Jürgen Elsässer bekam vom Gericht am Dienstag, dem 24. Juni, auch sein Fett ab, dennoch dürften er und seine Mitstreiter nun triumphieren: Das Verbot des Compact-Magazins durch das Bundesinnenministerium wurde trotz problematischer Inhalte gekippt, somit darf der Betrieb fortgesetzt werden. Diese Entscheidung mag schwer zu ertragen sein, ist aber bei genauer Betrachtung dennoch richtig und nachzuvollziehen. Ein Kommentar.

Ein netter Herr habe ihr vor dem Gericht noch einen Blumenstrauß als Glücksbringer überreicht, lächelte Jürgen Elsässers Frau Stephanie im Saal, kurz bevor der Senat den Raum betrat. Und der Erfolg für das Ehepaar und dessen Mitstreiter trat tatsächlich ein: Das Gericht erklärte das vor rund einem Jahr durch das Bundesinnenministerium (BMI) ausgesprochene Verbot des Compact-Magazins samt seiner Online-Präsenz für nicht rechtens und hob es auf.

Der Senat hat seinen Job korrekt erledigt

Der Autor dieses Kommentars wurde später von jemandem überspitzt gefragt, in welcher Partei der Richter eigentlich wäre. Doch wer so herangeht, macht es sich zu einfach: Es gibt kein Anzeichen, dass der 6. Senat unter dem Vorsitzenden Richter Ingo Kraft eine leichtfertige, gar politische Entscheidung traf.

Nein, er hat seinen Job gemacht: An zwei langen Verhandlungstagen hörten sich die Richterinnen und Richter die Argumente beider Seiten an, gaben ihnen jeweils sehr viel Raum und sichteten auch außerhalb der öffentlichen Verhandlung ordentliche Mengen an vorgelegtem Material.

Das Ergebnis: Das Compact-Magazin wird berechtigterweise mit widerlicher, übler Denkart aus völkischen Fantasien, Verschwörungsideologie, Revisionismus und Rassismus in Verbindung gebracht, wenn etwa von „kulturfremden Barbaren“, „Umvolkung“, „Auslöschung des deutschen Volks“ oder „hohlen Phrasen vermeintlich ewiger historischer Schuld“ die Rede ist.

Das hohe Gut von Meinungs- und Pressefreiheit

Da scheint es auf den ersten Blick schwer verständlich, warum es jetzt trotzdem quasi zum Verbot des Verbots kam. Aber Meinungs- und Pressefreiheit sind in Deutschland hohe Güter, die Messlatte für das Verbot einer Publikation ist glücklicherweise sehr hoch gesetzt, sodass man in diesem liberalen Land fast alles, zumindest sehr viel, schreiben, veröffentlichen und sagen darf. Der Preis dafür ist, dass auch Typen wie Jürgen Elsässer nicht ohne Weiteres über ein Verbot beizukommen ist.

Der 68-Jährige genoss nach dem Urteil spürbar seinen Triumph, ließ sich feiern, prahlte vor der Presse und erst recht vor den zahlreich erschienenen Medienaktivisten seines Milieus. Mit dem heutigen Richterspruch darf der Ex-Linke weiter seinen Kurs fahren, zwischen Ideologie, Selbstdarstellung und Geschäftemacherei. Dabei verschanzte er sich, auch das wurde vom Senat klargestellt, während des Prozesses hinter einer Reihe verharmlosender Schutzbehauptungen.

Ja, das ist ärgerlich, macht wütend und ist kaum zu vermitteln. Und trotzdem hat der Rechtsstaat Stärke gezeigt, indem er seine Unabhängigkeit bewiesen und damit nicht zuletzt das Geraune einer angeblichen Diktatur widerlegt hat. Wer beim nächsten Stammtisch wieder so etwas zu hören bekommt, hat seit heute ein konkretes Argument mehr, warum das hohler Unfug ist.

Das Problem liegt nicht beim Gericht

Außerdem hätte ein komplettes Verbot den von Rechtsextremen gepflegten Opfermythos wohl noch mehr beflügelt. Letztlich wäre im Angesicht der erwähnten Presse- und Meinungsfreiheit dann nicht nur eine zermürbende, weitere Auseinandersetzung wahrscheinlich gewesen.

Auch hätte das Verbot eines Magazins ein Tor geöffnet, das kaum mehr wieder zu schließen gewesen wäre. Dabei ist ein solches Verbot prinzipiell, auch mit den Mitteln des Vereinsrechts, keineswegs undenkbar, wie auch der Senat heute hervorhob. Es sollte aber eben wohlbegründet sein.

Genau das war hier eben nicht der Fall, das entscheidende Gesamtbild reichte nicht, Compact eine verfassungsfeindliche Prägung mit kämpferisch-aggressiver Manier nachzuweisen. Das Problem liegt dann aber ganz bestimmt nicht beim Bundesverwaltungsgericht, sondern in erster Linie beim BMI und konkret dessen ehemaliger Hausherrin Nancy Faeser.

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Es gibt 2 Kommentare

“Bessere Argument”: Die Forderung ist in der Theorie richtig, aber in der Praxis zu kurz gedacht. Demokratie schützt sich auch vor ihren Feinden – das ist kein Ausdruck von „Allmachtswünschen“, sondern von Verantwortung.
Die Unterstellung, dass unabhängige Institutionen aus Eigeninteresse handeln, ist nicht belegt und schwächt das Vertrauen in den Rechtsstaat.
Zudem: Gerade das Verbot oder die Einschränkung verfassungsfeindlicher Medien ist Ausdruck eines funktionierenden Demokratieverständnisses. Demokratie bedeutet nicht, dass alles erlaubt ist, sondern dass die Grundwerte der Verfassung geschützt werden.
Gerade die Überprüfung durch das Gericht zeigt, dass es sich um einen demokratischen Prozess handelt.
Bullshit-Bingo gespielt?

Der Artikel ist sehr gut. Der bittere Beigeschmack, der bleibt, dass eine Regierung ein nachgeordnetes Ministerium angehalten hat, politische Gegner eben nicht mit Argumenten sondern per Dekret zu verbieten. Hier liegt das eigentlich Problem eines fehlenden Demokratieverständnisses. Wenn man bessere Argumente hat als Compact, dann heraus damit.Wenn man die nicht hat, soll man die Klappe halten und nicht seine politische Macht dazu missbrauchen Allmachtswünsche sich zu erfüllen, um sich selbst gerechter zu fühlen. Die selbsternannten Demokratiewächter haben die Demokratie an dieser Stelle selbst beschädigt.

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