Sachsen-Anhalt ist nach dem Auftauchen der Himmelsscheibe von Nebra regelrecht ins Scheinwerferlicht der Forschungen zur Bronzezeit in Mitteleuropa geworden. Aber natürlich gab es vor 3.000 Jahren keine Ländergrenzen wie heute. Die Kultur der Bronzezeit hörte nicht einfach irgendwo bei Schkeuditz auf. Auch an der sächsischen Elbe wurden in den vergangenen Jahren einige aufregende Funde gemacht. Eine Ausstellung auf dem Königstein zeigt sie jetzt.

Wie haben die Menschen vor 3.000 Jahren im Elbtal gelebt? Für die diesjährige Sonderausstellung auf der Festung Königstein wurden viele archäologische Puzzlestückchen aus der Region zu einem faszinierenden Gesamtbild zusammengetragen. Jetzt kann sie endlich eröffnet werden.

Auf so einen Fund hatten Archäologen seit Jahrzehnten gehofft: Artefakte, welche die Anwesenheit von Menschen auf dem Tafelberg Königstein in der Bronzezeit belegen. 2016 war es endlich so weit: Bei Bauarbeiten auf dem Plateau der historischen Festungsanlage traten Keramikscherben zutage, welche die Wissenschaftler zweifelsfrei in die Zeit zwischen 1200 und 1050 vor Christus datieren konnten. Jetzt werden sie erstmals öffentlich gezeigt – eingebettet in eine sehenswerte Sonderausstellung zur Bronzezeit im oberen Elbtal.

Den Siedlern im Elbtal auf der Spur

Unter dem Titel „Viel früher als gedacht! Der Königstein in der Bronzezeit“ gewährt die Ausstellung Einblick in eine Epoche, in der die Sächsische Schweiz nur spärlich besiedelt war.

„Das zerklüftete Felsengebiet war bis ins Mittelalter vor allem ein Durchgangsraum“, erklärt Historiker Markus Bitterlich, der zusammen mit Archäologe Robert Dietze die Ausstellung konzipiert hat. „Wir wissen aber, dass sich am benachbarten Pfaffenstein schon vor mehr als 3.000 Jahren ein befestigter Platz befand. Auch an anderen Stellen in der Region ließen sich vereinzelt Zeugnisse menschlicher Anwesenheit aus dieser Zeit finden.“

Diesen Spuren wird in der Schau nachgegangen. So wird der Scherbenfund vom Königstein in einen kulturellen Kontext gesetzt. Wie haben die Menschen dieser Ära im Elbtal gelebt? Wie sahen ihre Häuser und ihr Schmuck aus? Welche Handwerke haben sie betrieben, wie haben sie sich ernährt? Was weiß man über Religion, Bestattungskultur und Kriegsausrüstung? Wie ein Puzzle fügten die Wissenschaftler wichtige bronzezeitliche Fundstücke und Erkenntnisse zu einem anschaulichen Gesamtbild zusammen.

Zu sehen sind besonders wertvolle Objekte, wie ein kaum patiniertes Bronzeschwert, das in der Elbe bei Děčín gefunden wurde, zwei Keramiktöpfe, die als Opfergaben in Felsspalten in der Sächsischen Schweiz deponiert waren, zwei in ihrer Größe und Form in Sachsen einzigartige Spindelnadeln, der einzige in Sachsen erhaltene bronzezeitliche Rüstungsgegenstand: die Wangenklappe eines Bronzehelms und sogar Getreidekörner.

Weiterhin sind Bronzebeile, Sicheln, Pfeil- und Lanzenspitzen, Gussformen, Rasiermesser, Armreifen, Halsringe und mehr zu sehen. Als Leihgeber unterstützen das Landesamt für Archäologie Sachsen, die Senckenberg Naturhistorischen Sammlungen Dresden, die Stadtmuseen Pirna und Riesa sowie das Regionalmuseum Děčín die Schau.

Guss eines Lappenbeils aus Bronze

Die sichtbar gemachte Faszination der Bronze

Ergänzt wird die Ausstellung durch Nachbildungen. „Nur diese können den ursprünglichen goldenen Glanz der Bronze sichtbar machen. An den originalen Exponaten hat sich eine grün-matte Patina gebildet“, erläutert Markus Bitterlich.

Experimentalarchäologen stellten dafür Gegenstände mit bronzezeitlichen Mitteln und Methoden her: Wulf Hein aus Hessen bildete Werkzeuge nach, baute einen Webstuhl und ein Modell eines Siedlungsplatzes. Gemeinsam mit Frank Trommer aus Baden-Württemberg produzierte er für die Ausstellung auch einen Dokumentationsfilm, in dem die Herstellung eines Bronzebeils von der Erzverhüttung bis zum Guss zu sehen ist.

Die Besucher können sich an alten Kulturtechniken versuchen: Weben mit einem Handwebrahmen, Getreidemahlen mit dem Reibstein. Auch dürfen sie einzelne Bronzeobjekte anfassen und an Medienstationen tiefer in die einzelnen Themen eintauchen. Schüler und Vorschüler schlüpfen im Rahmen der museumspädagogischen Angebote in die Rolle von Archäologen, gehen im Sand auf Spurensuche oder stellen nach bronzezeitlichen Vorbildern Schmuck her.

Die Festung Königstein

Die Festung Königstein ist eine der interessantesten Bergfestungen in Europa und gehört zu den bedeutendsten Sehenswürdigkeiten in Sachsen. Eingebettet in die bizarre Felslandschaft des Elbsandsteingebirges thront weithin sichtbar die einst unbezwingbare Wehranlage 247 Meter über dem Elbtal. Das 9,5 Hektar große Felsplateau ist mit seinem einzigartigen Ensemble aus mehr als 50 imposanten Bauwerken verschiedener Epochen und seiner fast 800-jährigen, in verschiedenen Ausstellungen erzählten Geschichte ein Magnet für jährlich Hunderttausende Besucher aus der ganzen Welt.

Seit Mittwoch, 2. Juni, ist der Königstein auch wieder für Besucher geöffnet.

Die Sonderausstellung „Viel früher als gedacht! Der Königstein in der Bronzezeit“ ist bis zum 31. Oktober 2021 in der Magdalenenburg auf dem Königstein zu sehen. Die Inhalte werden in deutscher, englischer und tschechischer Sprache vermittelt. Für Kinder gibt es altersgerechte Erklärungen. Die Besichtigung ist im regulären Eintrittspreis der Festung Königstein enthalten. Die Festung ist täglich von 9 bis 18 Uhr geöffnet, die Ausstellung von 10 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist im regulären Festungseintritt enthalten.

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