Du und ich sind nur zwei Menschen. Du und ich haben Hunger und Durst. Du und ich sehnen uns nach Wärme. Du und ich wollen in Sicherheit leben, atmen die gleiche Luft, machen uns Gedanken und versuchen danach zu handeln. Ich möchte dir ein paar Fragen stellen – Lass uns ruhig ganz ehrlich sein.

Was fühlst du, wenn du all die Sterbenden im Mittelmeer siehst?
Was denkst du, wenn Kinder aus ihren Familien gerissen werden?
Wie erklärst du einer Mutter, dass sie nicht Abschied nehmen kann?
Was fühlst du, wenn du Obdachlose auf den Straßen unseres Landes siehst?
Was denkst du, wenn jemand trotz Arbeit seine Familie nicht ernähren kann?
Was würdest du tun, wenn dein eigener Sohn schwul wäre und ein Kind adoptieren will?
Was fühlst du, wenn Kinder in unserer Gesellschaft zurückgelassen werden, bevor sie die ersten Schritte im Leben wagen?

Was fühlst Du, wenn du jetzt in den Spiegel schaust. Bist du stolz? Worauf kann man stolz sein, wenn so viele Menschen weinen, weil sie nicht wissen, wie es weitergehen soll, wie sie den Tag überleben sollen, weil sie nicht wissen, was aus ihren Kindern wird?

Du bist ziemlich laut, aber ich habe nie einen konstruktiven Vorschlag von dir gehört. Du bist immer gegen alles, aber das macht dich nicht besonders, das macht dich einsam. Du willst stark sein, aber laute Parolen zu finden heißt nicht, dass du stark bist – es zeigt nur deine Ohnmacht. Du spaltest, aber du gestaltest nicht.

Ich kann solange nicht stolz sein, wie ich weiß, dass Menschen sterben, weil wir sie nicht retten. Ich kann solange nicht stolz sein, wie unsere Gesellschaft Kinder zurücklässt. Ich kann solange nicht stolz sein, wie nicht alle Menschen ihre Liebe leben dürfen und nicht alle die gleichen Chancen bekommen.

Lass mir dir von meinem Traum erzählen: Du und ich sind nur zwei Menschen. Wir sind nur zwei Menschen. Wir haben Hunger und Durst. Wir sehnen uns nach Wärme. Wir wollen in Sicherheit leben. Wir atmen die gleiche Luft. Wir machen uns Gedanken und versuchen danach zu handeln. Wir haben die gleichen Rechte, die gleichen Pflichten, die gleiche Verantwortung, die gleichen Freiheiten und Chancen.

Wir teilen unser Essen und wir teilen unser Wasser. Wir teilen unsere Liebe und geben Wärme. Wir schaffen Sicherheit und bändigen das Misstrauen. Wir gehen verantwortungsvoll mit der uns anvertrauten Natur um, die uns Luft zum Atmen gibt. Wir machen uns gemeinsam Gedanken über unsere Gesellschaft und unser Zusammenleben. Jetzt erkennen wir Ähnlichkeiten – im Großen und im Kleinen. Nur das Erkennen von Ähnlichkeiten bringt uns voran – nicht die Betonung von Unterschieden.

Wir sind zwei Menschen. Wir sind Hungrige und Durstige. Wir sind Liebende. Wir sind Kinder. Wir sind Eltern. Wir sind Atmende, wir sind Bürgerinnen. Jetzt sagen wir Ja, zu einer Gesellschaft die ein echtes Gemeinwesen sein will und Einzigartigkeit schafft, die solidarisch und mitfühlend ist. Wir sagen ja dazu, Verantwortung für uns und andere zu übernehmen. Wir sagen Ja zu einer Welt, die wir uns für unsere Kinder und Enkelkinder wünschen – die wir uns wünschen.

Alle Träume, welch bereits veröffentlicht sind, finden Sie ab sofort hier in steigender Anzahl unter dem Tag l-iz.de/tag/traeume.

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