Es wird ein paar Jährchen dauern, vielleicht zwei oder drei, dann werden erst ein paar Stadträte das große Grübeln bekommen und dann vielleicht auch der eine oder andere Dezernent. Das wird sein, wenn sich herausstellt, dass eine wesentliche Grundbedingung für die Verfrachtung des Naturkundemuseums in die Alte Baumwollspinnerei sich als ziemlich - nun ja - teuer erweist.

In den Beschluss aufgenommen hat man ja am Ende noch den Änderungswunsch der SPD-Fraktion, eine “direkte ÖPNV-Verbindung” von der Innenstadt bis zum Naturkundemuseum herzustellen. Das hätte man durchaus haben können, wenn man die neue Unterkunft für das Museum direkt neben den S-Bahn-Haltepunkt Plagwitz gesetzt hätte. Hat man aber nicht.

Egal, ob man den S-Bahn-Haltepunkt nimmt, die Endhaltestelle der Linie 14 oder die Haltestelle der Linien 8 und 15 am Busbahnhof Lindenau – es bleiben 400 bis 500 m Fußweg bis zur Baumwollspinnerei, bis zur Halle 7 noch ein paar mehr.

Das ist übrigens nicht erst seit der Entscheidung, das Naturkundemuseum da draußen unterzubringen, so. Anfang der 2000er Jahre haben die Stadt und die LVB schon einmal darüber nachgedacht, für die Spinnerei eine etwas bessere ÖPNV-Verbindung herzustellen. Das sah noch nicht ganz so aus, wie es die Grünen jetzt mit einem Extra-Antrag formuliert haben, die die Linie 14 bis zur Baumwollspinnerei verlängert haben wollen. Was ja sinnvoll wäre und die Linie erst recht zur “Kulturbahn” machen würde. Aber hier taucht ein Thema genauso auf, wie es schon kurz nach 2000 diskutiert wurde.

Damals ging es noch nicht um die Spinnereistraße.

“Eine Verlängerung der Straßenbahn in die Spinnereistraße wurde planerisch nicht betrachtet”, bestätigen die LVB auf Nachfrage. “Lediglich zu einer Trasse über die Saalfelder Straße (Lückenschluss zwischen Karl-Heine- und Lützner Straße) hat es Anfang der 2000er Jahre schon einmal eine Machbarkeitsuntersuchung (noch keine Nutzen-Kosten-Untersuchung) von der Stadt Leipzig gegeben. Die Trasse über die Saalfelder Straße wurde 2007 als Vorbehaltstrasse in den Nahverkehrsplan aufgenommen.”

Damals wurde auch schon mal kurz überlegt, die Linie 15 dann über die Saalfelder Straße auf die Strecke der Linie 14 zu schicken.

Das ist heute natürlich kein Thema mehr, denn rechts und links der Lützner Straße, wo die 15 verkehrt, liegen einige der stärksten Wachstumsgebiete der Stadt. Die Überlegung, die Linie 14 nach und nach wieder zu einer vollwertigen Linie mit 10-Minuten-Takt zu machen und auch über eine Fortsetzung in die Spinnereistraße nachzudenken, liegt also nahe.

Ein Problem könnte die Bahnunterführung beim Übergang von der Karl-Heine-Straße zur Saalfelder Straße sein. Würde die Bahnbrücke vor der Saarländer Straße ein Problem darstellen?

“Die Eisenbahnunterführung würde in der jetzigen Form einer Trassierung entgegenstehen und müsste baulich angepasst werden”, bestätigen die LVB. Da die Chance, die Brücke im Lauf des Neubaus der S-Bahn-Station höher zu legen, vertan wurde, würde man wohl die Straße unter der Brücke tieferlegen müssen.

Die L-IZ hat natürlich auch nach möglichen Kosten für eine neue Gleistrasse und nach möglichen Trassenverläufen gefragt. Eigentlich eine Frage, die man von den Stadtplanern, vom Kulturdezernat und den so euphorischen Stadtratsfraktionen auch erwartet hätte, bevor überhaupt eine Grundsatzentscheidung zum Naturkundemuseum getroffen wird. Aber man hat augenscheinlich nicht mal einen kleinen Arbeitsauftrag an die LVB ausgereicht. Und so hat man die Verlagerung des Museums beschlossen, ohne zu wissen, mit welchem Kostenaufwand eventuell eine stabile ÖPNV-Verbindung zur Spinnerei geschaffen werden könnte.

Vielleicht werden ja die Pläne zur Saalfelder Straße wieder herausgeholt, wenn man sich den SPD-Vorschlag zu Herzen nimmt. Dann könnte zwar irgendwo in der Gleiskurve von der Karl-Heine-Straße in die Saalfelder auch eine Haltestelle “Baumwollspinnerei” eingerichtet werden. Aber bis zur Halle 7 wären dann immer noch 300 Meter Fußweg. Optimal wäre das für das Museum nicht.

Der Beschluss formuliert zwar nur eine direkte Innenstadt-Anbindung mit dem ÖPNV – aber es gibt keine Buslinien, die diese Verbindung herstellen. Technisch kommen nur die erwähnten Straßenbahnlinien in Betracht. Und ob die Stadt jetzt den Grünen-Antrag zur Linie 14 wenigstens mal zu einem Prüfauftrag für die LVB macht, ist offen.

Und dann wäre es nur logisch, das ganze Gebiet mitzubedenken. Zum Beispiel auch die Straßenbahnanbindung für das Neubaugebiet am Lindenauer Hafen. Aus Sicht der LVB durchaus möglich – aber nicht mit der Linie 14, sondern als Abzweig von der Lützner Straße durch die Plautstraße. Was natürlich die nächste Frage aufwirft: Kann das Mischgebiet rund um die Plautstraße generell zu einem stärker durch Wohnbebauung geprägten Gebiet gemacht werden, damit sich hier eine Straßenbahnverbindung lohnt? Es könnte ein wichtiges Zukunftsprojekt werden.

Dasselbe gilt auch für das Gebiet an der Spinnereistraße. Denn allein die Existenz von Ateliers, Theatern und einem Naturkundemuseum sorgt nicht dafür, dass sich eine Straßenbahnverbindung rechnet. Mit den Worten der LVB: “In erster Linie muss ein ausreichendes Fahrgastpotenzial bestehen.”

Und das generiert man nicht mit ein paar Kulturleuchttürmen, sondern mit deutlich verdichteter Wohnbebauung. Denn wenn das Fahrgastpotenzial zu gering ist, muss so eine Linie dann mit Zuschüssen am Leben erhalten werden. Das freilich können die LVB noch nicht beziffern. Es gab ja noch keinen Auftrag, das mal durchzurechnen.

Und dasselbe trifft auf die Variante zu, die Spinnerei künftig eventuell mit einer Buslinie zu erschließen. Aber auch dafür gibt es keine Pläne und auch keinen Prüfungsauftrag. Nur eine kleine Verschiebung der Endhaltestelle für den Bus Nr. 60 haben die LVB auf dem Schirm: “Es gibt eine Planung, die Bushaltestellen der Linie 60 vom Plagwitzer Bahnhofsvorplatz direkt an die neuen Zugänge zum S-Bahnhof Plagwitz zu verlegen. Vom neuen Standort aus würden sich die Wege zur Baumwollspinnerei um ca. 200 Meter verkürzen.”

Und egal, welche Variante gewählt wird: Es wird zusätzliches Geld kosten.

Im Idealfall entwickelt die Verwaltung gleich einen kompletten neuen Bebauungsplan für das gesamte Gebiet um Spinnereistraße und Saarländer Straße, um es mit Wohnbebauung zu verdichten. Dann würde sich wahrscheinlich der Bau einer Straßenbahntrasse lohnen.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Es gibt 2 Kommentare

Nach dem ganzen Desaster, zuletzt gezeichnet durch den uninteressierten Stadtrat, mutmaße ich, diese Entscheidung wird dem Naturkundemuseum den Todesstoß versetzen.
Ich glaube an keine Direktverbindung dorthin, das wird maximal nur eine angekoppelte Busverbindung, also aufwendig.
Zudem ist das NKM durch eine fehlende Führung bereits stark in Rückstand geraten.
Herzlichen Glückwunsch an die Entscheidungsträger –
leider wird man solch einen Rückschritt nicht ahnden.

Rentabilititätsgeschwafel, Verkomplizierungsalgorithmen, Ämterunfähigkeit und Machtgehabe und Mutlosigkeit sorgen heutzutage dafür, dass einmal aufwendig Erreichtes zu Grabe getragen wird.
Wenn ich höre, Deutschland stünde sooo gut da, dann frage ich mich – auf welchem Gebiet?
Was ich zurzeit erlebe, ist Rückschritt und Einfallslosigkeit pur.
Äußerst deprimierend.

Die LVB lügen wieder mal mit der halben Wahrheit: die Verlängerung in die Spinnereistraße wurde nicht nur nicht planerisch betrachtet, vielmehr wurde bis zum mittlerweile schon legendär zu nennenden Kulturtram-Beschluss des Stadtrats planerisch erwogen, die 14 komplett stillzulegen.

Und nun zum NV-Anschluss:
– die nötige Infrastruktur für die Spinnerei-14 muss irgendwo installiert werden… wo soll z.B. eine Wendeschleife hinkommen? Wenn, dann hilft doch nur der bekannte Lückenschluss

– Wenn, dann hätte ein Westausgang vom S-Bf Plagwitz mehr Sinn

– aber es kommt eh nur die Minimallösung: nichts machen. Denn mit der S-Bahn kommt man auch zum Museum, bis zum Tor der Spinnerei sind es vom Bahnsteig Ri. Zeitz nur noch ca. 300 m.

Schreiben Sie einen Kommentar