Scheinbar sind Menschen damit überfordert, aus den Suchergebnissen von Google & Co. die für ihre Anfrage relevanten Suchergebnisse herauszufinden. Auch der Preisvergleich auf Portalen, zum Beispiel für die Hotel- oder Urlaubsbuchung, scheint zu kompliziert zu sein. Nun soll die „künstliche Intelligenz“ (KI) uns die Entscheidungen abnehmen. Oder entmündigt sie uns? Es gab wieder einmal eine Meldung, dass ChatGPT zur Suchmaschine wird.

Die Leipziger Volkszeitung titelte: „ChatGPT wird zur Suchmaschine – und könnte das Internet umkrempeln“ und bezieht sich dabei auf den Bloomberg-Artikel zum Thema. Hier liegt schon die erste Ungenauigkeit vor: Suchmaschinen sind nicht das World Wide Web, welches meist Internet genannt wird. Sie sind das, was der Name besagt, ein Hilfsmittel für die Suche bei der Internetnutzung. Das aber nur nebenbei.

Weiter ging es mit Matthias (Matthes) Schrader, er schrieb auf LinkedIn: „Die letzten 24 Stunden waren womöglich für das Web entscheidender als die letzten 24 Jahre. Stehen wir am Anfang des Dark Web?“ und daraus wurde dort bei Tech in Kürze der Aufmacher „Bedeutet KI das Ende des Webs, wie wir es kennen?“

Die KI als Concierge?

Bereits vor einigen Wochen verkündete die Deutsche Telekom, dass sie mit KI „Smartphones von Apps befreien“ will. Ein Prototyp wurde auf dem MWC 2024 vorgestellt. In der Beschreibung steht: „Ein auf künstlicher Intelligenz (KI) basierender Assistent ersetzt hier die zahllosen Apps auf dem Smartphone. Wie ein Concierge versteht der Assistent die Wünsche der Benutzer und kümmert sich um die Details.“

Ist das nicht toll? Müssen wir künftig bei der Internetnutzung nicht mehr denken?

Das ist selbstverständlich eine rhetorische Frage. Viele Menschen haben sich an eine Nutzung von Suchmaschinen und Buchungsportalen gewöhnt, die darin besteht, das erste Ergebnis (im besten Falle, wenn es nicht ausdrücklich als Werbung gekennzeichnet ist) als zutreffend anzusehen. Was macht aber die KI?
Lesen Sie noch einmal die Aussage der Telekom, da wird die KI als quasi Concierge bezeichnet.

Geübte Reisende werden wissen, dass der Concierge im besseren Hotel gern Auskünfte gibt, ein Taxi bestellt oder auch Restaurants empfiehlt und gleich einen Tisch reserviert. Sie wissen aber auch, dass er dies meist bei Unternehmen macht, die mit dem Hotel oder mit ihm selbst einen Deal haben.

Ist die KI da neutraler, oder ist das abhängig vom Entwickler und Anbieter der KI-Lösung? Ich würde der Aussage von Matthias Schrader gern glauben.

„Wenn zunehmend die AIs durch das Web surfen, wird es zu einem harten Selektionsprozess führen. Mittelmäßigkeit wird verschwinden. Überleben wird nur das, was wirklich exzellent und einzigartig ist. Also, was Spaß macht und echten Wert für die Nutzer schafft. Und fürs Business. Das Web wird sich stark verwandeln. Keine Ahnung, was bleibt. Aber Nostalgie hilft uns hier nicht weiter. Wir müssen damit dealen und die Chancen sehen.“

Aber, siehe die Einlassung zum Concierge, bei den KI-Suchen und -Antworten bleibt die Befürchtung, dass es sich auch da um eine Gelddruckmaschine für wenige große Player handelt. Der viel gepriesene Alltagsbegleiter, der KI-Assistent, kann uns schnell helfen, vielleicht entmündigt er uns aber auch.

Wer anfangs dem Google-Motto „Don’t be evil“ traute, war schnell desillusioniert, als die Firma sich zum Datenkraken entwickelte und schlussendlich die Behauptung „Nicht böse zu sein“ 2018 offiziell abschaffte. Es geht in die nächste Runde. Vertrauen wir jetzt wieder, oder bleiben wir skeptisch?

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