Eine nur wenige Tage zuvor angekündigte Kundgebung zur Seenotrettung im Mittelmeer hat am Samstagabend vor der Universitätsbibliothek in Leipzig viel Zuspruch gefunden: Mehr als 500 Menschen protestierten dagegen, dass private Hilfe im Mittelmeer derzeit nicht mehr möglich ist. Bundesweit gingen mehrere tausend Personen auf die Straße. In Leipzig soll es in einigen Wochen eine große Demonstration durch die Innenstadt geben.

Glaubt man dem TV-Politmagazin „Monitor“, sind im Juni dieses Jahres so viele Menschen im Mittelmeer ertrunken wie noch nie in jenem Monat: 629. Das ist jedoch nur die Zahl der bekannten Toten. Es ist davon auszugehen, dass es tatsächlich noch mehr sind.

Ein Grund für die hohe Opferzahl dürfte das immer schärfere Vorgehen europäischer Staaten gegen private Seenotretter sein. So mussten Schiffe mit hunderten Flüchtenden tagelang auf dem Mittelmeer ausharren, weil ihnen kein Land erlaubte, die Häfen anzufahren. Andere Schiffe wurden beschlagnahmt; einige Crew-Mitglieder sitzen im Gefängnis. Aktuell gibt es auf dem Mittelmeer kein privates Rettungsschiff mehr.

Für die Seenotrettung soll nun unter anderem die libysche Küstenwache sorgen. Doch wie ebenfalls „Monitor“ berichtet, geht es dieser nicht immer um das Wohlergehen der Flüchtenden. Laut einem UN-Dokument schießen einige Mitglieder der Küstenwache auf die Boote der Flüchtenden.

Das sind die Zustände, die in den vergangenen Wochen für Schlagzeilen gesorgt haben. Am Samstagabend, den 7. Juli, gingen bundesweit mehrere tausend Menschen auf die Straße, um dagegen zu protestieren. Allein in Berlin sollen es laut Veranstaltern mehr als 10.000 Personen gewesen sein.

Mehr als 500 Menschen vor der Universitätsbibliothek

In Leipzig fand eine entsprechende Kundgebung unter dem Motto „Cornern gegen Horst“ vor der Universitätsbibliothek statt und zog überwiegend junges Publikum an. Laut der Forschungsgruppe „Durchgezählt“ beteiligten sich zwischen 500 und 600 Menschen daran. Die Veranstaltung der Initiative „Seebrücke – Schafft sichere Häfen!“ war erst zwei Tage vorher beworben worden.

Ein Redner sagte zu Beginn: „Wir wollen gemeinsam für Grundwerte einstehen, die selbstverständlich sein sollten, es aber nicht mehr sind.“ Man müsse die Seenotrettung nicht einschränken, sondern ausbauen.

Anschließend folgten zwei aufgezeichnete Grußbotschaften. Eine inhaftierte Aktivistin sagte, dass die Situation für sie schwer auszuhalten sei, unter anderem weil die Schiffe sofort auslaufen könnten, um Menschen zu retten, und einige Personen sogar ihre Jobs gekündigt hätten, um genau das tun zu können. Der ebenfalls inhaftierte Claus-Peter Reisch, Kapitän der „Lifeline“, sagte per Audiobotschaft: „Das Sterben im Mittelmeer geht weiter – jetzt aber unbeobachtet. Seenotrettung kann kein Verbrechen sein. Es ist eine Pflicht.“

Demo durch die Innenstadt geplant

Die Stadträtin und Landtagsabgeordnete Juliane Nagel (Linke) wies auf eine Initiative ihrer Partei hin, wonach Sachsen beziehungsweise Leipzig freiwillig jene Flüchtenden aufnehmen sollten, die tagelang auf dem Mittelmeer bleiben mussten. „Es ist enttäuschend, dass nicht einmal der Oberbürgermeister einer Stadt, die sich als weltoffen bezeichnet, darauf reagiert hat“, sagte Nagel.

Danach ergriffen weitere Personen die Möglichkeit, ins offene Mikrofon zu sprechen. Sie thematisierten die Bedingungen in Aufnahmelagern in Griechenland, warben für den Dialog „mit Menschen, mit denen man eigentlich nicht reden möchte“ und riefen zu einer großen Demonstration in der Innenstadt auf.

Letztere stellte dann auch der Veranstalter in Aussicht. In einigen Wochen soll es so weit sein. Bis dahin werden wahrscheinlich einige hundert Menschen mehr im Mittelmeer ertrunken sein.

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