Eine abgesagte Party, ein massives Polizeiaufgebot und eine stundenlange Straßenblockade sorgten am Wochenende und darüber hinaus für Aufregung im Leipziger Osten. Während die Polizei von einer deeskalierenden Taktik spricht, beklagen Anwohner den Einsatz von körperlicher Gewalt und Pfefferspray. Eine SPD-Stadträtin warnt nun vor „Connewitzer Zuständen“.

Ein Polizeieinsatz im Leipziger Osten in der Nacht von Samstag auf Sonntag sorgt für Diskussionen. Über mehrere Stunden hatten sich etwa 150 bis 200 Personen spontan auf der Kreuzung zwischen Dresdner Straße und Wurzner Straße versammelt, um gegen eine Polizeimaßnahme zu demonstrieren.

Laut Polizei hatten zunächst 50 Menschen dagegen protestiert, dass sie zu einer als illegal eingestuften Musikveranstaltung keinen Zutritt erhielten. Diese sei zuvor in sozialen Medien beworben worden. Nach Angaben der Polizei wuchs die Menge auf 150 Personen an und leistete „passiven Widerstand“. Auf einem im Internet veröffentlichten Foto ist zu erkennen, dass einige Menschen ein Antirepressionsbanner in den Händen hielten.

Da sich niemand als Versammlungsleiter gemeldet habe, sei die Menschenmenge als unerlaubte Ansammlung eingestuft und mit Platzverweisen belegt worden, so die Polizei heute. Nach mehr als vier Stunden leerte sich die Kreuzung gegen 2 Uhr wieder – bis dahin mussten Autos und Straßenbahnen einen Umweg fahren.

Aus Sicht von Anwohnern der Wurzner Straße war der Polizeieinsatz überflüssig. Sie hätten die Veranstaltung in einem privaten Wohnraum bereits gegen 22 Uhr freiwillig abgesagt, heißt es in einer Pressemitteilung. Die Polizei habe dennoch mehrere Wohnhauseingänge kontrolliert, nach Ausweisen verlangt und sämtlichen Nicht-Anwohnern den Zutritt verweigert. Anders als von der „Bild“ behauptet, habe es weder eine Sitzblockade noch Flaschenwürfe gegeben. In der Pressemitteilung der Polizei ist davon ebenfalls keine Rede.

Zustände “wie in Connewitz”?

Laut der Anwohner-PM war es stattdessen die Polizei, die hart reagierte: „Diese drängte die Anwohner gewaltsam zurück, begann grundlos mit Pfefferspray zu sprühen und Schmerzgriffe anzuwenden. Die Demonstranten wurden herumgezerrt und grob angepackt.“ Den Einsatz von Pfefferspray weist die Polizei hingehen zurück. Nach 2 Uhr habe man die Kreuzung schließlich gefegt und aufgeräumt, schreiben die Anwohner.

Am Montag meldete sich auch SPD-Stadträtin Nicole Wohlfarth – noch sichtlich beeindruckt vom reißerischen BILD-Artikel – zu Wort und warnte davor, dass in dieser Gegend „keine Zustände wie in Connewitz“ entstehen dürften. Sie spricht von gezielten Provokationen der „linksextremen Szene“ und einem „offenen Angriff“ auf den Rechtsstaat. „Wer davon träumt, unbeschränkt und anarchisch leben zu können, darf gern die Vorzüge des deutschen Passes nutzen und sich ein entsprechendes Reiseziel suchen, um das zu verwirklichen“, so Wohlfarth.

Laut sächsischem Verfassungsschutz zählt das Gebiet um Reudnitz neben Connewitz und der Südvorstadt sowie Plagwitz und Altlindenau zu den bevorzugten Wohnorten von politisch links eingeordneten Straftätern.

Die Linke-Stadträtin Juliane Nagel kommentierte den Vorfall auf Twitter ebenfalls. Sie bezog sich dabei auf die ihrer Ansicht nach vergleichsweise niedrigen Teilnehmerzahlen bei jüngeren Demonstrationen: „Bei #nocompact 300 Menschen, bei Solidemo mit kurdischen Kämpfen 100 Menschen. Finde den Fehler.“

Die gesamte Polizeimitteilung dazu “Illegale Musikveranstaltung unterbunden”

Ort: Leipzig, OT Anger-Crottendorf, Wurzner Straße, Zeit: 02.12.2017, 22:00 Uhr – 03.12.2017, 02:30 Uhr

“Der Polizeidirektion Leipzig wurde bekannt, dass am Samstag, in den späten Abendstunden, eine illegale Musikveranstaltung stattfinden soll, welche seit Tagen in den sozialen Netzwerken beworben wurde. Die Polizei war mit Polizeikräften an diesem Abend im Einsatz und führte Prüfungshandlungen am Ereignisort durch. Ein Teil der am Ort erschienenen Personen, anfänglich ca. 50, begaben sich lautstark aus Protest auf die gegenüberliegende Straßenseite und später auf den Kreuzungsbereich Wurzner Straße/Dresdner Straße, wo der Fahrverkehr und der Straßenbahnverkehr behindert wurden. Der Personenkreis erhöhte sich innerhalb kürzester Zeit auf 80 bis schlussendlich 150 Personen.

Trotz ausgesprochenen Platzverweises verließ die Personengruppe den Ort zunächst nicht. Im Gegenteil, die Personen übten gegenüber den Polizeikräften einen passiven Widerstand aus. Die Gruppe entfaltete ein weißes Tuch mit schwarzer Aufschrift: „ AGAINST ALL REPRESSION“. Die Polizei bemühte sich sachlich darum, ob sich zu dieser Spontanversammlung ein Versammlungsleiter zu erkennen gibt. Da das nicht der Fall war, handelte es sich hier um eine „unerlaubte Ansammlung“.

Nach dreimaliger Aufforderung über eine Lautsprecherdurchsage, den Platz zu verlassen und durch die Anwendung einer deeskalierenden Taktik der Polizeikräfte konnte eine Auseinandersetzung verhindert werden, in dessen Folge sich die Personenansammlung auflöste, bevor der Polizei wieder der „schwarze Peter“ zugespielt wurde. Die Polizei hatte sich mit dem Ordnungsamt der Stadt Leipzig in Verbindung gesetzt. Bei den Räumlichkeiten handelt es sich um ein Wohnhaus.

Eine gewerbliche Nutzung sei daher genehmigungspflichtig und an bestimmte Voraussetzungen gemäß Sächsischer Bauordnung gebunden. Und so falsch lag die Polizei nicht. Eine Reaktion auf einer Facebook-Seite gab es ja an dem Samstagabend schon mit dem Wortlau, dass „dein Freund und Helfer“ die Party untersagt hat.”

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Es gibt 5 Kommentare

Frau Wohlfahrt könnte bei ihrem Hobby Lesen zur Abwechslung Sachliteratur zu Rate ziehen oder ihrem Hobby Fahrradfahren nachgehen und z.B. Connewitz, die Südvorstadt, Plagwitz oder Altlindenau besuchen.
Party on.

Was war das früher doch unproblematisch ohne Facebook. Irgendwer hat organisiert, beworben wurd das Ganze durch Mundpropaganda, alle waren glücklich und hatten Spaß. Da hat so schnell kein Ordnungshüter was von mitbekommen, wenn sich keiner beschwert hat. In Zeiten von Facebook lesen einfach zu viele mit.^^

Wenn man weiß, wer da so ringsum wohnt, weiß man auch, dass da kein Nachbar ein Problem damit gehabt hat.

Des Weiteren gilt selbstverständlich auch hier: Veranstaltungen bis 100 Personen sind weder melde- noch genehmigungspflichtig.

Und zum Hinweis, es sei ein Wohnhaus: Es ist ein Wohnhaus mit Gewerberäumen. Das ist auf dem Foto gut zu erkennen und dem Bauordnungsamt auch bekannt.

Aber “die Reaktion auf einer Facebook-Seite” scheint ja nicht bewirkt zu haben, dass dort niemand erscheint, um “Party” machen.
Wenn es so eine Aufforderung der Polizei gab, den Platz zu verlassen, dann dürfte das doch nachvollziehbar sein, jedenfalls für mich.
Aber es ist natürlich mittlerweile schwierig, wenn man sich nicht dem Motto anschließt, dass jeder machen kann, was er wo auch immer will.
Ich war nicht dort und halte mich daher mit Bewertungen zurück, aber ich glaube, “die Anwohner” sind natürlich auch ein Begriff, um es so aussehen zu lassen, als ob das gesamte Umfeld dieses Hauses dieser Party unkritisch gegenüber stand – mit Verlaub, das kann ich mir nicht vorstellen.

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