Das Ringen mit der Leipziger Verwaltung kann manchmal ganz schön zäh und aufreibend sein, gerade dann, wenn sich die Ämter schon innerlich auf das „übliche Verfahren“ eingestimmt haben und dann logischerweise mit langen Erklärungen reagieren, wenn solche „Verrückten“ wie Initiative Kantatenweg sich eine andere Entwicklung zum Beispiel im alten Ortskern von Kleinzschocher wünschen.

Seit einem Jahr ging das hin und her, sollte anfangs die bunt zusammengewürfelte Initiative die städtische Haltung akzeptieren, dass sich hier die Bürger nicht einmischen könnten. Das alte Gut mit den wenigen erhaltenen Gebäuden gehört der städtischen LWB. Die sei als Bauherrin gar nicht verpflichtet, auch noch Wünsche für die Soziokultur im Ortsteil zu erfüllen.

Aber da hatte die Verwaltung nicht mit der guten Vernetzung der Initiative gerechnet, die eine ganze Reihe Stadträtinnen und Stadträte aus verschiedenen Fraktionen für ihr Anliegen erwärmen konnte. Die stellten dann auch zusammen den Antrag, das Anliegen der Initiative aufzunehmen.

Der kam dann – in noch einmal überarbeiteter Form – in der vergangenen Woche in der Ratsversammlung zur Abstimmung und wurde zum Beschluss.

Eine Bürgerbeteiligung zur Gestaltung des Kantatenweg 31 mit dem historischen Schösserhaus und der zwei weiteren Neubauflächen der LWB in Kleinzschocher wird jetzt tatsächlich im zweiten Halbjahr 2019 durchgeführt. Darauf folgend soll die Verwaltung dann mit der LWB aushandeln, wie die Bedürfnisse des Stadtteils mit den gesamtstädtischen Zielen in Einklang gebracht werden. Das Verfahren bereitet einen Bebauungsplan vor. Die Initiative erhofft sich ein schnelles und sachliches Verfahren.

Nur noch das Schild am Tor verweist auf den Aufführungsort von Bachs Bauernkantate. Foto: Ralf Julke
Nur noch das Schild am Tor verweist auf den Aufführungsort von Bachs Bauernkantate. Foto: Ralf Julke

„Wir begrüßen, dass der Stadtrat mit der Bürgerbeteiligung die von uns eingebrachten Themen und vorliegenden Konzepte für dringend benötigte, soziale Einrichtungen und eine soziokulturelle und gastronomische Nutzung wertschätzt“, freut sich jetzt Christiane Winkler, Sprecherin der Initiative, über den Stadtratsbeschluss.

„Die öffentliche Rückmeldung der Ergebnisse der Bürgerbeteiligung und der anschließenden Verhandlungen geben dem Verfahren einen übersichtlichen und nachvollziehbaren Rahmen. Ziel der Bürgerbeteiligung muss es sein, zusammen mit den Bürgern vor Ort und der LWB eine kooperative Planung zu gestalten.“

Auf dem Gelände im Kantatenweg 31 befindet sich mit dem Schösserhaus das älteste Gebäude in Kleinzschocher. Es ist das letzte, noch bestehende Gebäude des ehemaligen Schloss und Gut Kleinzschocher. Das Gebäude befindet sich im Eigentum der LWB und verfällt seit den 1990er Jahren. Eine Tafel am Torweg erinnert daran, dass auf dem einstigen Gut Kleinzschocher Johann Sebastian Bachs Bauernkantate uraufgeführt wurde.

„Eine zügige, das historische Schösserhaus schonende Entwicklung der Brachen in Kleinzschocher ist uns ein sehr wichtiges Anliegen“, betont Christiane Winkler. „Es gilt nun, gute Lösungen im Sinne einer gemeinwohlorientierten Stadtentwicklung zu finden. Die politische Verantwortung dafür sehen wir beim Stadtrat, welcher den Bebauungsplan letztlich beschließt. Wichtig ist die Ergebnisse des Verfahrens dann auch zügig umzusetzen.“

Angefangen hatte der Kampf um diese Perspektive im Mai 2018. Damals legte die Initiative Kantatenweg ihr Konzept für den Erhalt des Schösserhauses als historisches Baudenkmal vor. Darin wird eine am Gemeinwohl orientierte Bebauung des gesamten Grundstücks vorgeschlagen. Sollte die LWB dies nicht leisten können, bot die Initiative an, es als Pächter selbst zu realisieren. Die Reaktion der LWB war aus Sicht der Initiative jedoch enttäuschend. Im Nachgang dessen kam es zu mehreren Stadtratsanfragen im Herbst 2018. Im Februar 2019 wurde dann der gemeinsame Antrag von Linke, Grüne, SPD und CDU eingebracht. Dieser wurde nun mit einer breiten, parteiübergreifenden Mehrheit in abgewandelter Form im Juni 2019 beschlossen.

Sieben StadträtInnen bringen das Schösserhaus wieder auf die Tagesordnung des Stadtrats

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