Am 29. August veröffentlichte die „Süddeutsche“ ein Interview mit Lutz Fähser, dem Mann, der im Lübecker Stadtwald die nachhaltige Waldbewirtschaftung eingeführt hat: „Die Schwächung der Wälder fliegt gerade auf“. Denn während die deutschen Forstplantagen hektarweise Opfer von Stürmen, Trockenheit und Borkenkäfer werden, sind die nachhaltig behandelten Stadtwälder wie in Lübeck stabil. Und was Fähser im Interview sagt, betrifft auch Leipzig.

Just jenes Leipzig, in dem sich selbst die Umweltverbände zerstreiten, weil die einen trotz besseren Wissens immer noch die forstwirtschaftliche Bewirtschaftung des Leipziger Auenwaldes unterstützen, obwohl alle Erfahrungen der jüngeren Zeit zeigen, dass forstwirtschaftliche Methoden die Wälder schwächen und neue Baumplantagen überhaupt nichts mit stabilen, sich selbst regulierenden Wäldern zu tun haben.

Dass das so ist, hat mit der mittlerweile belastenden Symbiose von Politik und Forstwirtschaft zu tun.

Lutz Fähser wird in seinem Interview sehr deutlich: „In Deutschland herrscht eine Lobby aus Forstbeamten und Waldbesitzern, die den Wald primär als ausbeutbares Wirtschaftsgut betrachtet. Wie einen Acker. Doch jetzt hat der Klimawandel ernst gemacht, schnellwachsendes Nadelholz wie Fichte und Kiefer ist hierzulande in tieferen Lagen nicht heimisch und sowohl der Hitze wie anschließend dem Borkenkäfer schutzlos ausgeliefert.“

Der Leipziger Auenwald hat die beiden Trockenjahre 2018/2019 vor allem deshalb relativ gut verkraftet, weil er aus einem Laubwald besteht, der sich aus lauter einheimischen Baumarten zusammensetzt, der sich sogar an die seit 100 Jahren drastisch veränderten Wasserverhältnisse angepasst hat. Doch gerade die Methoden, mit denen der Forstwirtschaftsplan umgesetzt werden soll, sorgen dafür, dass er an wichtigen Stellen geschwächt wird.

Die freigeschlagenen Femellöcher im Waldgebiet Die Nonne sind das beste Beispiel dafür: Ein gesunder Baumbestand wurde ausgeschlagen, stattdessen stehen hunderte Setzlinge in der brütenden Hitze, haben keinen Lichtschutz, nur jährliche forstwirtschaftliche Eingriffe können überhaupt verhindern, dass die Eichensetzlinge nicht überwuchert werden. Mit einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung hat das nichts zu tun.

Im Lübecker Stadtwald. Foto: NuKLA e.V.
Im Lübecker Stadtwald. Foto: NuKLA e.V.

Viel eher ist es der Import der so fatalen Plantagenwirtschaft aus den riesigen Nadelholz-Nutzwäldern mitten hinein in ein artenreiches Naturschutzgebiet.

„Man muss erkennen, dass das aktuelle Absterben vieler Bäume wesentlich an einer naturfernen Holzwirtschaft ohne ausreichende Rücksicht auf ökologische Grundlagen liegt“, geht Fähser im „Süddeutsche“-Interview auf die sichtbare Entfremdung zwischen rücksichtsloser Forstwirtschaft und dem modernen Wissen um die Biodiversität der Wälder ein.

„Der Wald passt sich seit Millionen Jahren an sich verändernde Bedingungen an und ist nie verschwunden, deshalb sollte man sich zu einer streng naturorientierten Waldbehandlung mit vornehmlich heimischen Laubwäldern bekennen. Das beinhaltet die Abkehr von den üblichen Baumplantagen, stattdessen sollte man eine viel dichtere Pflanzenwelt zulassen.“

Also auch das, was als Prozessschutz gemeint ist: das Zulassen natürlicher Waldprozesse ohne immer neue menschliche Eingriffe. Denn Wälder wachsen von allein. Sie stellen auch ganz von allein die ihnen gemäße Artenvielfalt und Zusammensetzung der Gehölze her, klima- und standortangepasst. Das kann man nicht künstlich imitieren.

Aber wer diese Frage stellt, stellt natürlich die Arbeit der Förster infrage, die mit ihren Planungen auch die Existenz ihrer Stellen zu legitimieren versuchen. So lernen sie es an den Forsthochschulen. Um Wälder nachhaltig zu hegen, müssten sie die Art ihres Denkens komplett umstellen. So, wie es die Lübecker Stadtförster getan haben.

Übrigens auch mit einem positiven wirtschaftlichen Ergebnis, wie Fähser betont: „Mehrere Studien haben gezeigt, dass wir auch betriebswirtschaftlich am besten abschneiden, der jährliche Reinertrag liegt zehn bis 20 Prozent höher als bei anderen Konzepten. Das liegt an einer massiven Reduktion der Kosten, weil bei uns die Natur die meiste Arbeit leistet. Wir holen zwar nur 50 Prozent der nachwachsenden Bäume aus dem Wald, doch erstens haben wir viel mehr Holz pro Hektar Wald und zweitens sind unsere Hölzer wertvoller. Inzwischen haben viele andere Kommunen wie München, Berlin oder Hannover unser Konzept übernommen.“

Nur Leipzig hat das Konzept noch nicht übernommen, weil bislang erst ein einziger Umweltverein Druck macht, den sensiblen Auenwald endlich aus der Forstbewirtschaftung zu nehmen und mit diesem Waldkleinod endlich so umzugehen wie die Lübecker mit ihrem Stadtwald. Was eben den Verzicht auf Forstwirtschaftspläne bedeutet, mit denen jedes Jahr 5.000, 8.000 und mehr Festmeter Holz aus dem Wald geschlagen werden. Mit einem enormen Aufwand übrigens nicht nur beim Ausholzen, wenn schwere Holzerntemaschinen den Boden zerfahren und riesige Lichtungen freilegen.

Auch die Nachpflege ist ungemein teuer, denn die neu angelegten Femel-Plantagen brauchen immer wieder massive Eingriffe, damit die gepflanzten Bäume nicht zugewachsen werden. Nachhaltige Wälder brauchen viel weniger Eingriffe und ihre Bewirtschaftung kostet darum viel weniger Geld – und trotzdem sind sie dichter, stabiler und liefern immer noch gesunde Bäume, die man – wie früher auch im Leipziger Auenwald – erst dann einzeln herausholt, wenn man sie schon zu einem guten Preis verkauft hat.

Und überfällig ist auch, dass Leipzig auch endlich die bis heute von Sachsenforst bewirtschafteten Waldstücke im Westen in eigene Regie nimmt. Denn aktuell ist es so, dass es für den Auenwald immer zwei Forstwirtschaftspläne gibt. Den der Leipziger Stadtforsten kann der Stadtrat immer noch ablehnen. Auf die selbst genehmigten Wirtschaftspläne von Sachsenforst aber hat die Stadt Leipzig keinen Einfluss.

Artenreiche Wälder funktionieren besser und sind widerstandsfähiger gegen Stress

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