt- und Staatstheater und ihre eigenen Themen zu den Menschen bringen wollten, gründeten sie „Triple A“. Welche Themen ihnen wichtig sind, wie sie Theater wieder zugänglich machen wollen und was es bedeutet, als freie Theaterschaffende in krisengeladenen Zeiten zu arbeiten, haben Anja Panse und Anna Keil im Interview mit der Leipziger Zeitung erzählt.

Wie seid ihr zu dem Namen „Triple A“ gekommen? Was steckt für euch hinter eurem Motto „Alternativ, authentisch, angstfrei“?

Anja: Wir waren die drei Gründungsmitglieder: Annegret Enderle, Anna Keil und Anja Panse. Jeder unserer Vornamen beginnt mit einem A. So sind wir auf Triple A gekommen. Mittlerweile sind wir zu viert. Seit 2022 gehört die Kostümbildnerin Dinah Ehm fest zu unserem Team. Außerdem arbeiten wir für jede Produktion in verschiedenen Konstellationen mit anderen Künstlerinnen und Künstlern zusammen.

Das Motto „Alternativ, authentisch, angstfrei“ haben wir gewählt, weil wir eine übergeordnete Ebene einbringen wollten. Da wir inzwischen mit anderen Künstler*innen zusammenarbeiten, suchten wir drei Schlagwörter, die uns miteinander verbinden und zusätzlich mit dem Buchstaben A beginnen.

Authentisch haben wir gewählt, weil es unser Anspruch ist, glaubwürdig zu sein. Das Wort bedeutet von seiner Herkunft her: den Tatsachen entsprechend, echt.  Wir recherchieren viel für unsere Stücke. Sie basieren auf historischen Tatsachen und sind somit „echt“. Alternativ, weil wir ein alternatives, freies Theater zu den subventionierten Staatstheatern etablieren wollen. Und angstfrei, weil Angst, wie wir in den letzten Jahren gesehen haben, uns alle gelähmt hat. Unsere Utopie ist es, angstfrei zu werden, um nicht zu erstarren, sondern lebendig zu bleiben.

Anna: Zum Wort „alternativ“: Es ist uns ein Anliegen, das Theater wieder zurück zu den Menschen zu bringen. Wir treten an verschiedensten Orten auf, nicht nur auf Theaterbühnen, sondern auch in Kneipen, Kirchen, Wohnzimmern oder an verschiedenen anderen Orten. Wir wollen unseren Horizont öffnen und wieder mehr zu den Menschen gehen.

Was war der verrückteste oder komplizierteste Ort, an dem ihr aufgetreten seid?

Anja: Für mich war der verrückteste Ort, als wir in einem Wohnzimmer aufgetreten sind. Das war kleiner als 20, vielleicht 15 Quadratmeter. Da war alles voller Plüschsofas und Plüschkatzen und alles voller Menschen. Wir hatten kaum Platz uns zu drehen oder zu wenden. Umgezogen haben wir uns im Bad, wo die Menschen auch aufs Klo gingen.

Anna: Ja, da waren wir sehr nah am Publikum dran.

Ihr habt die Entscheidung getroffen, in die freie Theaterszene zu gehen. Woran fehlte es euch in den etablierten Theatern?

Anna: Ich habe zunehmend vermisst, auf der Bühne von echten Menschen zu erzählen, von Persönlichkeiten mit ihren Schicksalen, ihren Ecken und Kanten. Die persönliche Ebene im Spiel, mit der ich und das Publikum sich identifizieren können, die hat mir gefehlt. Es ging mehr um ästhetische Mittel und darum, wie ich etwas darstellen kann, anstatt was und wen ich eigentlich darstelle.

Anja: Für mich ist das Hauptproblem am Stadt- und Staatstheater, dass man als Schauspieler und als Regisseur den Text und die Besetzungsliste vorgesetzt bekommt. Du hast im Grunde kein Mitspracherecht, auch nicht als Regisseurin. Das hat mich gestört. Denn am Theater bekomme ich nur die Inhalte vorgesetzt, die die Theaterleitung gerade für relevant hält. Wenn ich möchte, dass die Themen gezeigt werden, die mir unter den Nägeln brennen, dann muss ich sie selber machen, und zwar außerhalb des Stadttheaterbetriebs.

Wenn ich möchte, dass die Themen, die mir unter den Nägeln brennen, gezeigt werden, dann muss ich sie selber machen. Und das muss ich dann außerhalb des Betriebs machen.

Du bist schon seit 2016 in der freien Szene unterwegs, Anja?

Anja: P/K, Panse und Kastner, war die erste freie Gruppe, die ich mit Barbara Kastner, einer Dramaturgin zusammen gegründet habe. Wir brachten zwei Produktionen auf die Bühne: Eine über Rosa Luxemburg „Rosa – Trotz alledem“, womit wir 2019 nach Brasilien auf eine Gastspieltournee eingeladen wurden und „Kind aller Länder“ von Irmgard Keun. Barbara Kastner ist heute Leiterin des Theaters in Lünen, weswegen wir nicht weiter frei zusammenarbeiten konnten. Auch deshalb war es notwendig geworden, eine neue freie Gruppe zu gründen.

Wie kam es dann zur Gründung von „Triple A“?

Mit Annegret arbeite ich seit 2010 kontinuierlich zusammen, wir haben bereits 12 Produktionen gemeinsam gemacht. Mit Anna habe ich vor dreizehn Jahren zusammen gearbeitet. Seitdem haben wir den künstlerischen Faden nie abreißen lassen und als Anna ihr Festengagement in Leipzig verließ, haben wir gemeinsam die Gunst der Stunde genutzt und „Triple A“ ins Leben gerufen.

Die Intention für „Triple A“ kam daher, dass wir uns während Corona unfreiwillig im Stillstand befanden. Wir waren nicht nur als Menschen isoliert, sondern auch künstlerisch, wir konnten ja nicht arbeiten. Zu der Zeit habe ich mich mit Dantes „Die Göttliche Komödie“ beschäftigt und eine neue Adaption geschrieben über die letzten 700 Jahre. Also von heute bis zu dem Zeitpunkt, wo „Die Göttliche Komödie“ geschrieben wurde.

Ich dachte, wir müssen daraus ein Hörspiel erstellen, denn man konnte ja nichts anderes machen, als eine digitale Arbeit zu realisieren. Da haben wir uns zusammengesetzt und überlegt, wie wir „Dante.RELOADED“ umsetzen können.

So entstand die Idee eines Hörspiels in Form eines Podcasts. Wir haben dann jede Woche einen Podcast von 25 Minuten eingespielt und veröffentlicht. Man kann dieses Projekt noch heute auf Spotify anhören.

Ist daraus auch noch eine andere Produktion daraus entstanden oder ist das Projekt abgeschlossen?

Anja: Für uns ist „Dante.RELOADED“ ganz und gar nicht abgeschlossen, aber dieses Projekt ist sehr aufwendig in der Umsetzung. Wir benötigen mehrere Musiker*innen und mindestens vier Schauspielerinnen und Schauspieler. Das müssen wir aber zunächst finanzieren können. Es ist aber unser Ziel, „Dante.RELOADED“  eines Tages live auf die Bühne zu bringen.

Wenn du von Finanzierung sprichst: Ihr macht alles selbst. Wie viel Arbeit steckt hinter so einer Produktion?

Anja: Sehr viel Arbeit. Wenn ich eine Produktion starten will, muss ich ungefähr ein Jahr vorher Projektanträge stellen und ausformulieren, wie das ganze Projekt in einem Jahr aussehen soll. Das Thema, die Musik, die Kostüme, das Produktionsteam, die komplette Handlung, all das muss ich im Kopf schon fertig konzipiert haben sowie einen Finanzplan einreichen. Die Unterlagen schickt man dann an verschiedene Stellen, zum Beispiel an das Kulturministerium oder den Fonds Darstellende Künste, wobei jede Stelle unterschiedliche Kriterien anwendet und man die Projektbeschreibung und den Finanzplan immer anpassen muss. Das ist super viel Arbeit.

Dann wartet man sechs bis acht Monate auf eine Zusage oder einen Ablehnungsbescheid.

Für unsere letzte Produktion „Peace Food oder Die letzte Suppe“ haben wir beispielsweise keine staatlichen Gelder bekommen. Wir haben es dann privat finanziert, da es uns wichtig war, das Thema Krieg und Frieden zum jetzigen Zeitpunkt auf die Bühne zu bringen.

Wie geht es dann weiter, wenn man sich praktisch das Theater jedes Mal selbst aufbauen muss?

Anna: Wir müssen einen Probenraum organisieren, die Requisiten beschaffen und überlegen, was wir woher und wann bekommen. Mit dem Kostüm ist es das Gleiche. Auch die Werbung machen wir selber, also Plakate und Flyer entwerfen und drucken. Auf allen Ebenen sind wir selber gefragt.

Anja: Bühne aufbauen, Bühne abbauen…

Anna: Schminken, abschminken, Klamotten waschen, sie wieder für die nächste Vorstellung herrichten…

Der Unterschied zum Festengagement ist wirklich enorm. Da komme ich eine Stunde vor der Vorstellung in meine Garderobe, habe im besten Fall schon meine Tasse Tee, die die Ankleiderin mir bereitgestellt hat. Die Kostüme hängen dort gebügelt und tipptopp sauber. Dann gehe ich in die Maske, werde geschminkt und dann von der Inspizienz eingerufen, wenn ich auf die Bühne kommen muss zu meinem Auftritt. Für die Beleuchtung , die Requisiten und alles drum herum gibt es die Gewerke, gibt es Menschen, die dafür verantwortlich sind.

Bei Triple A sind für alles selbst verantwortlich. Wenn wir uns um etwas nicht kümmern, ist es nicht vorhanden. Das ganze Projekt muss allumfassend betrachten werden und nicht nur von meiner Warte als Schauspielerin aus.

Ihr seid schon vorher im Theaterbetrieb verankert gewesen. Wie leicht fällt es euch, als freies Kollektiv Fuß zu fassen?

Anja: Während der pandemischen Situation gab es eine neue Form der Förderung über den Fonds Darstellende Künste: Das Recherchestipendium. Das war gut, ich konnte drei Monate lang an einem Thema arbeiten. Mir hat es sehr geholfen. Das Problem ist: Du erarbeitest einen Stoff, ein Stück und dann kommt keine anschließende Produktionsförderung zur Umsetzung des Stückes auf die Bühne. Tausende freie Künstler und Künstlerinnen teilen sich einen Topf in dem zu wenig Geld ist. Das ist die große Schwierigkeit in der freien Szene, die Ideen bis hin zur Aufführung auch tatsächlich umsetzen zu können..

Anna: Das Stück „Clara Z- Kämpfen, wo das Leben ist“ haben wir vor Kurzem im Schauspiel Leipzig aufgeführt. Das war eine sehr gute Zusammenarbeit. Grundsätzlich wäre es schön, wenn ein Stadttheater für die freien Theater seinen Fundus öffnen oder die Technik verleihen würde. Es gibt dort so viel Equipment, das man sich ausleihen könnte. Das wäre für uns als freie Künstler eine große Unterstützung und könnte eine Brücke zwischen suventioniertem und freiem Theaterbetrieb bilden.

Wie ist es für euch im Theaterbetrieb, als freies Kollektiv von drei beziehungsweise vier Frauen, die Sexismus und andere politische Themen addressieren, an die sich nicht alle herantrauen?

Anja: Unsere Themen sind durchaus tiefgehend. Moral ist das Thema unseres ersten Stückes „Moralinsüß“ gewesen, genauer gesagt: Die wandelnde Moral im Laufe der Zeit. Das Stück ist eine komödiantische Achterbahnfahrt und spielt mit den verschiedenen Ansichten über Moral.

Unser zweites Stück handelt vom Schicksal und der Persönlichkeit Clara Zetkins. Ihre Ansichten zu Militarisierung, Pazifismus und der Gleichberechtigung der Frau werden thematisch aufgegriffen. Es geht auch um das Verständnis, dass die ökonomischen Verhältnisse die sozialen Verhältnisse bedingen. Das ist ein großes Anliegen unserer Inszenierung „Clara Z – Kämpfen, wo das Leben ist“.

„Peace Food oder Die letzte Suppe“ zeigt die gewalttätige Historie des Abendlandes. Es zeigt, dass schon immer bestimmte Strukturen dazu führten, ganze Völker in Kriege zu führen. Meist mit einer Argumentation, die emotionalisiert, aber dem Volk letztendlich nur Leid, Elend und Verarmung bringt. All dies geschieht bei uns in der Form des Clownsspiels. Denn ohne Humor wäre die Geschichte des Abendlandes wohl kaum zu ertragen.

Die Themen kommen zu uns. Sie liegen quasi auf der Straße. Wir brauchen nur zuzuhören. Von unseren Zuschauerinnen und Zuschauern bekommen wir großen Zuspruch. Das ermutigt uns weiterzumachen.

Auch wenn die Themen auf der Straße liegen: Man muss auswählen, welche man nimmt und wie man sie zusammensetzt. Wie macht ihr das?

Anja: Im Moment haben wir eine Moralisierung der Gesellschaft. Deshalb haben wir das Thema in „Moralinsüß“ aufgegriffen. Alles wird moralisiert und aus moralischen Gründen bewertet und verhandelt. Es wird nicht mehr geschaut, ob man objektiv rational eine Lösung für die Probleme der Gesellschaft findet. Wir haben uns daher die Moral im Wandel der Zeiten angeschaut. Da ergeben sich große Brüche, was moralisch wie gewertet und gewichtet wurde.

„Clara Zetkin“ ist ein Auftragswerk gewesen. Mein Stück über Rosa Luxemburg lief sehr erfolgreich über mehrere Jahre und so wurde ich von der Intendantin Edith Körber von der

tri-bühne Stuttgart beauftragt, etwas Neues zu schreiben. Wir hatten das Glück und die Möglichkeit, dass Anna die Hauptrolle übernehmen konnte. Bei dieser Kooperation hatten wir komplett freie Hand in der Umsetzung.

Die Friedensfrage ist für mich schon seit langem ein wichtiges Thema. Die kriegerischen Auseinandersetzungen auf der Welt nehmen zu. In Gesellschaft und Politik gibt es einen großen  Drang zu Militarisierung und Aufrüstung. Ich wollte mit „Peace Food“ eine Geschichte des Abendlandes zeichnen und habe mir verschiedene Perioden angeschaut, zum Beispiel die napoleonischen Kriege, die Kreuzzüge, die Reformationskriege, um zu zeigen, welche Zyklen der Gewalt es immer gab, wie sie argumentiert wurden und was die Konsequenzen daraus waren.

Im Kern des Stücks geht es um Folgendes: Es gibt einen Clown, der immer der Machthaber sein will und das auch einfordert. Der zweite Clown, ist folgsam und gehorcht dem aggressiveren Clown. Beide stiften zusammen Unheil. Wir haben aber eine weitere Figur eingebaut, den weisen Clown, der immer wieder eine andere Sicht der Dinge ins Spiel bringt, nämlich wie man eine friedliche Welt erschaffen könnte. Dieser Clown, der die pazifistischen Momente einbringt, wird aber leider von den beiden anderen nie gehört oder verstanden. Vielleicht wird dieser Clown aber von unserem Publikum verstanden.

Anna: Für mich ist in dem Zusammenhang interessant, dass wir Themen aus der Vergangenheit aufgreifen und die Fäden bis in die Gegenwart ziehen. Dadurch haben unsere Stücke super viel mit unserer heutigen Zeit zu tun, obwohl wir eigentlich aus der Vergangenheit schöpfen. Wir bringen die beiden Ebenen zusammen und das merken wir auch an den Reaktionen des Publikums.

Anja: Ich habe irgendwann mal den Satz gehört „Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht verstehen und die Zukunft nicht gestalten.“ Das ist mein Leitmotto. Ich habe schon früh verstanden, dass viele Mitmenschen sich nicht gern mit der Vergangenheit befassen und deshalb nicht verstehen können, warum wir uns heute in Krisensituationen oder kriegerischen Auseinandersetzungen befinden und was das für die Zukunft bedeutet. Die Menschheit muss aber Lehren aus der Vergangenheit ziehen, sie im Heute umsetzen, damit die Zukunft friedlich und gerecht sein wird.

Begreift ihr euch selbst als politischer Akteur?

Anja: Ich würde sagen, ja. Aber das ist für jeden anders.

Anna: Zunehmend mehr, ja. Das hat mit gesellschaftskritischen Positionen zu tun und der Situation, in der wir uns aktuell befinden. Da lassen sich politische Themen nicht ausschließen. Deshalb begreife ich mich in gewisser Weise schon als politischer Akteur.

Wo seht ihr die Rolle der Kunst zwischen all den Krisen, die wir momentan erleben?

Anja: Ich sehe die Rolle der Kunst als wesentlich. Zum einen ist die Kunstfreiheit im Grundgesetz verankert. Es ist gerade das Herausragende an der Kunst, dass sie die Dinge offen benennen kann. Außerdem bietet die Kunst die Möglichkeit, miteinander zu diskutieren. Wir möchten durch unsere Theaterstücke versuchen, Spaltungen zu überwinden und in Kommunikation zu treten, um verschiedene Positionen zu verstehen und als Gemeinschaft wieder zusammenzukommen.

Daher sehe ich es als eine zentrale Aufgabe der Kunst, Geschichten zu erzählen, die etwas mit uns im Hier und Jetzt zu tun haben. Unser Anliegen mit Triple A ist es, nah und direkt am Publikum zu sein. Bei „Peace Food“ zum Beispiel wird während der Aufführung eine Suppe vom weisen Clown gekocht, die wir am Ende gemeinsam mit dem Publikum essen und über Welt und Gesellschaft sprechen.

Wenn wir nicht im Theater auftreten, sondern im Wohnzimmer oder in einer Schreinerei, dann gehen wir nicht nach Stückschluss einfach ab, wie das sonst auf Theaterbühnen der Fall ist. Wir sitzen nach dem Schlussapplaus mit dem Publikum zusammen, erleben die unmittelbaren Reaktionen und reden miteinander.

Anna: Der Kontakt zum Publikum ergibt sich auf ganz natürliche Weise. Ein Austausch findet statt und ich merke, wie groß das Bedürfnis von allen Seiten nach diesem Austausch ist. Das Angebot, miteinander ins Gespräch zu kommen, wird sehr gut angenommen.

Haben da die etablierten Theater ihre Bühnen ein bisschen zu hoch gebaut? Sind zu weit weg von den Menschen?

Anna: Grundsätzlich liebe ich es, wenn verschiedenste Ebenen und interdisziplinäre Elemente ineinandergreifen. Wenn der Intellekt angesprochen wird und gleichzeitig durch musikalische und ästhetische Mittel das seelische Empfinden in Schwingung gerät. Das ist für mich als Spielerin, aber auch als Zuschauerin am erfüllendsten, da ich auf mehreren Ebenen anknüpfen kann, emotional und inhaltlich.

Was mir an unseren Stücken Spaß macht, ist, dass die Spielweisen so unterschiedlich sind.

Als Clara Zetkin stehe ich größtenteils allein auf der Bühne und muss den ganzen Bogen der Figur spannen und in Peace Food körperliches Spiel und Slapstick sehr gefragt. Diese Abwechslung ist sehr inspirierend.

Habt ihr Lieblingsstücke?

Anna: Das ist schwer zu sagen. Ich mag es grundsätzlich, wenn verschiedenste Ebenen und interdisziplinäre Elemente ineinandergreifen. Wenn das Musikalische und der Intellekt angesprochen werden, das Ästhetische, aber auch der Inhalt, sodass man als Mensch an vielen Ebenen andocken kann. Der eine ist näher am Inhalt, für den anderen ist wichtig, emotional angesprochen zu werden. Das ist für mich als Zuschauerin am erfüllendsten, wenn ich auf mehreren Ebenen anknüpfen kann.

Was mir an unseren Stücken Spaß macht, ist, dass es viele unterschiedliche Spielweisen sind. Es gibt Clara Zetkin und dann gibt es Peace Food oder Moralinsüß, die sind total unterschiedlich. Die Abwechslung ist sehr inspirierend.

Welche nächsten Projekte stehen bei euch an?

Anja: Wir gehen im Januar, Februar und März 2024 auf Tour und spielen in Berlin, Stuttgart, Werder/Havel und Saarbrücken. Danach arbeiten wir an unserem neuen Stück „Megalopolis“. Da beschäftigen wir uns mit einer Smart City beziehungsweise mit Transhumanismus, also der Verschmelzung von Mensch und Maschine.

Anja Panse hat an der HMT in Rostock Schauspiel studiert und arbeitet neben ihrem Beruf als Schauspielerin auch als Autorin und Regisseurin. Sie hat an verschiedenen Stadt- und Staatstheatern und in der freien Szene gearbeitet. Insgesamt inszenierte sie über 25 Produktionen und war als Schauspieldozentin an der HMT Rostock, der HMT Felix-Mendelsohn-Bartholdy Leipzig und der Niedersorbischen Kulturakademie tätig. 2021 gründete sie zusammen mit Anna Keil und Annegret Enderle das Kollektiv „Triple A“.

Anna Keil studierte ebenfalls Schauspiel in Rostock. 2011 bis 2013 war sie festes Ensemblemitglied am Schauspiel Nürnberg und von 2013 bis 2020 am Schauspiel Leipzig. Beim Theatertreffen deutschsprachiger Schauspielstudierender 2010 in Leipzig erhielt sie den Solopreis für die Darstellung der Nastja in Maxim Gorkis „Nachtasyl“. Sie war außerdem als Dozentin an der HMT Rostock und der HMT Felix-Mendelsohn-Bartholdy Leipzig tätig und leitete von 2017 bis 2020 das Studio des Schauspielinstituts „Hans Otto“  der HMT Leipzig.

Weitere Informationen zu Triple A, den nächsten Vorstellungen und dem Newsletter finden sich auf der Webseite von Anja Panse.

„‚Wir bringen das Theater zu den Menschen zurück‘: Das Kollektiv „Triple A“ im Interview„ erschien erstmals im am 22.12.2023 fertiggestellten ePaper LZ 120 der LEIPZIGER ZEITUNG.

Sie wollen zukünftig einmal im Monat unser neues ePaper erhalten? Hier können Sie es buchen

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar