Am Ende ging es doch etwas durcheinander, weil Abstimmungen mit der Online-Ratsversammlung so umständlich sind, dass auch OBM Burkhard Jung öfter einmal durcheinanderkommt. Und so recht klar ist am Ende nicht, ob es nicht doch besser gewesen wäre, den wichtigsten Beschlusspunkt zur Ostwache namentlich abzustimmen. Der Ostwache e. V. jedenfalls ist zutiefst enttäuscht.

Denn seit fünf Jahren ackert er um den Erhalt der alten Feuerwache und deren Umnutzung zu einem attraktiven Kulturzentrum im Leipziger Osten. Und eigentlich war die Vorlage der Grünen, für das Objekt eine direkte Konzeptvergabe zu machen, genau das, worauf da hingearbeitet wurde.Doch in der Video-Ratsversammlung gab es dann – vorgebracht von Thomas Köhler aus der Freibeuter-Fraktion – die unverhoffte Bitte um Einzelabstimmung genau dieses vierten Punktes in der Grünen-Vorlage: „Direkte Vergabe des für das Nachbarschaftszentrum vorgesehenen Geländes sowie der zugehörigen Gebäude der Alten Feuerwache Ost in Erbbaurecht an den OSTWACHE Leipzig e. V. bis II. Quartal 2021. Dabei ist abgestimmt mit dem vorliegenden Nutzungskonzept ein abgesenkter Erbbauzins zu vereinbaren.“

Zuvor war ein Änderungsantrag der CDU-Fraktion, der noch andere Anbieter für die Nutzung des Gebäudes ins Gespräch bringen wollte, mit 24:41 Stimmen abgelehnt worden.

Und es stand durchaus die Frage: Welcher zweite und dritte Anbieter hätte das sein sollen? So viele aktive Vereine, die sich um die Revitalisierung markanter städtischer Liegenschaften bemühen, gibt es nicht. Auf jeden Fall nicht mehr als eben solche Liegenschaften. Das Kino der Jugend in der Eisenbahnstraße ist so ein typisches Beispiel.

Doch es kam, wie nicht wirklich erwartet. Während der eigentliche Antrag der Grünen ein klares Votum von 44:23 Stimmen bekam, fiel ausgerechnet der extra abgestimmte Punkt 4 mit 28:35 Stimmen durch.

Die Direktvergabe der alten Feuerwache Ost an den OSTWACHE Leipzig e. V. wurde damit vom Stadtrat abgelehnt.

„Das Projekt arbeitet seit fünf Jahren im Stadtteil und wird dadurch ein großes Stück zurückgeworfen. Zwar freuen wir uns über positive Stimmen aus dem Stadtrat, sind jedoch ernüchtert über den Umgang mir bürgerschaftlichem Engagement, was seitens der Stadt doch so oft gefordert wird“, kommentiert der Ostwache e.V. diesen frustrierenden Vorgang.

Der Ostwache Leipzig e. V. hat diese Sitzung aufmerksam verfolgt.

„Als Zusammenschluss engagierter Menschen aus dem Leipziger Osten sind wir seit 2015 dabei ein Konzept für ein Nachbarschaftszentrum in der ehemaligen Feuerwache zu entwickeln. Das Konzept steht und es gibt eine Liste von über 70 Interessent/-innen für eine Nutzung“, sagte Lina Hurlin aus dem Vorstand des Vereins nach der Abstimmung.

Geplant ist ein Ort der Begegnung, an dem Veranstaltungen, Vereine, Beratungsstellen, günstige Probe- und Atelierräume aber auch kleines Gewerbe Platz finden soll. Niedrigschwellige Angebote für Menschen verschiedenen Alters sind geplant. Seit Jahren macht der Verein soziokulturelle Arbeit für jung und alt in Anger-Crottendorf, die an verschiedenen Stellen mit städtischen Mitteln gefördert wird und wurde.

Die Bewilligung einer Zwischennutzung durch den Verein für den Gebäudekomplex ist für den Verein schon einmal ein Schritt in die richtige Richtung. Auch dass nun finanzielle Mittel zur Instandhaltung des Gebäudes genutzt werden können und ein Gesamtkonzept für die geplante Grundschule, die Ostwache und den vorgelagerten Platz entwickelt werden soll, kommt der Entwicklung des Stadtteils zugute.

„Dennoch hinterlässt die getroffene Entscheidung bei uns auch ganz klar Enttäuschung“, so Hurlin weiter. Die anvisierte Übernahme des Gebäudes im Erbbaurecht hätte dem Verein und allen Interessierten für eine Nutzung Planungssicherheit gegeben. Nun bleibt erst einmal weiterhin unklar, wie eine langfristige Stadtteilarbeit im Gebäude der ehemaligen Feuerwache Ost aussehen soll.

„Wir hätten uns gewünscht, dass die Fraktionen und Mitglieder des Stadtrates unsere langjährige Arbeit auch mit diesem Beschluss würdigen und engagierten Ehrenamtlichen das nötige Vertrauen entgegenbringen, um ein solches Projekt zu stemmen. Wir werden natürlich unser Bestes geben das Projekt wie geplant umzusetzen, aber einfacher hat man es uns mit der heutigen Entscheidung voraussichtlich nicht gemacht“, sagt Hurlin. Es bleibt also spannend, wie sich das Nachbarschaftszentrum entwickelt und gesamtstädtische Ziele wie Kulturförderung, Bildungsarbeit und bürgerschaftliches Engagement weiter vorantreibt.

Die Debatte zu „Ostwache“ am 20. Januar 2021 im Stadtrat (digital)

Quelle: Livestream der Stadt Leipzig

Hinweis der Redaktion in eigener Sache

Seit der „Coronakrise“ haben wir unser Archiv für alle Leser geöffnet. Es gibt also seither auch für Nichtabonnenten unter anderem alle Artikel der L-IZ.de aus den letzten Jahren zusätzlich auf L-IZ.de über die tagesaktuellen Berichte hinaus ganz ohne Paywall zu entdecken.

Unterstützen Sie lokalen/regionalen Journalismus und so unsere tägliche Arbeit vor Ort in Leipzig. Mit dem Abschluss eines Freikäufer-Abonnements (zur Abonnentenseite) sichern Sie den täglichen, frei verfügbaren Zugang zu wichtigen Informationen in Leipzig und unsere Arbeit für Sie.

Vielen Dank dafür.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar