Neben den unmittelbaren Folgen für die Gesundheit von Millionen Menschen wird die Coronakrise auch dafür in Erinnerung bleiben, die soziale Ungleichheit weltweit vergrößert zu haben. Selbst die wirtschaftsliberale FAZ titelte im Juni, dass die Pandemie „die Schere zwischen Arm und Reich weiter geöffnet“ habe. Um auf diesen Missstand aufmerksam zu machen, rief das linke Bündnis „Wer hat, der gibt“ für Samstag, den 21. August, zum bundesweiten Aktionstag auf. In Leipzig beteiligten sich etwa 250 Menschen an einer Demonstration unter dem Motto „Wir können uns die Reichen nicht mehr leisten“.

„Krisengewinner sind einzig die Vermögenden“, hieß es bei der Auftaktkundgebung auf dem Augustusplatz seitens des lokalen Ablegers von „Wer hat, der gibt“. Die Schlussfolgerung daraus lautete: „Der Kapitalismus gibt denen immer mehr, die schon genug haben.“

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Klare Forderung: Kapitalismus abschaffen

Neben Umverteilung und Enteignung lautete eine Forderung auf der Demonstration daher immer wieder: den Kapitalismus abschaffen. Auch ein „angeblich grüner Kapitalismus“ würde kein Ausweg sein, argumentierte eine Person aus der Klimabewegung in Halle. Kapitalismus bedeute so oder so Unterdrückung und Ausbeutung.Ein konkretes Beispiel dafür lieferte Aaron, der bei einer großen Pizzakette arbeitet. Nachdem er auf Missstände wie fehlende Coronatests, dreckige Arbeitskleidung und Lohndumping aufmerksam gemacht hatte, wurde ihm gekündigt. Dass er mittlerweile zu seiner Arbeit zurückkehren konnte, habe er vor allem der basisdemokratischen Gewerkschaft FAU zu verdanken.

Generell zeige die Lieferbranche „das Wesen des Kapitalismus besonders deutlich“, glaubt Aaron. Während diese in der Pandemie einen Boom erlebt habe, hätten Arbeiter/-innen davon nicht profitiert. Im Gegenteil: Vor allem sie hätten unter dem gegenseitigen Über- beziehungsweise Unterbietungswettbewerb der Lieferdienste gelitten.

Die Gruppe „Prisma“ erneuerte unterdessen ihre Forderung, die Patente für Corona-Impfstoffe freizugeben. Sowohl die Europäische Union als auch Industriestaaten außerhalb Europas lehnen das ab. Darunter leiden vor allem Menschen im globalen Süden, wo die Impfquoten teilweise bei nur wenigen Prozent liegen. Weil „Menschenleben vor Profiten“ stehen müssten, fordert „Prisma“ die „Vergesellschaftung von Pharmaunternehmen und Krankenhäusern“.

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Nach diesen Redebeiträgen setzte sich der Demozug in Bewegung und lief im Uhrzeigersinn über den Innenstadtring zu einer Zwischenkundgebung auf dem Marktplatz. Die Teilnehmenden riefen Parolen wie „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns den Mehrwert klaut“, „Gleiche Arbeit, gleicher Lohn – die Reichen in die Produktion“ und „Wer hat, der gibt – wer nicht gibt, wird enteignet“.

Vor allem rund um den Marktplatz sorgten diese Forderungen für wenig Begeisterung. Ein nicht kleiner Teil der Passant/-innen dürfte so manche Parole als Bedrohung des eigenen Lebensstils verstanden haben.

In weiteren Redebeiträgen kamen Vertreter/-innen von Linksjugend, „Leipzig besetzen“ und der Gruppe „Direct Support“ zu Wort. Letztere will nach eigenen Angaben dafür sorgen, dass Menschen, die Geld geben können, und Menschen, die dringend welches benötigen, zueinander finden.

Flughafen vielfach in der Kritik

Ein Mitglied von „Cancel LEJ“ thematisierte zudem den Flughafen, der aus vielen Gründen den Unmut der Aktivist/-innen auf sich zieht: als Militärdrehkreuz, als Schauplatz von Abschiebungen, als Gefahr für die Gesundheit der Anwohner/-innen und als schädlich für Klima und Umwelt. Anstatt den Flughafen auszubauen, müsste man ihn eigentlich abreißen – so die Schlussfolgerung von „Cancel LEJ“.

Ohne irgendetwas abzureißen – selbst die AfD-Plakate rund um den Marktplatz durften zunächst hängen bleiben –, setzten sich die verbliebenen 100 bis 150 Teilnehmer/-innen wieder in Bewegung. Über den Ring liefen sie zurück zum Augustusplatz, wo eine kurze Abschlusskundgebung folgte. Ob die Demo einen Beitrag dazu leisten konnte, dass soziale Ungleichheit im Wahlkampf eine größere Rolle spielt, bleibt abzuwarten.

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