Wer in Leipzig Lokalpolitik machen will, der braucht einen ganz langen Atem, muss immer wieder nachhaken und nachfragen und Anträge stellen. Oft dauert es Jahre, bis die Verwaltung positiv reagiert. So ist es auch mit dem Wunsch, die Situation für Fußgänger und Radfahrer vorm Rewe-Markt am Connewitzer Kreuz endlich zu entschärfen. Die Linksfraktion wagte im Januar den jüngsten Vorstoß. Da war an Corona-Lockdown und noch mehr Radfahrer gar nicht zu denken. Jetzt reagiert die Verwaltung – und auch noch positiv.

Auch wenn die Stellungnahme des Dezernats Stadtentwicklung und Bau auf den ersten Blick wie eine Ablehnung wirkt. Denn einer Straßenverkehrsbehörde kann ein Stadtrat nichts vorschreiben. So seltsam das klingt. Was die Ratsfraktionen immer dann merken, wenn sie eigentlich ganz sinnvolle Veränderungen in der Leipziger Verkehrsregelung beantragen – man denke nur an die Anlage von Radstreifen in der Inneren Jahnallee.

Aber die Verwaltung reagiert jetzt endlich. Halt auf ihre Weise.

„Der ursprüngliche Beschlussantrag wäre rechtswidrig“, betont das Verkehrsdezernat in seiner Stellungnahme. „Die Anordnung von Radfahrstreifen erfolgt auf Grundlage der bundeseinheitlich geltenden Straßenverkehrs-Ordnung (StVO). Die Ausführung dieser Verordnung obliegt den Straßenverkehrsbehörden als Pflichtaufgabe nach Weisung im übertragenen Wirkungskreis und unterliegt der Fachaufsicht der oberen Straßenverkehrsbehörde. Somit ist die StVO kein Mittel der kommunalen Selbstverwaltung. Die Gemeinde ist insoweit in ihrer Entscheidungskompetenz eingeschränkt. Eine Anweisung des Amtes durch einen Stadtratsbeschluss ist daher nicht möglich und wäre rechtswidrig. Deshalb wird vorgeschlagen, einen Prüfauftrag an die Verwaltung zu beschließen.“

Das verzögert die Sache natürlich. Das Verkehrsdezernat listet erst einmal alles auf, was die Sache aus Sicht der Straßenverkehrsbehörde verkompliziert:

„Bei der Prüfung der Anlage von Radfahrstreifen im betroffenen Abschnitt der Karl-Liebknecht-Straße sind komplexe Umfeldbedingungen zu beachten und umfangreiche Abstimmungen zu führen. Sie kann deshalb erst Ende des 2. Halbjahres abgeschlossen werden.

Die Lichtsignalanlage Connewitzer Kreuz signalisiert einen dreiarmigen Knotenpunkt, der ein hohes Aufkommen aller Verkehrsarten aufweist. Neben einem hohem Kfz-, Fußgänger- und Radverkehrsaufkommen verkehren am Knotenpunkt zusätzlich noch drei Straßenbahn- und drei Buslinien.

In der südlichen Zufahrt Karl-Liebknecht-Straße sind eine Geradeaus-/Rechtsabbiegespur, eine Geradeausspur und ein Radfahrstreifen angeordnet. In der nördlichen Abfahrt der Karl-Liebknecht-Straße zwischen Arno-Nitzsche-Straße und Scheffelstraße verflechten die beiden Fahrspuren auf eine Fahrspur, während der Radverkehr auf den nicht benutzungspflichtigen Radweg geführt wird. Alternativ hat der Radverkehr die Möglichkeit sich unter Beachtung des Kfz-Verkehrs in den fließenden Verkehr einzuordnen und auf der Fahrbahn zu verbleiben. Nördlich der Scheffelstraße ist ebenfalls ein nicht benutzungspflichtiger Radweg vorhanden, der in einen Radfahrstreifen übergeht.“

Und das Eingeständnis, das Umweltvereine und Ratsfraktionen hier seit Jahren erwarten: „Die Defizite an der Radverkehrsanlage zwischen Arno-Nitzsche-Straße und Scheffelstraße bezüglich zu geringer Breite und der Konflikte mit den Fußgängern sind der Verwaltung bekannt. Zur Lösung des Problems wurden bereits mehrere Planungsansätze (u. a. auch die Reduzierung auf eine Geradeausspur und die Anlage eines Radfahrstreifens) geprüft. Die Reduzierung auf eine Geradeausspur ist aus Gründen der Leistungsfähigkeit nicht möglich (über 600 Kfz/h in den Spitzenstunden).

Bereits jetzt ist häufig eine Überstauung der Einmündung der Bornaischen Straße zu beobachten. Dies führt bereits zu erheblichen Konflikten sowie einer Reduzierung der Verkehrssicherheit. Die Geradeaus-/Rechtsabbiegespur wird insbesondere von den Fahrzeugführern aus der Bornaischen Straße zur Einordnung in den Verkehr im Zuge der Karl-Liebknecht-Straße benötigt. Bei nur einer Geradeausspur würde sich sowohl der Rückstau in der Bornaischen Straße als auch in der Wolfgang-Heinze-Straße stark erhöhen. Die Einordnung von Radverkehrsanlagen im Bestand ist somit nicht möglich.“

Also doch eine Absage?

Zumindest erst mal eine halbe. Denn in Wirklichkeit hat die Verwaltung ja schon seit 2012 einen Arbeitsauftrag.

Das gesteht auch das Verkehrsdezernat zu: „Dessen ungeachtet wurde schon vor einigen Jahren durch die Straßenverkehrsbehörde die Radwegbenutzungspflicht vor dem Rewe-Markt am Connewitzer Kreuz aufgehoben. Allerdings ergeben sich für die ab der Arno-Nitzsche-Straße im Mischverkehr fahrenden Radfahrer aufgrund der baulichen Engstelle in Höhe der Scheffelstraße Konflikte mit dem Kfz-Verkehr. Bereits 2017 wurde mit der Antwort zur Anfrage VI-EF-04392-VSP-01 eine bauliche Änderung der Radverkehrsführung in Aussicht gestellt.“

Hier ging es um eine Einwohneranfrage, die auf einen SPD-Antrag zum Thema aus dem Jahr 2012 und den folgenden Beschluss im Stadtrat Bezug nahm. Und tatsächlich soll jetzt endlich wenigstens in diesem Abschnitt etwas passieren, wo eine fette Litfaßsäule allen Verkehrsteilnehmern die Sicht nimmt.

Das Verkehrsdezernat: „Zunächst soll als notwendige Maßnahme nördlich der Scheffelstraße ein Radfahrstreifen angeordnet werden. Hierfür muss die Gehwegnase zurückgebaut und die Litfaßsäule versetzt werden. Weiterhin wird der vorhandene nicht mehr benutzungspflichtige Radweg vor dem Einkaufsmarkt zurückgebaut und damit der Bestandsgehweg verbreitert. Mit der Vorplanung wird in 2020 begonnen. Die Kosten sind erst im Laufe der Planung zu ermitteln. Ein entsprechender Bau- und Finanzierungsbeschluss wird zu gegebener Zeit gestellt. In diesem Zusammenhang soll auch geprüft werden, welche Maßnahmen erforderlich sind, um eine durchgängige Radverkehrsführung mittels Radfahrstreifen einordnen zu können.“

Was natürlich wieder eine halbe Ausrede ist, denn wenn der Radweg auf dem Fußweg zurückgebaut wird, ist die Schaffung eines Radstreifens auf der Fahrbahn eigentlich zwangsläufig, erst recht, wenn die Radfahrer hinter der Scheffelstraße sowieso gleich auf die Fahrbahn sollen.

Aber wenn selbst das schon acht Jahre gebraucht hat, werden Leipzigs todesmutige Radfahrer/-innen auch noch ein paar Jahre länger Slalom fahren können. Denn wann wirklich umgebaut wird, ist noch völlig offen: „Mit der Vorplanung wird in 2020 begonnen. Ein Realisierungszeitpunkt der Maßnahmen kann derzeit noch nicht benannt werden.“

Ökolöwe fordert: Radfahrstreifen am Connewitzer Kreuz – jetzt!

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Es gibt 2 Kommentare

Die Radverkehrsführung ist schon seit 2 Wochen geändert. Es gibt nun eine Furt auf die Fahrbahn und vor der Kreuzung ist aus der Geradeaus/Rechtsabbiegespur eine reine Rechtsabbiegespur geworden.
Das Problem ist hier auch nicht die Straßenverkehrsbehörde, sondern der Baulastträger. Der Radfahrstreifen passt nördlich der Scheffelstraße nicht an der Litfaßsäule vorbei. Hierzu muss der Bord versetzt werden und das kann die Straßenverkehrsbehörde nicht. Die Straßenverkehrsbehörde kann nur Schilder und Markierungen und den Teil hat sie gemacht. Die Benutzungspflicht für den Radweg existiert schon seit mehr als 10 Jahren nicht mehr.

Verständlich ist, dass sich die Verwaltung als ausführendes Organ an die STVO halten muss.

Interessieren würde mich allerdings, ob es eine Priorisierung der Verkehrsarten gibt.
Die Argumentation, zu hoher KfZ-Verkehr mit über 600KfZ/h, mag sein.
Aber wie verhält es sich, würde mal jemand die Radfahrer quantifizieren? Oder Fußgänger?

Wäre dann vielleicht für die Autofahrer eben nur eine Spur übrig, weil es dort > xxx Radfahrer/h gibt?
Vielleicht ist der KfZ-Verkehr dort schon viel zu lange übervorteilt worden?

Das der MIV als Messlatte gilt und damit andere Verkehrsarten, die trotz Behinderung sogar eine steigende Tendenz aufweisen, benachteiligt werden, sollte ja eigentlich nicht sein.

Oder?

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