Ein wohnungsloser Pornodarsteller und Tätowierer steht derzeit vor Gericht, weil er einen Bekannten in Leutzsch beinahe totgeprügelt haben und zudem versucht haben soll, seine eigene Freundin zu vergewaltigen. Diese belastete den 30-Jährigen am Dienstag in ihrer Zeugenaussage, während ein Kumpel für den Angeklagten in die Bresche sprang: Christian F. sei „kein krankhafter Gewalttäter“, er brauche Hilfe.

Als er ein Kind war, so erinnerte sich Zeuge Guido S. (Name geändert) an diesem Dienstag, habe es in seiner Familie einen Hund gegeben. Doch wegen seines problematischen Verhaltens sei das Tier damals fortgebracht und letztlich eingeschläfert worden. Ähnlich, so die Botschaft, empfände er auch den Umgang der Gesellschaft mit einem mutmaßlichen Straftäter wie seinem Kumpel Christian F., der nur wenige Meter neben ihm saß, als Angeklagter.

Schwere Vorwürfe in der Anklage

Der 30-Jährige soll laut Anklage am Abend des 1. September 2022 einen Bekannten (64) in dessen eigener Wohnung in der Georg-Schwarz-Straße mit Bierflaschen traktiert und auf ihn eingestochen haben. Anschließend habe er den hilflosen Manfred K. (Name geändert) einfach liegenlassen, seine eigene Freundin Janina M. (Name geändert) heftig bedroht und mit einer Schere verletzt, ehe er mit der 32-Jährigen die Wohnung verließ. Wenig später, gegen 23:30 Uhr, habe Christian F. die junge Frau in der Nähe des Leutzscher Rathauses zum Oralverkehr zwingen wollen.

Eine nächtliche Streifenbesatzung, die zufällig vorbeifuhr, griff ein und konnte Christian F. schließlich überwältigen. Der zuletzt wohnungslose Mann ist unter anderem wegen versuchten Mordes und versuchter schwerer Vergewaltigung angeklagt.

Er selbst weist die Vorwürfe der Anklageschrift großteils zurück. Für den Gewaltexzess gegen den Leutzscher Manfred K., der ihm und seiner Freundin Janina M. Unterschlupf gewährt und den brutalen Angriff knapp überlebt hatte, macht Christian F. Janina M. selbst verantwortlich. Sie wiederum streitet das ab.

„Er ist kein losgelassenes, wildes Tier“

Direkte Entlastung konnte ihm sein Kumpel Guido S. am Dienstag nicht verschaffen, weil er bei den angeklagten Vorfällen nicht anwesend war. Doch hatte sich der 41-Jährige extra noch einmal für eine zweite Zeugenaussage an die Staatsanwaltschaft gewandt: Er wolle noch andere Aspekte zur Sprache bringen.

Demnach sei Christian F. „ein Opfer unserer Gesellschaft und von sich selbst“, ein „losgelassenes, wildes Tier“ sei er dagegen keineswegs. Guido S. und der Angeklagte kannten sich seit etwa anderthalb Jahren, Guido S. sei zunächst Kunde beim Angeklagten gewesen, der nach eigener Aussage unter anderem mit Pornodarstellungen sein Geld verdiente. Zwischen beiden Männern habe sich dann eine Art Freundschaft entwickelt.

Allerdings soll Christian F. auch auf den älteren Mann losgegangen sein, ihn verdroschen haben, weil ihm Dinge nicht in den Kram passten.

Zeuge: Angeklagter lebt in einem Film

Dennoch urteilte Guido S. über seinen Bekannten sachlich: Christian F. lebe „in einem Film, der immer weiterläuft, und keiner hilft ihm“, er habe eine Mauer um sich herum aufgebaut. Dem 30-Jährigen, der als Teenager missbraucht und vergewaltigt worden sei, helfe es nicht, ins Gefängnis zu müssen, hielt der Zeuge dem Vorsitzenden Richter Johann Jagenlauf vor.

Der konterte: Wenn Christian F. die Taten tatsächlich begangen haben sollte und kein Gewalttäter sei, was sei er dann? Und: „Sollen wir ihn dann auf die Straße schicken und gucken, was passiert?“ Zeuge Guido S. erwiderte, Christian F. bräuchte neben Medikamenten fachliche Unterstützung, etwa in einem Krankenhaus.

Angriff auf Krankenschwester in der JVA

Dass der Angeklagte sich offenbar nicht immer im Griff hat, ist jedenfalls aktenkundig: Weihnachten 2022 griff der gelernte Fachlagerist aus Dessau in der JVA Leipzig, wo er seit seiner Festnahme in Untersuchungshaft sitzt, aus nichtigem Grund eine Krankenschwester an, schrieb ihr später einen Entschuldigungsbrief. Doch laut seines Kumpels sei Christian F. immer wieder in Situationen geraten, wo er bei verschiedenen Typen übernachtete und diese irgendwann mehr als Sex wollten. „In dem Moment weiß er sich nicht anders zu helfen.“

Mutmaßliches Opfer belastet Angeklagten schwer

Die Geschädigte Janina M. belastete Christian F. in ihrer Zeugenaussage am Dienstagnachmittag und bestätigte, dass die Vorwürfe der Anklageschrift stimmen würden. Laut dieser habe ihr Bekannter sie schon vor dem Mordversuch an Manfred K., der sich an das Geschehen selbst nicht erinnern kann, mehrfach gewürgt und an den Leutzsch-Arkaden Flaschen durch die Gegend geschleudert.

Dass sie die wahre Täterin sei, die Manfred K. in Leutzsch so brutal verprügelt und auf ihn eingestochen habe, wie vom Angeklagten behauptet, stritt sie ab. Auch das Verhältnis mit Christian F., den sie Anfang 2022 in einer Hamburger Obdachlosenunterkunft kennengelernt hatte, sei nicht von großen Ambitionen für die Zukunft begleitet gewesen. Christian F. dagegen hatte erklärt, er habe Janina M. aus der Obdachlosenszene herausholen und gemeinsam mit ihr dauerhaft ein neues Leben in Leipzig beginnen wollen.

Sicherungsverwahrung, Psychiatrie, Maßregelvollzug?

Wie es nun mit dem Angeklagten weitergeht, könnte bis Ende Mai entschieden sein. Laut Strafkammer kommt bei einer Verurteilung durchaus in Betracht, dass der massiv vorbestrafte Christian F. zum Schutz der Gesellschaft nach einer Haftstrafe in Sicherungsverwahrung muss. Auch die Unterbringung in der Psychiatrie oder, aufgrund von möglicher Alkoholsucht, die Einweisung in einen Maßregelvollzug wären denkbar.

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