Nachdem er bis Mitte der 2010er-Jahre als Politiker und Aktivist regelmäßig in Erscheinung getreten war, blieb es zuletzt eher ruhig um Enrico B., den ehemaligen NPD-Stadtrat. Offenbar hatte sich seine politische Arbeit eher ins Verborgene verlagert – zumindest laut Bundesanwaltschaft und mehrerer Medienrecherchen. Jahrelang soll B. an einem antisemitischen Online-Versand beteiligt gewesen sein. Nun muss er deshalb auf unbestimmte Zeit in Untersuchungshaft.

Der ehemalige Leipziger NPD-Stadtrat Enrico B. bleibt in Untersuchungshaft. Wie die Generalbundesanwaltschaft am Dienstag, dem 7. Juni, mitteilte, hat dies ein Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofes am Freitag, dem 3. Juni, entschieden.

Seit Jahren antisemitisch aktiv

Die Bundesanwaltschaft hatte B. am 2. Juni durch Beamte des Landeskriminalamtes Sachsen in Leipzig festnehmen lassen. Sie wirft ihm Mitgliedschaft in einer „rechtsextremistischen kriminellen Vereinigung“ vor. Er soll diese zudem selbst mitgegründet haben. Spätestens seit August 2018 soll B. mit dem Verlag „Der Schelm“ antisemitische und nationalsozialistische Ideologie verbreitet haben. Das Ex-NPD-Mitglied sei vor allem für Lagerung und Versand verantwortlich gewesen.

Erst einen Tag zuvor hatte die Bundesanwaltschaft ein weiteres mutmaßliches Mitglied der Vereinigung festnehmen lassen: Matthias B. soll die Bestellungen bearbeitet und „andere Gruppenmitglieder zum Versand der Bücher“ angewiesen haben. Die Festnahme erfolgte im sächsischen Röderaue. Auch für ihn wurde Untersuchungshaft angeordnet. Neben den beiden Inhaftierten sollen mindestens zwei weitere Personen der Gruppe angehören.

LZ-Bericht vor fast sechs Jahren

Bereits im November 2016 hatte die Leipziger Zeitung (LZ) über den „Schelm“ berichtet. Nach einer weiteren Berichterstattung mehreren Medien folgte im Dezember 2020 eine Razzia, bei der mehrere Bücher beschlagnahmt wurden. Auch nach dieser Razzia hatte der „Schelm“ laut Angaben auf der Homepage seinen Betrieb fortgesetzt.

Ex-Stadtrat B. stand vor allem Mitte des vergangenen Jahrzehnts wiederholt wegen Straftaten und Gerichtsprozessen im Fokus der Öffentlichkeit. Zwischenzeitlich landete er schon damals in Untersuchungshaft.

Von längeren Haftstrafen blieb er jedoch stets verschont – unter anderem, weil Richter/-innen erklärten, dass weitere Straftaten nicht zu erwarten seien.

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