Sehr gerne hätten die vielen mitgereisten Fans, Eltern, und Vereinskameraden während der Finalrennen in den Einzeldisziplinen der EM am Samstag und Sonntag über Medaillen der deutschen Athletinnen und Athleten gejubelt. Doch es war wie verhext an diesem EM-Wochenende in Solkan.

In sehr spannenden Rennen auf höchstem Niveau gab es am Ende immer wieder sehr knappe Entscheidungen im Kampf um die Medaillen. Trotz sehr guter Einzelleistungen und Wettkampfleistungen mit höchstem Risiko und vollem Einsatz blieb den deutschen Starterinnen und Startern in den Finals oft nur der undankbare vierte Platz. Wie schon in den Teamwettbewerben dominierten Athletinnen und Athleten der Franzosen, Tschechiens und der Slowakei in den verschiedenen Rennen und sicherten sich die Titel und Medaillen.

Zum Auftakt in die Finalentscheidungen am Samstag war es Nele Gosse (LKC Leipzig), die eine sehr schöne Linie durch den schwierig gehangenen Finalkurs fuhr. Knapp an die Stangen ran und immer möglichst schnell wieder zurück in die Strömung. An den Abwärtstoren 16 und 20 war es sehr eng. Mit Bestzeit im Ziel konnte sie sich leider nur kurz über ihre Leistung freuen.

Die Videokampfrichter korrigierten die Bewertung an Tor 20 in fünfzig Strafsekunden, da nur der halbe Kopf innerhalb der Torlinie war. Tragisch, denn ohne diese Wertung wäre sie mit der Silbermedaille für die vielen Mühen im Training belohnt wurden. So blieb nur die Finalteilnahme, die Gewissheit, dass Medaillen möglich sind und am Ende der 10 Platz im Finale dieser EM.

„Verrückt, wie hart hier in manchen Rennen die Medaillenentscheidungen ausgegangen sind. Das internationale Niveau ist extrem hoch.“ resümierte der Disziplintrainer der Canadier-Einer Paul Jork gleich mehrfach an diesem Wochenende. „Genau die Sportler, die jetzt im Kajak der U23 ganz vorn stehen, waren vor drei bis vier Jahren noch die dominierenden Junioren. Schon damals waren sie als 18jährige schneller als die besten Boote der U23.“ erinnerte sich Paul Jork. Gegen so erfahrene und erfolgreiche Athleten muss im Finale alles passen, wenn man um die Titel und Medaillen mitpaddeln will.

Erfreulich aus deutscher Sicht waren die vielen Finalteilnehmen sowohl bei den Junioren als auch bei den Athletinnen und Athleten der U23-Mannschaft. Maxi Dilli und Joshua Dietz paddelten sehr gut in ihrem Halbfinallauf und qualifizierten sich unter den Top 15 Europa`s für das Finale der Kajak-Herren der U23. Nicht immer ganz auf der Ideallinie beendeten sie ihre Finals dann als Zehnte und Zwölfte.

Der Sieg ging an den Tschechen Jakub Krejci mit nur 0,13 Sekunden Vorsprung auf den zweitplatzierten Franzosen Anatole Delassus. Der wiederum hatte nach knapp 90 Sekunden Wildwasserfahrt nur 0,01 Sekunden „Vorsprung“ auf den drittplatzierten Britten Christopher Bowers.

Im Rennen der Juniorinnen im Kajak lag die gesamte deutsche Hoffnung auf der Europameisterin des Vorjahres. Die erst 16jährige Paulina Pirro paddelte im Finale mit 100% Risiko und voll auf Angriff. Im Ziel jubelte sie nach einer fehlerfreien Fahrt über die Führung in ihrem Rennen. Am Start standen zu diesem Zeitpunkt jedoch noch zwei Slowakinnen und eine Französin. Diese drei Athletinnen behielten die Nerven, fuhren ebenfalls fehlerfrei auf der Naturstrecke der Soca und machten die drei Medaillenränge unter sich aus.

Beim Doppelsieg der Slowakei trennten Paulina am Ende lediglich 0,37 Sekunden von der Drittplatzierten Emma Vuitton (Frankreich). „Schade, dass es nicht ganz gereicht hat, aber ich bin voll zufrieden mit meinem Lauf.“ sagte sie nachdem feststand, dass sie das Podest knapp verpasst hatte. Dann folgte ihre eigene Einschätzung die zeigte, welche Ziele die junge Bad Kreuznacherin eigentlich verfolgt. “Ich bin doch schon viel besser als letztes Jahr. Da hatte ich noch viel mehr Rückstand auf Topfahrerinnen der U23. Jetzt sind es doch nur noch fünf Sekunden.“

Der ebenfalls erst 16jährige Marten Konrad belegte im Finale der Kajak-Junioren einen sehr guten neunten Platz. Sowohl Pauline Pirro als auch Marten Konrad haben die Möglichkeit, weitere zwei Jahre bei internationalen Wettkampfhöhepunkten zu starten. Ihr Ehrgeiz und ihre selbstgesteckten Ziele für das Training lassen hier einen positiven Blick in die Zukunft zu!

Schon sehr lange gab es für deutsche Athleten keine Siege im Canadier-Einer bei einer Nachwuchs-EM mehr. Mit Lennard Tuchscherer (U23) und Benjamin Kies (Junioren) hatten sich zwei Topboote des Deutschen Kanuverbandes für die jeweiligen Finalläufe qualifiziert. Das ganze Team unterstützte sie während ihrer Finalfahrten am Sonntagnachmittag begleiteten sie mit ihren Anfeuerungsrufen die Strecke nach unten. Als drittletzter Starter kämpfte Lennard Tuchscherer bis zum letzten Meter.

Die beiden Tschechen Chaloupka und Heger hatten direkt vor ihm die Bestzeiten auf unter 92 Sekunden gedrückt. Im Ziel war er zunächst Dritter. Während sich der darauf folgende Spanier Miquel Trave mit 0,5 Sekunden Rückstand hinter Tuchscherer platzierte, gelang dem als Letzten gestarteten Franzosen Jules Bernardet ein Fabellauf und er verwies Lennard mit 0,68 Sekunden Rückstand auf den undankbaren vierten Platz.

Enttäuscht und fassungslos saß kurze Zeit später auch Benjamin Kies nach seinem Finallauf im Teamzelt. „Ich habe gar nicht so richtig mitbekommen, wo die Berührungen alle waren“, meinte er nur kopfschüttelnd. Seine Fahrzeit hätte ohne die Berührungen zur Bronzemedaille im Rennen der Junioren gereicht. Insgesamt vier Torstabberührungen und somit acht Strafsekunden liesen aber alle Medaillenträume platzen. Am Ende stand für ihn ein achter Platz auf der Anzeigetafel.

Die Canadier-Damen und Juniorinnen waren mit Zoe Jakob (U23) und Lucie Krech (Juniorinnen) in den Finalläufen am Start. Beide patzten bereits kurz nach dem Start im ersten Teil der Strecke gewaltig. Zoe Jakob berührte direkt die beiden ersten Aufwärtstore und kassierte dafür vier Strafsekunden. „Ich habe alles versucht, bin aber einfach nicht mehr in mein Rennen gekommen.“ sagte sie enttäuscht nach ihrem Wettkampf. Ihr blieb beim souveränen Sieg der tschechischen Olympiastarterin Theresa Fiserova am Ende nur der zehnte Platz.

Die 17jährige Lucie Krech knallte mit ihrem Boot kurz vor Tor 5 mit vollem Schwung in die Felswand und musste sich erst einmal kurz sammeln, bevor sie nach diesem Missgeschick ihren Lauf fortsetzen konnte. Sie wurde am Ende Neunte im Finale der Juniorinnen im C1. Es siegte die Slowakin Zuzana Pankowa.

Im Resümee der Europameisterschaft ist es natürlich zunächst ernüchternd, dass für das deutsche Team keine Medaillenplatzierungen erscheinen. Es ist jedoch auch wichtig, die Ausgangssituationen und Hintergründe im Detail zu kennen, um jetzt im Nachgang der EM die Ergebnisse in Ruhe und genau zu bewerten und zu analysieren. In beiden Teams erfolgten unter dem Blickwinkel des langfristigen Leistungsaufbaus verschiedene Umbesetzungen von Athletinnen und Athleten. Diese waren oft in ihrem ersten großen internationalen Nationalmannschaftseinsatz.

Bei den Junioren waren fünf von elf Teilnehmern erstmals am Start. Hier wechselt lediglich Benjamin Kies im kommenden Jahr in die U23.  Bei der Besetzung der U23-Mannschaft fehlten Leistungsträger wie beispielsweise Andrea Herzog. Als Bronzemedaillengewinnerin der Olympischen Spiele blieb sie ebenso unberücksichtigt, wie die Europameisterin des vergangenen Jahres Elena Apel. Wie schon in den vergangenen Jahren wurde die Europameisterschaft seitens des DKV-Trainerteams genutzt, um jüngeren Athletinnen und Athleten Chancen für internationale Wettkampferfahrungen zu geben.

Nach Abschluss der jetzt folgenden nationalen Rennen werden detaillierte Ergebnisanalysen erstellt, um dann neue Ziele für die kommenden internationalen Bewährungsproben zu formulieren. Die Leistungen, die Motivation und der Einsatz, den das gesamte Team in einer durch Corona geprägten schwierigen Trainings- und Wettkampfsaison 2021 gezeigt hat, lassen für die kommenden Jahre dann auch wieder auf Medaillen hoffen.

Kajak:

U23 Herren: 10. Maxi Dilli / 12. Joshua Dietz / HF 18. Tim Bremer

U23 Damen: 10. Nele Gosse / HF 14. Franziska Hanke / Quali 27. Stella Mehlhorn
Junioren: 9. Marten Konrad / HF 16. Luis Erschig / HF 26. Christian Stanzel
Juniorinnen: 4. Paulina Pirro / HF 20. Charlotte Wild / 21.
Lara Kriesinger

Canadier:

U23 Herren: 4. Lennard Tuchscherer / HF 20. Paul Seumel / Quali 21. Hannes Seumel
U23 Damen: 10. Zoe Jakob / Quali 29. Nele Bayn / Quali 31. Claire Harlak
Junioren: 8. Benjamin Kies / HF 11. Franz Gosse / HF 15. Louis Paaschen
Juniorinnen: 9. Lucie Krech / Quali 23. Lena Götze

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