Am Donnerstag, 12. November, wurde in der Ratsversammlung auch entschieden, wie es jetzt mit dem Matthäikirchhof weitergehen soll. Grundlage dafür ist ein Positionspapier der Verwaltung, was hier künftig alles Platz finden könnte. Und was verschwinden darf. Und dass ein Großteil der alten Stasi-Bauten wieder verschwindet, da war sich der Stadtrat auch ohne große Betonung ziemlich einig.

Ein paar Differenzen tauchten nur auf, was die möglichen Vorfestlegungen betrifft. Das sprach zum Beispiel auch Franziska Riekewald für die Linksfraktion an, die auf die völlig missglückte Bürgerbeteiligung zur Öffnung des Pleißemühlgrabens vor der Hauptfeuerwache zu sprechen kam. So etwas dürfe hier nicht noch einmal passieren.

Trotzdem hegte die Linksfraktion den Wunsch, auf dem Matthäikirchhof deutlich mehr Wohnbebauung unterzubringen, als die Stadtverwaltung sich in ihrem Positionspapier gedacht hat.

Welchen Rahmen setzt das Positionspapier?

Eigentlich könnten die kompletten in den 1980er Jahren gebauten hässlichen Gebäude der einstigen MfS-Bezirksverwaltung weg. Katharina Krefft, die für die Grünen sprach, nannte das Ortserlebnis ein Bild von „abgewrackter brauner Hässlichkeit“. Weder aus Denkmalschutzsicht noch aus Belangen architektonischer Schönheit ist von diesen Betonbauten irgendetwas bewahrenswert. Vielleicht bis auf ein paar Bauelemente, wie das Positionspapier formuliert.

„Die Bauten der Staatssicherheit und der Volkspolizei aus den 1980er Jahren wurden nur wenige Jahre genutzt. Zwischen ihrer tatsächlichen historischen Bedeutung und ihrer städtebaulichen Dominanz besteht ein auffälliger Widerspruch. Die bestehenden Gebäude haben derzeit eine erhebliche Barrierewirkung und sind gegen die Stadt abgeschottet. Dies wird städtebaulich negativ bewertet“, kann man da lesen.

„Dennoch bestehen unterschiedliche Sichtweisen auf den Umgang mit dem Gebäudebestand. Der weitgehende oder vollständige Abriss des aus den 1980er Jahren stammenden Bestandes findet ebenso Befürworter/-innen wie ein Erhalt und eine Sanierung der Bausubstanz. Inwieweit sich die Geschichte der Staatssicherheit ausreichend an anderen Orten auf dem Gesamtgelände widerspiegelt und ob ein zeitgemäßer Umgang mit der Geschichte durch das geplante ,Forum für Freiheit und Bürgerrechte‘ (Arbeitstitel) umgesetzt werden kann, muss Bestandteil der Öffentlichkeitsbeteiligung sein.

Geprüft werden soll jedoch auch die Möglichkeit, Gestaltungselemente der Bestandsgebäude aus den 1980er Jahren zu erhalten und in einen neuen Gebäudekomplex auf dem Gesamtareal zu integrieren. Diese Elemente sollten entsprechende Qualitäten für die zukünftige Nutzung bzw. einen besonderen erinnerungskulturellen Wert für diese mit sich bringen.“

Das ist schon ein deutliches Plädoyer für einen Abriss der völlig überproportionierten Gebäude und die Bewahrung lediglich einzelner Elemente.

Und das wird auch durch Kostenbetrachtungen gestützt: „Aufgrund des Bauzustandes ist davon auszugehen, dass eine Sanierung des Bestandes mindestens die gleichen Kosten wie ein Neubau nach sich zieht. Darüber hinaus bietet eine Umnutzung des Bestandes nicht die gleichen Nutzungsmöglichkeiten wie ein Neubau. Eine Entscheidung über den weiteren Umgang mit der Bausubstanz kann nach Offenlage der Fakten nur in intensiver Diskussion mit der Öffentlichkeit erfolgen. Die aktuell entlang der Großen Fleischergasse befindlichen städtischen Verwaltungseinheiten werden bei Bedarf entweder in das neue Bau- und Nutzungskonzept integriert oder in geeigneter Weise untergebracht.“

Was eben auch heißt: Leipzig täte gut daran, die hässlichen Bürobauten abzureißen und dort etwas zu bauen, was der künftigen Nutzung wirklich gute Räume bietet.Und das möglicherweise auch die alten Stadtstrukturen aus der Zeit bis 1900 aufnimmt, womit auch die Barrierewirkung zur Innenstadt wieder aufgehoben wird. Was CDU-Stadträtin Sabine Heymann besonders betonte: der Matthäikirchhof dürfe nicht nur zum Annex der Innenstadt werden, sondern ein richtiger Teil der Stadt. Der eben auch erlebbar werden muss.

Aufgang zum Matthäikirchhof mit Wagner-Denkmal. Foto: Ralf Julke
Aufgang zum Matthäikirchhof mit Wagner-Denkmal. Foto: Ralf Julke

Was das Positionspapier zur möglichen Nutzungen sagt

Ganz zentral und damit eben auch die wichtigste Vorfestlegung ist das geplante „Forum für Freiheit und Bürgerrechte“, das etwa 30 % der gesamten Grundstücksfläche (entsprechend Protokollnotiz Beschluss VI-DS-06745) einnehmen soll. Also doch recht dominant werden soll. In der zitierten Protokollnotiz heißt es zum Beispiel: „Die Stadtverwaltung strebt an, nicht mehr als 30 % Wohnanteil und maximal ein Drittel für das Forum planerisch vorzubereiten.“

Das heißt: Eigentlich hat der Stadtrat im Juni 2019 schon eine ganze Menge vorfestgelegt. Zumindest, was die Nutzung betrifft.

Woraus dann auch folgt: Wohnen soll maximal zwischen 20 bis 30 % der Bruttogeschossflächen im Bereich außerhalb des Forums einnehmen.

Was der Linksfraktion eindeutig zu wenig war, weshalb sie einen Änderungsantrag schrieb, den Wohnungsanteil im Matthäikirchhof deutlich zu erhöhen.

Denn es soll ja auch noch öffentliche bzw. öffentlich zugängliche Nutzungen für Bildung, Kultur, Wissenschaft usw. mit 40 % bis 50 % der Bruttogeschossflächen im Bereich außerhalb des Forums geben.

Als weitere Nutzungen wären z. B. ein „Inkubator für junge Start-Ups“, Gastronomie oder Co-Working auf etwa 10 bis 20 % der Bruttogeschossflächen (BGF) im Bereich außerhalb des Forums denkbar, schlägt das Positionspapier vor.

Was es nicht geben soll, sind weitere Kaufhäuser. Nur ja nicht noch mehr Shopping.

Dafür soll das Gelände zu 20 bis 40 % von Bebauung freigehalten werden, „um Platz für attraktive öffentliche Freiräume zu schaffen. Somit soll das Areal mit min. 60 bis max. 80 % bebaut werden“, so das Positionspapier.

Womit es schon eine ganze Menge Vorfestlegungen gibt, die auch Thomas Köhler aus der Freibeuter-Fraktion schon zu weit gingen. Erst recht, wenn gleich der Beschlusspunkt mitbeschlossen wird: „Der Stadtrat bestätigt die anteilige Aufteilung des Gesamtareals gemäß Positionspapier als Grundlage für die Öffentlichkeitsbeteiligung.“ Aber die Freibeuter wollten trotzdem zustimmen, betonte er.

Und noch mehr Festlegung steckt natürlich in Beschlusspunkt 3: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, die Raumprogramme für die vorgesehenen öffentlichen Einrichtungen gemeinsam mit der Aufgabenstellung für das städtebauliche Planungsverfahren dem Stadtrat vorzulegen.“

Denn welche öffentlichen Einrichtungen hier neben dem „Forum für Freiheit und Bürgerrechte“ Platz finden sollen, ist ja noch völlig offen. Bleiben Teile der Stadtverwaltung in dem Areal oder kommen sie endgültig woanders unter? Und was lässt sich eigentlich zum „Forum für Freiheit und Bürgerrechte“ planen, solange nicht klar ist, wer hier alles Räumlichkeiten bekommen soll?

Denn irgendein Amt in der Verwaltung wollte unbedingt auch noch seinen Spezialwunsch untergebracht haben: „Abweichend vom oben vorgeschlagenen Nutzungsprofil muss auch die Möglichkeit der Ansiedlung einer nationalen oder internationalen Konzernzentrale für die Entwicklung des Areals und der Stadt im Beteiligungsprozess diskutiert werden“, kann man im Positionspapier lesen.

Was dann auch noch all die anderen offenen Ideen aus den Leipziger Ämtern nach sich zog: „Die Stadt Leipzig hat ein Interesse, öffentliche Nutzungen neben dem Schulmuseum (Saalbau) entsprechend dem Leitthema ,Ort der gelebten Demokratie‘ auf dem Areal unterzubringen. Zu prüfen ist, ob die Musikschule, die Volkshochschule, die Briefwahlstelle inklusive Wahllager, ein Haus der Jugend (Arbeitstitel), ein internationales Haus (Arbeitstitel), ein Haus der Demokratieforschung (Arbeitstitel) und ein Haus der Vereine/Haus des Engagements (Arbeitstitel) auf dem Areal in Zukunft Platzfinden können (…). Flexibel nutzbare Gebäude sollen es ermöglichen, in der Zukunft auf unterschiedliche Nutzungsideen und -bedarfe reagieren zu können.“

Und dann eben auch noch: „Die aktuell an der Großen Fleischergasse befindlichen städtischen Verwaltungseinheiten werden bei Bedarf entweder in das neue Bau- und Nutzungskonzept integriert oder in geeigneter Weise untergebracht.“ Und das alles soll bis 2023 geklärt sein.

Da hätte man eigentlich von der so emsig weihnachtswünschenden Verwaltung erwartet, dass sie überhaupt erst einmal klärt, wer hier wirklich alles Platz braucht. Und welche dieser Ideen nichts als eine flotte Kaffeeidee ist nach dem Motto: Mir fällt da auch noch was ein.

Da war der Vorstoß der Linksfraktion zu mehr Wohnraum wesentlich irdischer und konkreter, auch wenn er mit 17:42 Stimmen abgelehnt wurde.

Ebenso wie der Antrag der AfD-Fraktion, der mit 15:42 Stimmen abgelehnt wurde.

Das heißt: Das Positionspapier der Verwaltung ist jetzt die Grundlage für die Bürgerbeteiligung. Bis auf die AfD-Fraktion stimmten dem alle Fraktionen zu. Ergebnis: 50:10 Stimmen.

Video: Livestream der Stadt Leipzig

Burkhard Jungs Leipziger Arbeitsprogramm 2023: Naturkundemuseum, Forum Recht, Kohleausstieg, Parkbogen Ost …

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