Manchmal kann Tempo auch ganz schön verwirren. Und auch Leipzigs Planer können Tempo machen, wenn sie nur wollen. Am Mittwoch, 28. April, führte das zu einer eigentlich gar nicht so banalen Diskussion, auch wenn FDP-Stadtrat Sven Morlok gleich mal das Wort Skandalisierung in den Mund nahm. Aber die Frage ist nur zu berechtigt: Wie teuer wird Leipzigs neues Naturkundemuseum nun wirklich?

Dass in der Debatte noch immer Zündstoff steckt, hat mit den Versuchen der Verwaltung in der Vergangenheit zu tun, die Kosten für das Naturkundemuseum möglichst kleinzurechnen. CDU-Stadtrat Karsten Albrecht brachte es auf den Punkt, als er in der Online-Ratsversammlung am Mittwoch, 28. April, kurz erwähnte, dass sogar mal von nur 5 Millionen Euro die Rede war.Und er hätte auch erwähnen können, dass der ebenso sehr eilig durchgepeitschte Stadtratsbeschluss, das Naturkundemuseum in einer alten Fabrikhalle auf dem Spinnereigelände unterzubringen, ebenfalls damit begründet wurde, die Kosten möglichst niedrig zu halten. Bis sich dann herausstellte, dass man die Statik der alten Halle nicht berücksichtigt hatte und eine Kostenexplosion zu erwarten gewesen wäre, die durchaus den Kosten ähnelte, die jetzt für den ehemaligen Bowlingtreff am Wilhelm-Leuschner-Platz aufgerufen werden.

Es war die Verwaltung selbst, die jahrelang den Eindruck bestärkte, man bekäme ein modernes Naturkundemuseum für einen Appel und ein Ei. So gesehen war es auch keine Überraschung, dass die städtischen Planer dann im Herbst 2020 schon mal eine grobe Kostenschätzung von 38,9 Millionen Euro für den Umbau des ehemaligen Bowlingtreffs zum Naturkundemuseum vorlegten. Mit dem Grundsatzbeschluss vom 14. Oktober 2020, mit dem sich der Stadtrat zum zweiten Mal zum Standort am Wilhelm-Leuschner-Platz bekannte, wurde auch gleich die Vorlage des Planungsbeschlusses fürs vierte Quartal 2021 avisiert.

Aber augenscheinlich bewegt sich in Leipzigs Verwaltung schon eine Menge mehr, seit der Stadtrat darauf drängt, immer mehr Planerinnen und Planer einzustellen. Der Planungsbeschluss lag jetzt sogar schon im April vor und stand am 28. April zum Beschluss im Stadtrat. In diesem Fall vielleicht wirklich um einen Zahn zu schnell, wie Linke-Stadträtin Mandy Gehrt monierte, die diese Eile von 1. und 2. Lesung durchaus als ein Durchpeitschen empfand.

Wirklich diskutiert wurde die Vorlage wohl nur im Fachausschuss Stadtentwicklung und Bau, wo man wohl die Kostenschätzung von 2020 noch einmal genauer unter die Lupe nahm. Das Ergebnis ist in der Vorlage nachlesbar. Denn hier wurde noch einmal der Kostenrahmen aus dem Jahr 2020 aufgeführt: „Eine Kostenberechnung für die Baumaßnahme kann erst mit Abschluss der Entwurfsplanung entsprechend der LP 3 vorgelegt werden. Mit der Machbarkeitsstudie wurde ein Kostenrahmen nach DIN 276 in Höhe von ca. 39 Mio. Euro ermittelt. Dieser Kostenrahmen basiert auf den Kennwerten des Jahres 2019. Mit Erstellung des Baubeschlusses werden die Kosten auf der Grundlage der Entwurfsplanung und der Auflagen der Baugenehmigung präzisiert.“

Aber darauf wollte man im Ausschuss Stadtentwicklung und Bau nicht warten, wie FDP-Stadtrat Sven Morlok in seinem Redebeitrag betonte. Denn da mit einem Baubeginn im Bowlingtreff erst 2025 gerechnet werden könne, wäre bis dahin zwingend mit Baukostensteigerungen zu rechnen, die er – nach den Erfahrungen der letzten Jahre – auf 3 Prozent im Jahr berechnete. Und bevor es dann 2025 wieder eine mediale Diskussion darüber gäbe, dass das Naturkundemuseum so viel teurer werde als geplant, wäre es nur zweckdienlich, jetzt schon mit einer realistischeren Kostengröße in die Öffentlichkeit zu gehen.

Ob das dann vor allem die Haustechnik von der Belüftungsanlage bis zur Sprinkleranlage betrifft, wie Karsten Albrecht anmerkte, wird sich herausstellen, wenn die Planungen vorliegen. Das soll jetzt bis 2023 passieren. Die Planungskosten allein belaufen sich auf 2 Millionen Euro.

Aber es steht auch der Satz im Beschluss, der Mandy Gehrt zu ihrer Frage gebracht hatte: „Für den Umbau des Bowlingtreffs sollen Fördermittel eingeworben werden. Ein Fördermittelantrag nach Strukturänderungsgesetz (Förderrichtlinie 1. RL – StEP Revier nach § 4 InvKG und Art. 104b GG in Sachsen) wurde bereits gestellt. In diesem Fördermittelantrag wurden für die Baumaßnahme Bowlingtreff Kosten in Höhe ca. 52,6 Mio. Euro angegeben. In diesen Kosten sind mögliche Kostensteigerungen bis zum Baubeginn im Jahr 2025 und Unsicherheiten, die sich aus der Kostenhöhe des Kostenrahmens ergeben können, berücksichtigt.“

Es wird in der Vorlage eben nur ganz kurz erklärt. Logisch, dass es dann im Fachausschuss Kultur einige Fragen dazu gab bzw. die dringende Bitte, diese Kostensteigerung in einem Extrablatt zu erläutern. Was das ehrgeizige Projekt am Ende wirklich kosten wird, werden wir 2023 frühestens erfahren, wenn das beauftragte Planungsbüro seine endgültigen Planungen vorlegt.

Wobei die in Aussicht gestellte Förderung von 90 Prozent aus den Strukturmitteln natürlich ganz andere Handlungsspielräume ergibt als die in den vergangenen 15 Jahren erfolglosen Versuche, das Naturkundemuseum irgendwie als Sparvariante unterzubringen. Denn Museumsdirektor Ronny Maik Leder will ja wirklich ein Naturkundemuseum schaffen, das weit über die Region hinausstrahlt.

Und bei diesen Kosten darf man auch nicht vergessen, dass das Magazin und die Labore im alten Bowlingtreff nicht mit unterkommen können, dass es also mindestens noch einen Außenstandort braucht, den die Planer 2020 immerhin noch einmal mit 16,2 Millionen Euro beziffert haben.

Aber da hat Sven Morlok nun einmal recht: Wenn Leipzig das Thema Naturkundemuseum wirklich so anpackt, dass am Ende ein Museum mit Strahlkraft herauskommt, muss man mit solchen realistischen Investitionssummen rechnen.

Dass Leipzig so ein modernes Museum bekommen soll, darin freilich war sich die online tagende Ratsversammlung am 28. April einig. Bei zwei Enthaltungen stimmte die Stadtratsmehrheit für die Beschlussvorlage zur Planung.

Die Debatte vom 28. April 2021 im Stadtrat

Video: Livestream der Stadt Leipzig

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