„Welcome to Hell“ und „den Faschisten werden wir das Fürchten lernen“, hieß es für den heutigen Montag, 31. Oktober stilecht bereits im Aufruf von „Leipzig nimmt Platz“ (LnP). Nun sind seit 18 Uhr um die 500 bis 600 mehr oder minder verkleidete Antifaschistinnen auf der Straße, streichen durchs Dunkel einer „Halloween-Nacht“, um die Querdenker zu erschrecken. Unter ihnen ausgerechnet Christian Lindner, welcher als gruseligstes Schreckgespenst alle anderen im Kostümwettbewerb schlagen konnte.

Da half auch die Verkleidung als Querdenker-Anmelderin Annette H., welche erst einmal ihre Aura herrichten musste, wortloses Gespenst oder lachende Polizeibeamtin nichts: als die Ausrufung des Platz 1 beim „Leipzig nimmt Platz“-Auftakt an der Karl-Liebknecht-Straße erfolgte, war Christian Lindner die Verkleidung mit dem größten Abschreckungsfaktor.

In den Redebeiträgen von „Leipzig schwurbelfrei“, der Ver.di-Jugend, SPD-Leipzig-Mitte und LnP selbst thematisierte die Auftaktveranstaltung das, was sie derzeit in den Städten und Gemeinden Sachsens beobachten. Der Grundtenor: während ein Krieg in der Ukraine tobt, die Preise steigen und neue Geflohene im Land ankommen, wendet sich der Protest der Bürger in Sachsen erneut nach rechts.

Im LnP-Beitrag und Aufruf fasste Marco Rietzschel (SPD) die Eindrücke der „faschistischen Zombieaufmärsche“ noch einmal vor Ort zusammen. „Die Spukgespenster kommen immer dann hervor, wenn Solidarität notwendig wird. In Zeiten von Krieg und Elend, bei großen Pandemien oder wenn die Welt droht, sich in wenigen Jahren einen Feuerball zu verwandeln.“

Und weiter: „Die Hölle: Die Hölle sind die Ecken, in denen rassistische Pöbler/-innen lauern. Die Hölle offenbart sich denjenigen, die entmenschlicht und zu Monstern degradiert werden. Die Hölle ist dort zu finden, wo der Mob mit Fackeln durch die Straßen läuft und Häuser anzündet. Als befände man sich in einem schlechten Horrorfilm.“

Pünktlich gegen 19 Uhr traf die Demo dann über die KarLi und den Georgiring kommend auf dem Augustusplatz ein, wo sich bislang nur einige „Querdenker“ eingefunden haben. Ein Teil der sogenannten „Bewegung“ befindet sich heute offenbar in Wittenberg und hatte keine Lust auf die den Gruselspaß von LnP.

Ein wenig gruselig auch die Beteiligung bei der noch etwas früher startenden Linken-Demonstration am Wilhelm-Leuschner-Platz. Unter dem Motto „Genug ist genug“ fanden sich kaum 200 Menschen ein, um mit der Partei gegen die Härten der Politik in der Energie- und Klimakrise vor allem gegenüber den ärmeren Menschen im Land zu protestieren.

Mit dabei auch die Gewerkschaft Ver.di und die Streikenden der Riesaer Nudelfabrikation, als es für diese Demo einmal durch die Leipziger Innenstadt zum Marktplatz ging.

Prominentester Redner bei dieser Versammlung war sicherlich Sören Pellmann, welcher auf dem Marktplatz die derzeitige Politik von SPD, Grünen und FDP ins Visier nahm (siehe Video).

Update 19:30 Uhr: Sag mir wer die Zombies sind & eine Kunstaktion von „Annette Hoffmann“

Beim Blick kurz nach 19 Uhr über den Augustusplatz bekam Anmelderin Annette H. ein wenig Bammel und mutmaßte, dass heute wegen der Zeitumstellung weniger Teilnehmerinnen bei ihrem verschwörungsideologischen Gang um den Ring teilnehmen könnten.

Gleichzeitig endete die Demonstration der Linken auf dem Augustusplatz, wo sich einige jüngere Teilnehmer/-innen dem Gegenprotest von LnP anschlossen.

Entgegen den Befürchtungen der Anmelderin auf der Gegenseite ist die Putin-Fangemeinde auch im früheren Nachtdunkel treu, auch heute dürften wieder knapp 1.000 Menschen an der russlandfreundlichen Demonstration beteiligt sein. Über die Forderungen der teils rechtsextrem unterwanderten Demonstration ist sattsam berichtet, diese haben sich auch heute nicht geändert.

Während man hier also schon beinahe etwas folkloristisch Frieden fordert, war kurz nach dem Gang auf den Ring ein Künstlerkollektiv rings um „Annette Hoffmann“ aktiv und öffnete gegen 19:30 Uhr symbolisch „Nordstream 2“.

Die mitgebrachte Röhre aus Pappe lag nicht lange auf der Straße, da sie von Polizeibeamten beiseitegetreten wurde (siehe Video). Der Gegenprotest wird – kostümiert oder nicht – also auch heute wieder mit verschiedenen Aktionen versuchen, den „Querdenker“-Gang um den Ring zu kommentieren.

Herzhaft diskutiert wird derzeit die Frage, auf welcher Seite der Demonstrationslagen heute wohl die Zombies unterwegs sind.

19:50 Uhr: Eine erste Blockade

Gegen 19:45 Uhr bildete sich nun eine erste Blockadeaktion. Auf der Höhe der Haltestelle Wilhelm-Leuschner-Platz setzten sich zunächst zwei Personen auf die Straße, später kam eine Gruppe um vier Personen dazu, darunter die Linken-Landtagsabgeordnete Juliane Nagel.

Der Demonstrationszug der „Querdenker“ steht erst einmal, die Polizei hat die Blockade umstellt. In der vergangenen Woche wurde in einer solchen Situation der Zug meist an den sitzenden Personen vorbeigeleitet.

Diese meldeten dafür stets Versammlungen spontaner Natur an, was das Ordnungsamt sehr verschieden handhabte. Mal anerkannte sie die Sitzdemos, mal – wie am Leuschnerplatz – stellte sie darin eine Störung fest.

Die Landtagsabgeordnete Juliane Nagel hat sich der Blockade angeschlossen. Foto: LZ

Wie es heute weitergeht, ist also gänzlich offen. Normalerweise sind friedliche Blockaden, wenn sie vor Ort angemeldet werden, als normale Versammlungen zu behandeln. Auflagen, welche das Ordnungsamt aussprechen kann, lauten dann zwar eventuell, die Versammlung auf dem Gehweg fortzusetzen, doch bis zu diesen Entscheidungen vergeht Zeit.

20:25 Uhr: Das Ordnungsamt behauptet „Straftaten“

Was sich in der vergangenen Woche bei den Maßnahmen im Anschluss an eine kleine Blockade am Wilhelm-Leuschner-Platz andeutete, setzt sich auch heute fort. Das Ordnungsamt Leipzig hat sich eine neue Lesart zu friedlichen Blockadeaktionen gesucht und während die Sitzversammlung am Martin-Luther-Ring noch saß, erfolgte die entsprechende Durchsage durch die Polizei.

Man würde nun die als Versammlungen angemeldeten Blockaden als „Störungen einer Versammlung“ (der „Querdenker“) und somit als „Straftaten“ werten.

Damit behauptet das Ordnungsamt insofern wenig Rechtsgültiges, da der Demonstrationszug der „Querdenker“ gleichzeitig umgeleitet, also an der Blockade vorbeigeführt werden konnte. Im Netz beginnen bereits die ersten von einer Erfüllungshilfe der städtischen Behörde für Neonazis zu schreiben.

20:45 Uhr: Volle Konzentration auf den Gegenprotest & freie Bahn für „Querdenker“

Es kommt, wie es sich bereits in der vergangenen Woche andeutete. Die Polizei scheint nun mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln die Demonstration der „Querdenker“ durchzusetzen, indem die Blockade-Versammlungen wie nun auch eine am Goerdelerring konsequent unterbunden werden.

Während sich am Martin-Luther-Ring bereits Teilnehmende an der ersten Blockade in einer polizeilichen Maßnahme zur Feststellung der Identitäten befinden, hat sich der zweite Versuch einer Versammlungsanmeldung am Goerdelerring nach kurzer Zeit und einer heftigen Debatte mit Vertretern des Ordnungsamtes selbst aufgelöst.

Das nutzte den Beteiligten wenig, auch hier kommt es aktuell zu Ingewahrsamnahmen durch die Einsatzbeamten, welche indessen glauben, „Straftaten“ zu verfolgen. Bereits zu früheren Anlässen, wie etwa den vergleichbaren LEGIDA-Aufmärschen war es im Nachgang stets zu Niederschlagungen solcher Strafverfolgungen gekommen. Der Rest endete als Ordnungswidrigkeiten, wobei selbst diese nach Widersprüchen der Betroffenen nicht einmal eine Geldstrafe nach sich zogen.

Interessant dürften vor allem nachfolgende Videobilder werden, da hier zu sehen ist, dass sich die Blockade am Goerdelerring sichtbar von allein auflöst. Woher hier das Recht auf die Polizeimaßnahmen abgeleitet werden kann, ist nicht zu sehen.

21 Uhr: Das harte Brot …

… bekommt auch an diesem Montag der Gegenprotest zu essen. Wie viele Menschen sich derzeit genau in polizeilichen Maßnahmen befinden, ist noch nicht zu sagen. Am Goerdelerring soll es zu körperlichen Auseinandersetzungen mit der Polizei gekommen sein, eine Person soll in einer Maßnahme kollabiert sein. Noch ist diese Info nicht genau geprüft, da die Beamten die Maßnahmen abschirmen.

Unterdessen treffen die „Querdenker“ aktuell wieder am Ausgangspunkt ihrer Ringumrundung über die Goethestraße auf dem Augustusplatz ein. Die Stimmung hier ist gelassen und fröhlich, begleitet vom durch die Polizei ausgedünnten Gegenprotest und Rufen wie: „Ihr seid nicht der Widerstand, lauft mit Nazis Hand in Hand“.

Auf dem Augustusplatz wird bei der „Bewegung Leipzig“ durch Ex-NVA-Offizier Bernd R. mal wieder gegen die Impfung gegen Corona polemisiert. Mal sehen, ob R. heute auch wieder vor den Gefahren der 5G-Technologie warnt, noch beschwört er den Zusammenhalt des „Volkes“ ™. Für ihn wird „in diesem Land betrogen“.

Eine Frau namens „Maria“ verkündet nun, es sei voraussichtlich für sie „die letzte Demo“ als Ordnerin und allgemein, die Ärztin will in die Schweiz auswandern. Die Versammlung ist damit beendet, natürlich nur für die „Querdenker“.

Die polizeilichen Maßnahmen gegen den Gegenprotest laufen noch.

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Keine Kommentare bisher

ist das jetzt satire oder doch nur falsches deutsch: „den Faschisten werden wir das Fürchten lernen“ ?

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