Enrico Böhm (32) kennt sich in Leipzigs Gerichtssälen womöglich besser aus als im Neuen Rathaus. Am Dienstag verhandelte das Amtsgericht gleich drei Straftaten, die der vielfach vorbestrafte NPD-Stadtrat im Jahr 2014 begangen haben soll.

Zum ersten Vorwurf soll Böhm im April 2014 Christine E. (29) getreten haben, während sie in der Gemeindeamtsstraße auf einem Fahrrad fuhr und eine kleine Gruppe sah, die ein Auto bestaunte. “Ein junger Mann kam plötzlich auf die Straße gelaufen”, erinnerte sich die Zeugin. Der Kommunalpolitiker äußerte sich nicht zu dem Vorwurf.

Als die Radlerin an dem Pkw vorbeifuhr, ereignete sich etwas Unerwartetes: „Er hat mich gekickt“, beschrieb sie die erste Begegnung mit dem Angeklagten. Die Auszubildende wusste zunächst gar nicht, wie ihr geschah. „Das Auto ist kaputt und ich solle verschwinden“, klärte sie eine Person aus der Gruppe unsanft auf. Unbekannte hatten die Scheiben des Fahrzeugs eingeworfen. „Ich war halt die, die es abbekommen hat“, mutmaßte sie. Beim Wegfahren soll Böhm die Frau noch als „Zeckenschlampe“ beleidigt haben.

Polizistin Sandra D. (42) war seinerzeit vor Ort. Der Angeklagte hatte bei ihr einen bleibenden Eindruck hinterlassen, weil er die Beamten immer wieder in ihrer Arbeit behinderte. „Er ist mir aufgefallen, weil er so viel zu sagen hatte.“ Auf der Rückfahrt zu ihrer Wohnung bemerkte Christine E. die Beamtin und erstattete noch vor Ort Anzeige. Der redselige NPD-Stadtrat war jedoch plötzlich verschwunden.

Der zweite Vorwurf beginnt am 30. Dezember 2014 mit einem Telefongespräch mit der ARGE, das seine Lebensgefährtin führte. Die Behörde hatte der gemeinsamen Bedarfsgemeinschaft Bezüge gekürzt. Aufgrund der knappen Kasse verlief die Diskussion sehr emotional. Schuld an der Misere sollen fehlende Unterlagen gewesen sein.

Ramona O. (29) war damals auf der Gegenseite des Apparates. Die Angestellte ist keine Sachbearbeiterin, sondern sitzt in einem Callcenter und darf nur einfache Tätigkeiten ausführen. Kontakt zur Sachbearbeiterin konnte sie folglich nicht herstellen.

Für Böhm der Tropfen, der das Fass überliefen ließ. Der NPD-Stadtrat übernahm kurzzeitig das Telefonat. Zitat: “Wenn die Sachbearbeiterin nicht innerhalb einer halben Stunde zurückrufe, würde er vorbeikommen. Dann könne sie ihren Kopf unter dem Arm tragen.” „Das mit dem Kopf war sehr deutlich“, berichtete Ramona O. dem Gericht.

Im letzten Vorwurf soll Böhm in der Nacht zum 10. Mai 2014 den Polizeinotruf missbraucht haben. Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetzt.

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