Es war wieder so ein richtig klassisches Eigentor, das die Leipziger Stadtverwaltung hinlegte, als sie einen Antrag aus dem Stadtbezirksbeirat Südwest in Bausch und Bogen ablehnte. Es ging um die Frage, wie man der wachsenden Wildtierpopulation an der Weißen Elster Herr werden könnte. Das Ordnungsdezernat verwendete drei Seiten, um zu betonen: "Der Antrag muss abgelehnt werden." Gar nichts musste.

Nichtstun ist einfach keine Option, wenn es um Stadtpolitik geht. Und je öfter aus der Verwaltung Standpunkte formuliert werden, man könne, dürfe oder müsse nichts tun, um so grilliger werden mittlerweile auch die Ratsfraktionen. Am 8. Juli wurde der – neu formulierte – Antrag aus Südwest mit Mehrheit im Leipziger Stadtrat angenommen.

Und dafür hat dann am Rednerpult auch ganz persönlich Stadtbezirksbeirätin Kristina Weyh, für Bündnis 90/Die Grünen im Stadtbezirksbeirat Leipzig-Südwest aktiv, geworben. Wenn ein Stadtbezirksbeirat eine wichtige Angelegenheit vorlegt, ist genau das möglich. Dann werden die Probleme aus dem Stadtbezirk auch direkt Abstimmungsthema im Stadtrat. Mehrheitlich folgten die Stadträte der Aussage und dem Vorschlag des Stadtbezirksbeirats, indem sie beschlossen:

1. Der Stadtrat Leipzig bestätigt die Notwendigkeit, dass seitens der Verwaltung präventiv mittels konzentrierter Informationskampagnen zum Fütterungsverbot von Wildtieren, und auch durch Kontrollen und Sanktionen von Fehlverhalten, in Leipzig vorgegangen werden soll.

2. Die Stadt Leipzig nutzt die Erfahrung anderer Großstädte bei der erfolgreichen Information der Bevölkerung über die Folgen von Wildtierfütterungen und geeigneten Gegenmaßnahmen.

Zur Vorgeschichte

Der Stadtbezirksbeirat Leipzig-Südwest war in einer Sitzung im Herbst 2014 von Anliegenden der Weißen Elster gebeten worden, die 2014 auffällig starken Bestände von Nutrias zum Thema zu machen und die Stadtverwaltung zu Gegenmaßnahmen aufzufordern.

“Von Nutrias ausgehend war uns sogleich sehr wichtig, das bisher wenig betrachtete Thema Wildtiere in der Großstadt Leipzig grundsätzlich zu verstehen und die Zuständigkeiten zu kennen”, erzählt Kristina Weyh. “Im intensiven Gespräch mit der Stadtverwaltung wurde deutlich, dass durch das Jagd- und Tierschutzgesetz das Problem rechtlich umrissen und geordnet ist, aber die verbreiteten Fütterungen von Wildtieren, Nutrias, wildlebenden Katzen, Enten und Tauben und das reiche Nahrungsangebot durch Papierkörbe und Mülltonnen in der Großstadt Zustände wie im Schlaraffenland bedeuten. Dieses entspricht allerdings in keinster Weise dem Tierschutz.”

Was aber kann eine Stadt da tun, wenn die Großstädter ihr eminentes Liebesbedürfnis mit Fütterorgien für die Wildtiere in Parks und auf Flüssen ausleben? Eigentlich geht es nur über Aufklärung, aber die fehlte komplett.

“Es muss allen klar werden oder sein, dass es falsch und auch gefährlich ist, Wildtiere zu füttern. Nicht nur, dass die zu starken Bestände heimische Tierarten bedrohen (Waschbären z. B. sind Nesträuber), Ernteausfälle bedeuten (Wildschweine), Wildtiere haben auch immer arttypische, wilde Reflexe und können Menschen und ihre Haustiere erheblich verletzen”, umreißt Kristina Weyh das Thema. “Daher sind wir sehr froh, dass der Stadtrat mit uns übereinstimmt, dass durch Information und der Durchsetzung des Fütterungsverbotes, dem Problem Bedeutung beigemessen werden muss und Gegenmaßnahmen nötig sind. Wir haben für die Kampagne den Flyer aus Berlin als nachahmenswert eingebracht, um das Thema kurz und mit deutlichen Botschaften bekannt zu machen.”

Berlin macht ja nun schon seit Jahren Furore mit immer neuen spannenden Wildschweinjagden und Fuchsdokumentationen im deutschen TV. Die wilden Tiere haben sich an die Bedingungen in den großen Städten angepasst und werden vom oft überreichlichen Futterangebot geradezu angelockt.

Da erstaunt es eher, dass sich Leipzigs Verwaltung nicht von selbst geäußert hat. Jetzt muss das so erklärungsfreudige Ordnungsdezernat auf einen beschlossenen Stadtratsauftrag hin reagieren. Und man erinnert sich an die jahrelange Verweigerung, das wilde Parkproblem in Schleußig überhaupt ernst zu nehmen. Auch da war es der Stadtbezirksbeirat Südwest, der sich die Untätigkeit der Ordnungsverwaltung nicht länger gefallen ließ und das gerade für Kinder brandgefährliche Thema zur Stadtratsangelegenheit werden ließ.

“Wir haben als Beirat erfahren, dass wir Bürger- und Bürgerinnenanliegen wirksam zum Thema machen und erfolgreich in die Stadtpolitik wirken können”, sagt Kristina Weyh. “Die mediale Aufmerksamkeit und zwischenzeitlichen Aktionen der Stadtverwaltung haben auch schon ihre Wirkung gezeigt: Die Mitmenschen sind auf die Unsitte des Fütterns von Wildtieren aufmerksam geworden. Aber wir waren überzeugt, dass das Thema eine Regelung braucht. – Wir möchten uns als Stadtbezirksbeirat Südwest auch bei allen anderen Stadtbezirksbeiräten und Ortschaftsräten bedanken, die sich mit unserem Anliegen beschäftigt und ihre Unterstützung zurückgemeldet hatten. Dieses Vorgehen der Verweisung war neu und hat uns den nötigen Rückenwind gebracht, der uns erfolgreich hat werden lassen.“

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Aber es gibt immer noch sogenannte “Tierfreunde”, die trotz Hinweisen, dass es nicht gut ist die Tiere zu füttern, mit allen Argumenten, die dagegen sprechen, die Wildtiere weiter füttern, weil das doch so niedlich ist, wenn diese immer zur Futterstelle kommen. Da setzt bei diesen Leuten der Verstand aus!

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