Jürgen Kasek soll 2022 trotz entzogener Zulassung weiterhin Tätigkeiten als Rechtsanwalt ausgeführt und Gelder abgerechnet haben. Der Grünen-Politiker, Aktivist und Ex-Stadtrat steht deswegen vor dem Amtsgericht – der Vorwurf ist unter anderem der Missbrauch von Berufen und Titeln. Durch Zeugen wurde am Mittwoch deutlich, wie sehr auch die hiesige Justiz vom Entzug der Anwaltszulassung Kaseks überrascht wurde.

Als Anwalt und streitbarer Gegenspieler der Staatsanwaltschaft in Gerichtsprozessen war Jürgen Kasek auch für die Leipziger Justiz kein Unbekannter. Umso größer die Überraschung, dass die Rechtsanwaltskammer die Zulassung des heute 44-Jährigen ab 19. Juli 2022 rechtskräftig wegen offener Geldforderungen entzogen hatte: „Wir waren total baff. Das hat keiner von uns geahnt“, sagte der zuständige Sachbearbeiter der Leipziger Staatsanwaltschaft (41) am Mittwoch im Zeugenstand des Amtsgerichts aus.

Massiver Zahlungsrückstand soll zum Verlust der Zulassung geführt haben

Es war der 10. August 2022, als der Behördenmann mit Kollegen beim Mittagessen saß und durch einen Vorgesetzten die aufgeregte Neuigkeit der Generalstaatsanwaltschaft Dresden überbracht bekam. So kamen Ermittlungen gegen Jürgen Kasek in Gang, die in einer Anklage vor dem Amtsgericht mündeten: In 42 Fällen unter anderem von missbräuchlicher Berufsbezeichnung, Betrug, Betrugsversuch und Untreue soll Jürgen Kasek bis Herbst 2022 weiter als Anwalt praktiziert und dabei zum Teil widerrechtlich Gelder kassiert haben. Im vergangene Woche gestarteten Prozess hat er sich selbst bisher nicht zu den Vorwürfen geäußert.

Klar scheint, dass finanzielle Forderungen den Hintergrund darstellten, dass Kasek einen Rechtsstreit vor dem Anwaltsgerichtshof im April 2022 verlor und in der Folge auch die Zulassung durch die Rechtsanwaltskammer: Mit einer beträchtlichen Summe soll Kasek mit Beiträgen für das Rechtsanwaltsversorgungswerk in der Kreide gestanden haben.

Ein Deal, die Schuld durch zwei größere Überweisungen und Ratenzahlung auszugleichen, sei wegen nicht eingehaltener Fristen geplatzt: So habe es das Versorgungswerk jedenfalls dargestellt, erklärte der Sachbearbeiter der Staatsanwaltschaft.

Kasek zog Robe aus: „Überraschungsmoment, mit dem ich nicht ansatzweise gerechnet habe“

Kasek selbst, so der Staatsanwalt, habe ihm bei einer Durchsuchung seiner Kanzleiräume Anfang September 2022 erklärt, er habe erst Ende Juli vom Verlust seiner Zulassung erfahren, seine Ratenzahlungen an das Versorgungswerk liefen. Mit der Betreuung laufender Mandate sei laut Kasek ein Kollege betraut worden und er habe seine Neuzulassung beantragt. „Herr Kasek war wirklich kooperativ“, so der Ermittler. Ihm und seinen Kollegen habe sich vor Ort aber ein chaotisches Bild geboten: „Eine Kanzlei war das nicht. Da stapelten sich die Unterlagen, das war irre.“

Schon am 11. August 2022, mithin nur einen Tag, nachdem die Leipziger Staatsanwaltschaft von Kaseks Verlust der Anwaltszulassung Wind bekommen hatte, sollte der damals 41-Jährige einen Angeklagten in einem Drogenverfahren am Amtsgericht verteidigen. Offenbart habe er sich auch dort nicht.

Vor Prozessbeginn ließ der Vertreter der Anklagebehörde daher die Katze aus dem Sack und wedelte mit dem Schreiben der Generalstaatsanwaltschaft, dass Kasek aktuell nicht anwaltlich praktizieren dürfe: „Das war ein Überraschungsmoment, mit dem ich nicht ansatzweise gerechnet habe“, erinnerte sich die damalige Richterin (59), die am Mittwoch ebenfalls im Zeugenstand befragt wurde. „Für mich war klar: Ich muss der Sache nachgehen. Es war auch klar, dass ich es nicht allein mit einer Stellungnahme von Herrn Kasek machen kann.“

Anderer Anwalt wurde freigesprochen

Der habe spontan erklärt, seine Neuzulassung sei beantragt, letztendlich aber die Robe ausgezogen und kundgetan, lieber nicht weiter als Anwalt auftreten zu wollen.

Die Behörden gehen davon aus, dass Kasek die Anwaltstätigkeit auch über den 19. Juli 2022 zum Schein weiterführte, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. In dieser Funktion habe er sowohl in Strafsachen als auch bei verwaltungs- und zivilrechtlichen Streitigkeiten, manchmal außerhalb Leipzigs, mit zuständigen Stellen kommuniziert, Gespräche geführt und Akteneinsicht beantragt. Das Verfahren gegen einen anderen Rechtsanwalt, der Kasek in einem Fall unterstützt haben soll, wurde im Vorfeld abgetrennt. Dieser Mann ist mittlerweile rechtskräftig freigesprochen.

Das Schöffengericht unter der Vorsitzenden Richterin Ute Fritsch hat zur Klärung derzeit drei weitere Verhandlungstage bis 26. November geplant.

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Wenn ihm die Anwaltszulassung entzogen wurde, so weiß der Anwalt schon, dass er nicht mehr als Anwalt auftreten darf. Aber Kasek war ja keiner mehr, also kann er sich als Normalbürger ausgeben, der das nicht weiß.

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