Während der Nahostkonflikt in den vergangenen Tagen wieder eskaliert ist, dominiert das Thema zunehmend auch die Diskussionen in Deutschland. Neben legitimen Äußerungen zu Schuld- und Verantwortungsfragen kommt es dabei auch zu antisemitischen Vorfällen – häufig in der Nähe von Synagogen. In Leipzig sind für den kommenden Samstag zwei Demonstrationen angekündigt. Die Situation erinnert an 2014, als Israel mit einer Militäroperation im Gazastreifen auf anhaltenden Raketenbeschuss reagierte und es in Deutschland zu zahlreichen Demonstrationen kam.

Vor einigen Tagen tauchte zunächst ein anonymer Aufruf für eine „spontane Demo“ am Samstag, dem 15. Mai, auf dem Torgauer Platz auf. Darin heißt es: „Wir demonstrieren für die Menschenwürde und die Freiheit der Palästinenser, gegen die Unterdrückung und systematische Auslöschung der Palästinenser!“In linken Telegram-Gruppen sorgte diese Ankündigung vor allem wegen des Vorwurfs der „systematischen Auslöschung“ teilweise für Kritik. Tatsächlich ist es die antisemitische, palästinensische Terror-Organisation Hamas, die es sich zum Ziel gesetzt hat, den Staat Israel und jüdische Menschen zu vernichten.

Aufruf zur Gegenkundgebung

Als Reaktion auf diesen Aufruf erschien am Donnerstag, dem 13. Mai, ein Aufruf für eine Gegenkundgebung auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz: „Am Samstag wollen Antizionisten gegen den jüdischen Staat und sein Recht auf Selbstverteidigung auf die Straße gehen. In Leipzig scheint sich auch eine Demonstration zu formieren. Lasst uns ihren Antisemitismus nicht unwidersprochen lassen.“

Die Wahl des Ortes begründen die Aufrufenden – die ebenfalls anonym sind – damit, dass die andere Kundgebung wohl auf den Leuschnerplatz verlegt worden sei. Die Israel-solidarische Kundgebung soll 14:30 Uhr beginnen. Der Start der pro-palästinensischen Kundgebung war für 15 Uhr angegeben.

Zu diesen Informationen, siehe Update vom 14. Mai 2021 am Ende.

Jusos und Linksjugend erklären Israel-Solidarität

Sowohl Jusos als auch die Linksjugend verbreiten bislang den Aufruf zur Israel-solidarischen Kundgebung. Aus beiden Ortsgruppen hatte es zuvor bereits Stellungnahmen zum Nahostkonflikt gegeben.

Die Jusos sprachen dabei von einem Angriff auf den „einzigen Schutzraum für jüdisches Leben“ und warfen der Hamas vor, Palästinenser als „menschliche Schutzschilde“ zu missbrauchen. Die Linksjugend beklagte in ihrem Statement vor allem, dass sich die deutsche Bundesregierung nicht „klar auf die Seite der einzigen Demokratie im Nahen Osten“ stellen würde.

Die Pro-Israel-Demonstration am kleinen Willy-Brandt-Platz im Jahr 2014. Foto: LZ
Die Pro-Israel-Demonstration am kleinen Willy-Brandt-Platz im Jahr 2014. Foto: LZ

Erinnerungen an 2014

Die Situation erinnert an das Jahr 2014, als in Leipzig ebenfalls eine pro-palästinensische Demonstration und Proteste dagegen stattfanden.

Gegen Ende der Demonstration am 17. Juli 2014 waren rund 200 Teilnehmerinnen auf den jeweiligen Demonstrationen erschienen, teils hatte es auf der pro-palästinensischen Demonstration antisemitische Rufe wie „Kindermörder Israel“ gegeben. Gegen Ende der Versammlungen waren Teile der Gruppen am Neumarkt zusammengetroffen, wobei es zu einem ersten kurzen Gewaltausbruch zwischen den beiden linken Demonstrationen kam.

Chronik LE schreibt zu diesem ersten Zusammenstoß zum Ablauf, dass „etwa 20 Personen, die zuvor an der Kundgebung auf dem Kleinen Willy-Brandt-Platz teilgenommen hatten“, Israelfahnen zeigten und unter anderem „Free Gaza from Hamas!“ riefen. Die LZ-Reporter berichteten damals gleichlautend zu den Darstellungen von Chronik LE, dass daraufhin Flaschen und Tabletts aus der Gruppe der Hamas-Anhänger geworfen wurden.

Nachdem die Gruppen durch die Polizei durch Zurückdrängen der Israel-Unterstützer getrennt worden waren, kam es am Schillerpark zu einer weiteren Begegnung, bei der – von der Polizei angeblich damals nicht wahrgenommene – Rufe wie „Scheiß Juden“ zu hören waren. (leider ist der LZ-Artikel bei einem Servercrash 2015 verloren gegangen, unten die Re-Publikation. d. Red.)

Noch Tage nach den beiden Demonstrationen hatte es Debatten über die als links-linke Auseinandersetzung zu bezeichnenden Vorgänge zwischen sogenannten „Anti-Deutschen“ oder besser pro-Israelischen Linken und dem „AK Nahost“ gegeben, welcher die Kapitalismuskritik im Zentrum der Auseinandersetzung um den Staat Israel sah. Hängen blieb allerdings eher, dass hier antisemitischen Narrativen Raum und Platz eingeräumt worden war.

Es bleibt zumindest zu hoffen, dass am Samstag nicht ähnliche Parolen wie gestern in Gelsenkirchen zu hören sind. Dort hatten dutzende Teilnehmer/-innen einer Demonstration wie damals in Leipzig unter anderem erneut „Scheiß Juden“ gerufen.

Zudem wurde in Bonn eine Synagoge mit Steinen beworfen. In mehreren Städten wurden außerdem israelische Flaggen geklaut oder angezündet. Antisemitische Vorfälle gab es zuletzt auch in Leipzig, wo eine Israelin von einer deutschen Mitbewohnerin in ihrem Wohnhaus beleidigt und bedroht wurde und ein Geschäft mit einem Davidstern und QAnon-Zeichen beschmiert wurde.

Update vom 14. Mai 2021

Im Laufe des heutigen Freitag wurde bekannt, dass mit der Demonstration „Gegen die Enteignung palästinensischer Familien“ am Samstag, 15. Mai ab 13 Uhr eine weitere Versammlung auf dem Augustusplatz (Gewandhausseite) stattfinden wird. Gegenüber, auf der Seite der Oper, werden sich dann gleichzeitig ab 13 Uhr die Teilnehmer/-innen von „Solidarität mit Israel“ einfinden, welche sich damit nicht mehr am Wilhelm Leuschner Platz versammeln werden.

Da die Stadt Leipzig bis zur Stunde noch keine offizielle Demonstrationsmeldung herausgegeben hat, steht weiterhin anzunehmen, dass sich damit auch die anfangs gemeldete Pro-Palästina-Demonstration vom kleinen Wilhelm-Leuschner-Platz ebenfalls auf dem Augustusplatz auf der Seite des Gewandhauses einfinden könnte.

Damit stünden sich die beiden Demonstrationen, welche genau genommen sogar drei sind, am 15. Mai 2021 gegenüber. Wenn auch mit ziemlichem Abstand zueinander, so doch in Rufweite.

Ob dies so ist, wird erst die Meldung der Stadt Leipzig zeigen können.

Unweit davon wird sich bereits ab 12 Uhr an der Moritzbastei eine weitere Versammlung in Form einer 24-stündigen Mahnwache auf dem Kurt-Masur-Platz einfinden. Dabei geht es bis zum Sonntagmittag gegen die „deutsche und europäische Abschottungspolitik“ am Mittelmeer und damit das Flüchtlingsthema.

Und eine weitere Versammlung könnte sich als Gerücht herausstellen. Noch immer wird in einigen Foren und bei Telegram für eine Versammlung ab 15 Uhr auf dem Torgauer Platz an der Eisenbahnstraße geworben. Dies könnte aber eher ein Nachhall der anfangs für diesen Ort angekündigten pro-palästinensische Versammlung sein, welche nun auf den Augustusplatz oder kleinen Wilhelm-Leuschner-Platz stattfinden wird.

Die Leipziger Zeitung informiert zeitnah, wenn sich an diesem Stand etwas ändern sollte und berichtet am Samstag von den Geschehnissen.

Archiv: „Scheiß Juden“: Zwei Demonstrationen zum Nahostkonflikt am 17. Juli 2014 in Leipzig

Über den Nahostkonflikt wird seit den erneut aufgeflammten Kämpfen erneut verstärkt berichtet. Dass diese Auseinandersetzung auch vor der eigenen Haustür stattfinden kann, zeigte sich am Donnerstag, den 17. Juli. Zwei Kundgebungen befassten sich mit der Thematik.

Auf dem Richard Wagner Platz fand eine Gaza-Solidaritätskundgebung statt, organisiert vom Arbeitskreis Nahost. Eine Gegenveranstaltung mit dem Titel „Gegen den antijüdischen Krieg und seine Unterstützer“ startete dagegen um 17:00 Uhr zeitgleich am Willy Brandt Platz veranstaltet vom Bündnis gegen Antisemitismus und Antizionismus Leipzig. An beiden Veranstaltungen beteiligten sich jeweils zwischen 150 und 200 Menschen.

Die Veranstalter der Gaza-Solidaritätskundgebung kritisierten die nach ihrer Wahrnehmung geringe Dichte der Berichterstattung über das palästinensische Leid und gaben Israel die Hauptschuld an der aktuellen Auseinandersetzung. „Es ist kein Krieg auf Augenhöhe“ führte ein Redner aus und bezog sich dabei auf die weit auseinanderliegende Zahl von Toten auf beiden Seiten.

Seit der erneuten Eskalation sind nach palästinensischen Angaben 220 Menschen gestorben und durch die Raketenangriffe auf Israel das erste Mal ein Israeli. Der Umstand des gestorbenen Israeli verleitete einige Teilnehmer zu einem verhaltenen Klatschen.

Auf der Gegendemonstration hingegen wurde kritisiert, dass der israelischen Regierung nicht vorzuwerfen sei, dass sie einen guten Zivilschutz betreibe. „Die Hamas habe ein großes Interesse an zivilen Toten“, so ein Redner und bezeichnete den Missbrauch von Schulen, Krankenhäuser, Kindergärten und Menschen als Schutzschilde als Kriegsverbrechen. Man stünde auch hier „gegen den Zustand, in dem der antisemitische Mob zum politischen Alltag Deutschlands gehört“, so ein Sprecher des Bündnisses.

Beide Veranstaltungen endeten gegen circa 18:30 Uhr. Mit dem Ende der angemeldeten Gaza-Solidaritätskundgebung auf dem Richard Wagner Platz setzte sich eine größere Gruppe von circa 100 Personen zu einer Spontandemonstration in Bewegung. Offenbar entgegen vorher besprochener Regeln stimmte diese Gruppe Parolen wie „Kindermörder Israel“ an.

In einem längeren, von der Polizei herbeigeführten Stopp fand sich ein Anmelder für die Spontandemonstration, die dann über den Neumarkt zum Schillerpark führen sollte. In Höhe Gewandgässchen zeigten sich dann die ersten Personen der Gegenkundgebung mit Israelfahnen und stimmten Sprechchöre wie „Free Gaza From Hamas“ an.

Was von den Teilnehmern der Spontandemonstration mit teils stark aggressiven Reaktionen aufgenommen wurde. Es flogen vereinzelt Gegenstände in Richtung der anwesenden Gegendemonstranten und es wurde, sobald in Reichweite, nach ihnen geschlagen. Anwesende Polizeibeamte konnten einzelne Teilnehmer nur mit Mühe zurückhalten.

Um die Lage zu beruhigen, wurden die Gegendemonstranten von der Polizei zurückgedrängt. Wenig später begegneten sich die beiden Gruppen jedoch erneut am Schillerpark. Dort fielen dann auch die letzten Hemmungen bei den Teilnehmern der Spontandemonstration.

Die Gegendemonstranten wurden als „Scheiß Juden“ beschimpft. Unter großem Beifall der Gaza-Aktivisten wurde ein Gegendemonstrant aus noch unbekannten Gründen von der Polizei zu Boden gestürzt und in Handschellen zur Durchsuchung abgeführt.

Gegen 19:30 zog sich die Spontandemonstration in Richtung Innenstadt wieder zurück und die Lage beruhigte sich.

Einsatzleiter Thorsten Junge sah die Arbeit der Polizei in einem guten Licht: Die Polizei sei von einem gewissen Gefahrenpotential ausgegangen. „Manche wollten nur beobachten und ihre Meinung zum Ausdruck bringen. Wann es dann provozierend wird und somit eine Gefahr darstellt, ist nicht kalkulierbar“, so Junge zu den unschönen Szene gegen Ende der beiden Demonstrationen.

Bezüglich des Zusammentreffens zwischen Spontandemonstration und Gegendemonstranten hätten seine Beamten „sofort konsequent reagiert durch trennen“. Über eventuelle Straftatbestände während der Veranstaltungen konnte Junge noch keine Auskünfte geben.

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