Sie wollte mit Freunden neue Fördermitglieder für den NABU gewinnen – doch was Tanja L.* nach eigenen Angaben dabei in einer Leipziger Wohnung erlebte, geriet für die 22-Jährige zum Albtraum: Der Mieter (40) soll sexuell übergriffig geworden sein, sein Opfer verletzt, vorübergehend festgehalten und in Todesangst versetzt haben. Seit Mittwoch, dem 26. November, wird dem mutmaßlichen Peiniger der Prozess am Landgericht gemacht.

Er wirkte betreten, hielt den Kopf gesenkt, wurde gar gefragt, ob ihm klar ist, worum es hier geht: Benjamin S. muss sich seit Mittwoch, dem 26. November, vor dem Landgericht Leipzig wegen besonders schwerer sexueller Nötigung und gefährlicher Körperverletzung verantworten.

Es war am 10. Juli 2025 kurz nach 15:00 Uhr, als der heute 40-Jährige laut Anklage auf das Klingeln des späteren Opfers die Tür seiner Wohnung im Nordosten Leipzigs öffnete. Tanja L. war hier mit Gleichgesinnten für den NABU unterwegs, um neue Fördermitglieder zu gewinnen, klapperte die Häuser im Viertel ab und läutete auch bei Benjamin S.

Anklage schildert Angriff wie aus dem Nichts

Der zuletzt arbeitslose Gärtner habe die 22-Jährige in seine Wohnung gebeten, sich nach einem freundlichen Gespräch plötzlich von hinten auf die junge Frau gestürzt, ihr mit einer Schere in die rechte Halsseite gestochen, sie in den Schwitzkasten genommen und in die Nase gegriffen, sodass diese blutete, schilderte Staatsanwältin Sabrina Bühling.

Schließlich soll Tanja L. zu Boden gebracht worden sein, ehe der Täter sie aufgefordert habe, sich auszuziehen und auf das Bett zu setzen. Dort habe er an ihr manipuliert. Tanja L. entkam schließlich aus der Wohnung, sie erlitt in körperlicher Hinsicht eine Vielzahl an Abschürfungen, Blutungen und Schmerzen im Hals-, Nasen-, Mund- und Kieferbereich.

Opfer beschreibt regelrechtes Martyrium

Während Benjamin S. zum Prozessauftakt am Mittwoch schwieg, musste die Geschädigte und Nebenklägerin Tanja L. mit Unterstützung ihres Partners sowie ihres Anwalts den schweren Gang in den Zeugenstand auf sich nehmen.

Mehr als zwei Stunden lang schilderte sie der Kammer unter Vorsitz von Richterin Katrin Seidel ihr Martyrium: Nach unverfänglichem Smalltalk in der laut Bildern auffallend verdreckten und verwahrlosten Wohnung habe Benjamin S. sich offen für das Anliegen gezeigt, eine NABU-Fördermitgliedschaft für monatlich zehn Euro unterschrieben.

Die 6. Strafkammer unter Vorsitz von Richterin Katrin Seidel verhandelt den Fall am Landgericht. Foto: Lucas Böhme
Die 6. Strafkammer unter Vorsitz von Richterin Katrin Seidel verhandelt den Fall am Landgericht. Foto: Lucas Böhme

Doch ohne Vorwarnung plötzlich der Wendepunkt: „Dann ist er mit einer Schere an den Hals gesprungen. Er hat sich vorüber gebeugt und mich in den Schwitzkasten genommen. Es hat sich so surreal angefühlt, ich war perplex. Ich weiß nur, dass ich schreckliche Todesangst hatte.“

Irgendwann habe der Täter neben ihr gekniet, ihr den Hals heruntergedrückt, sodass sie kaum Luft bekam, er habe sie später angefasst, gewürgt und sei unter ihre Strumpfhose gegangen, sagte Tanja L. aus. „Er war richtig wild, wie so ein Tier. Ich hatte das Gefühl, dass er mich nicht als Mensch sieht. Seine Augen sahen so kalt und tot aus.“

Aus der Wohnung geflüchtet

Zwischendurch habe Benjamin S. während des Übergriffs plötzlich scheinbar Reue gezeigt und vorgeschlagen, gemeinsam Dope zu rauchen, sogar zum Arzt habe er sein Opfer angeblich bringen wollen. Doch wenig später sei die Stimmung des Mannes erneut ins Aggressive gekippt. Er habe ihre Bitte abgelehnt, sie gehen zu lassen, aus Angst, dass sie die Polizei einschaltet, so die schwer traumatisierte Zeugin.

Als sie die Wohnung schließlich aus eigener Kraft verließ und panisch die Treppe herunterrannte, soll Benjamin S. ihr noch bis auf die Straße gefolgt sein. Doch Tanja L. gelang die Flucht.

Ihre körperlichen Wunden sind weitgehend verheilt, seelisch dagegen belastet sie der brutale Vorfall bis heute schwer: „Es hat mich gefühlt Jahre in meiner Entwicklung zurückgeworfen“, umriss Tanja L. dem Gericht unter Tränen die Konsequenzen des Übergriffs. Dabei habe sie nach einer schwierigen Phase eigentlich hoffnungsfroh in die Zukunft geblickt.

Benjamin S. sitzt seit 11. Juli in Untersuchungshaft. Er soll aktenkundig, aber bislang nicht als Sexualtäter aufgefallen sein. Nach Angaben seiner Verteidigerin Aline Luderer wolle er eventuell zu einem späteren Zeitpunkt aussagen. Für den Prozess sind noch zwei Verhandlungstage angesetzt.

*Name geändert.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar