In der Ratsversammlung am 28. Oktober wurde zwar beschlossen, die Linie 9 nach Markkleeberg einzustellen. Aber die Diskussionen dazu, ob Leipzig eine Straรenbahnverbindung bis zum Forsthaus Raschwitz oder bis Markkleeberg-Mitte braucht, sind nicht wirklich abgeschlossen. Doch fรผnf Stadtrรคte haben wohl nur zu berechtigte Angst, dass demnรคchst einfach die Gleise ausgebaut werden.
Sie kommen alle aus den Fraktionen von Linken und SPD. Bei den Grรผnen hat man wohl gar nicht erst angefragt โ die sind mittlerweile vรถllig zerrissen zwischen Befรผrwortern eines gut ausgebauten รPNV und denen, die den finanziellen Argumenten von Stadt und LVB folgen.
Aber wirklich durchgerechnete Konzepte zu einer Linie 9 bis Markkleeberg-Mitte gibt es bis heute nicht. Da mรผssten sich nรคmlich zwei Stadtverwaltungen an einen Tisch setzen. Und wahrscheinlich fehlen auch noch die Zahlen fรผr das neue Stadtverkehrskonzept, das Markkleeberg jetzt einfรผhrt. Wie stark werden die Fahrgastzahlen auf der Linie 70 sinken, wenn die anstelle der Linie 9 nach Markkleeberg fรคhrt? Wie gut funktioniert die neue Linie 108? Und welche Einbuรen wird es in Connewitz geben?
All das wird man wohl frรผhestens in zwei Jahren wissen.
Vorher freilich soll ja der 2009 beschlossene Nahverkehrsplan der Stadt Leipzig diskutiert und novelliert werden. Und da wird es ganz elementar um die Frage gehen, wo Leipzig eigentlich kรผnftig Straรenbahnlinien braucht und mit welcher Taktfolge.
Und das wird garantiert nicht heiรen, dass gekรผrzt wird, sondern dass ausgebaut wird. Und auch die Linie 9 wird dann wieder Thema sein. Und wenn die Stadtrรคte ihre Aufgabe ernst nehmen, werden sie wirklich fundiert mit Zahlen unterlegte Konzepte fรผr eine Wiederinbetriebnahme der Straรenbahn nach Markkleeberg-Mitte fordern.
Nebst allerlei Konzepten zur Erschlieรung weiterer Stadtgebiete. Denn Leipzig wรคchst ja. Und wer sich die innerstรคdtischen Quartiere anschaut, der sieht, dass noch mehr Pkw nicht die Verkehrslรถsung der Zukunft sein kรถnnen.
Um aber รผber eine weitere Verbindung nach Markkleeberg รผber die Koburger Straรe nachdenken zu kรถnnen, muss zumindest die Gleisinfrastruktur erhalten bleiben.
Und genau das beantragen jetzt die SPD-Stadtrรคte Mathias Weber und Katharina Schenk, die Piratin Ute Elisabeth Gabelmann und die Linke-Stadtrรคte Franziska Riekewald und Marco Gรถtze. Im Stadtbezirksbeirat Leipzig-Sรผd soll das logischerweise auch diskutiert werden. Der hatte sich ja bekanntlich vehement gegen eine Stilllegung des Straรenbahnastes ausgesprochen. Es ist wieder so ein typisches regionales Leipziger Thema: Die Betroffenen im Stadtgebiet wissen, dass sie eigentlich eine vernรผnftige Straรenbahnanbindung brauchen โ und der Mehrheit der Stadtrรคte, die aus anderen Stadtgebieten kommen, ist es eher wurscht, da folgt man lieber den finanziellen Bedenken der Verwaltung, um das Thema schnell vom Tisch zu haben.
Und vergisst dabei, dass solche Themen nie wirklich vom Tisch sind. Man kann eigentlich heute schon seine Schuhsohlen drauf verwetten, dass das Thema auch in Markkleeberg wieder auf den Tisch kommen wird, denn der Bus Nr. 70 ist nun einmal keine echte attraktive Alternative zur Straรenbahn. Ob die Taktzeiten im Markkleeberger Verkehrskonzept funktionieren, ist auch noch offen. Und der Versuch, den รPNV mit immer knapperen Mitteln zu betreiben, geht schlicht nicht auf. Auch die Finanzierung der Straรenbahn in die Anliegerstรคdte gehรถrt in das groรe Paket: Wie wird der Mitteldeutsche Verkehrsverbund (MDV) kรผnftig finanziert?
Dass die Sparpolitik, die in den Landkreisen und der Stadt Leipzig seit fรผnf Jahren gefahren wird, den รPNV tatsรคchlich schรคdigt, wird an solchen Stellen sichtbar. Eine Rรผcknahme der Linie 9 nach Markkleeberg ist nun einmal eindeutig eine Rรผcknahme von Leistung, kein Schritt in die Zukunft oder gar zu einer Verbesserung der รPNV-Verbindung in diesem Gebiet. Da kann man das neue Angebot โ das eigentlich ein uraltes aus den Plรคnen von 2009 ist โ noch so schรถn als Ersatz anpreisen: Die Betroffenen sehen es anders.
Was wollen jetzt also die fรผnf Stadtrรคtinnen und Stadtrรคte?
โDer Oberbรผrgermeister wird beauftragt, mit dem Landkreis Leipzig und der Stadt Markkleeberg in Kontakt zu treten, um eine Sicherung der Straรenbahninfrastruktur von der Stadtgrenze Leipzig bis einschlieรlich der Wendeschleife Markkleeberg-Mitte bis ins Jahr 2030 sicherzustellen. Ende des I. Quartals 2016 wird ein Bericht รผber den Diskussionsverlauf respektive Ergebnis mit dem Landkreis und der Stadt Markkleeberg dem Stadtrat Leipzig zur Kenntnis gegebenโ, formulieren sie als Beschlussvorschlag fรผr den Stadtrat. โDie Stadt Leipzig als Hauptgesellschafter der LVV und der LVB weist die Geschรคftsfรผhrungen an, die Straรenbahninfrastruktur zwischen Connewitzer Kreuz und Markkleeberg-Mitte einschlieรlich Wendeschleife fรผr einen kรผnftigen Fahrbetrieb bis mindestens zum Jahr 2030 zu erhalten.โ
Das ist vielleicht sogar รผberflรผssig, denn Straรenbahngleise werden ja in der Regel erst entfernt, wenn eine Straรe grundhaft instand gesetzt wird. Und in der Diskussion um den Streckenast bis Markkleeberg-Mitte war ja ein Hauptargument, dass weder Markkleeberg das Geld hรคtte, die Friedrich-Ebert-Straรe in nรคchster Zeit zu erneuern, noch steht die Koburger Straรe in Leipzig im Investitionsprogramm.
Aber sicher ist sicher. Denn das Gleiskreuz in der Rathausstraรe in Markkleeberg wird ja im Dezember entfernt.
Was aber wirklich fehlt, sind ergebnisoffene Betrachtungen des ganzen Themas. So stellen es die Fรผnf auch in ihrem Antrag fest: โIn der Ratsversammlung vom 28.10.2015 wurde die Abbestellung der Straรenbahnverbindung zwischen Connewitzer Kreuz und Markkleeberg mehrheitlich beschlossen. Um angesichts der wachsenden Bevรถlkerungszahl und einem verรคnderten Mobilitรคtsverhalten eine fachlich fundierte und ergebnisoffene Einschรคtzung zum รPNV-Angebot in den kommenden Jahren vornehmen zu kรถnnen, ist es notwendig, dass die Straรenbahninfrastruktur einschlieรlich Wendeschleife in Markkleeberg-Mitte erhalten bleibt.โ
Und diese Abschรคtzung soll ja nun im Diskussionsprozess zum neuen Nahverkehrsplan passieren.
So kรถnnen Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstรผtzen:
Es gibt 2 Kommentare
Erschรผtternd und erbรคrmlich, das gerade die Grรผnen nichts tun bzw. taten!
Danke, das hilft mir bei der nรคchsten Wahl.
Ich frage mich ernsthaft, was all das blumige Gerede von Umweltvorreiterei, Elektromobilitรคt und Eindรคmmung des privaten Autoverkehrs in Leipzig soll: Es wird nichts, aber auch gar nichts dafรผr getan!
Man gibt den LVB keine klaren Ziele vor, auรer mit weniger Geld mehr zu tun.
Und der MDV scheint nur Formalie zu sein: miteinander abstimmen oder planen tut keiner.
Jeder schaut nur mit seinem Hintern, wie er am besten an der Wand bleibt.
Armselig.
Lachhaft, lรคcherlich, dass kein Grรผner dabei ist.
Wenigstens *einer* von denen kรถnnte sich symbolisch zu den fรผnf Stadtrรคten dazugesellen, zugleich mit einem leicht verschรคmten Bekenntnis auf den Lippen, nun irgendwie aus dem Schlamassel herauskommen zu wollen.
Aber der gesamte Stadtrat, nicht nur diese fรผnf Leute, tรคte gut daran, sich eine verkehrspolitische Kompetenz zu erarbeiten. Da der Stadtrat (als ganzes Gremium) auch externe Gutachten in Auftrag geben kann und sie sogar bezahlt bekommen wรผrde: Wie wรคre es mit einem externen Gutachten รผber den รถffentlichen Stadtverkehr? Kรถnnte allerdings ziemlich niederschmetternd und bรถse fรผr die Leipziger Verkehrsbetriebe ausfallenโฆ Allein schon deren Vandalismus an den Betriebsmitteln stellt eine erhebliche Belastung des kommunalen Haushalts dar, geschweige denn von nicht erzielten Gewinnen aufgrund nicht vorhandenen attraktiven Fahrangebots.
Von einem professionellen Nahverkehr ist Leipzig noch einige Lichttage entfernt.