Seit inzwischen 25 Jahren steht der ehemalige Bowlingtreff Leipzig verriegelt und verrammelt auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz herum – und setzt Patina an. Die Leipziger Zeitung (LZ) hatte die Gelegenheit, den Bowlingtreff sowie die unterirdischen Katakomben fotografisch zu erkunden, bevor die Umbauarbeiten zum künftigen Naturkundemuseum beginnen.

Dass das achteckige Eingangsgebäude nicht schon längst abgeräumt wurde, hat es vor allem der Tatsache zu verdanken, dass es seit 2009 unter Denkmalschutz steht – als „bemerkenswertes Beispiel der DDR-Architektur“.

Ich betrete das Gebäude durch den Haupteingang und stehe auf dem Marmorboden der lichtdurchfluteten, geräumigen und drei Etagen hohen Eingangshalle, die noch heute eine gewisse Noblesse ausstrahlt. Als der Bau 1987 eröffnet wurde, hatte es etwas Vergleichbares im Lande noch nicht gegeben.

Der Architekt Winfried Sziegoleit (1939–2021), der unter anderem das Gewandhaus, die Wildpark-Gaststätte und den Augustusplatz entworfen hatte, schuf mit dem Bowlingtreff-Oktagon ein viel beachtetes Werk der Postmoderne.

Zunächst „wendle“ ich mich die Treppe zu den oberen Bereichen hinauf. Ein demolierter Aldi-Einkaufswagen wartet dort vergeblich auf den Fahrstuhl. Einst befand sich direkt an der Glasfassade des ersten Treppenabsatzes ein kleines Café.

Und trotz des bonfortionösen Blickes von oben in die Eingangshalle, ist das hier der weniger aufregende Teil der Erkundungstour. Also geht es die Wendeltreppe wieder hinab und nun auch in die unterirdischen Bereiche des weitläufigen Baus.

Denn hier unter der Erdoberfläche schlug schon lange Zeit vor der Errichtung des Bowlingtreffs Leipzigs elektrisches Herz. Im Jahr 1926 ging in den weiten Katakomben das elektrische Umformwerk Mitte in Betrieb.

Viele große Akkumulatoren sorgten dafür, dass die City verlässlich mit Gleichstrom versorgt wurde und die Straßenbahnen von Station zu Station bimmeln konnten. Die Anlagen waren immerhin bis ins Jahr 1965 in Betrieb, bevor 22 Jahre später die Bowlingkugeln rollten.

Im Treppenhaus der ersten Unteretage geht es noch immer nobel mamorös zu. Der Blick fällt direkt auf eine leere Nische in der Wand, in der einst eine anmutige, lebensgroße Sandsteinplastik mit ihrer Schönheit kokettierte. Inzwischen hat es die Dame vom Sockel gehauen, doch es scheint ihr den Umständen entsprechend gut zu gehen. Ein Comeback scheint daher nicht ausgeschlossen.

Jetzt betrete ich das eigentliche Bowlingparadies. Insgesamt 14 Bahnen standen zur Verfügung, die Bahnen 1–6 in einer eher schmucklosen kleinen und die Bahnen 7–14 in der prächtigen Haupthalle. Als ich von der Galerie dieser Haupthalle auf die Artefakte der Bowlingbahnen hinabschaue, als mein Blick über die leerstehenden Nischen der oberen Ebene schweift, macht sich das warme, bittersüße Gefühl der Nostalgie in meiner Bauchgegend breit.

Federleichte Abende im Bowlingtreff

Wie viele federleichte Abende werden es gewesen sein, die ich an diesem besonderen Ort verbrachte? Ganz automatisch spürte ich meine Mundwinkel nach oben gehen, als ich mir die Bilder aus früheren Tagen zurück ins Gedächtnis rief: Während unten in geselligen Runden die Bowling-Pins abgeräumt wurden und in der direkt angrenzenden Gastronomie leckere Speisen auf den Tisch kamen, ging es oben auf der Galerie meist etwas ruhiger zu.

Links und rechts luden insgesamt 5 Pool-Billard- und Snooker-Tische zum Spiel ein, geradeaus auf der Stirnseite waren Computerspiel-Automaten aufgestellt. „Poly-Play“ nannten die sich, wurden seit 1985 produziert und kosteten pro Stück fast 22.000 DDR-Mark – ohne Spiele!

Die Klassiker namens Hirschjagd, Hase und Wolf, Abfahrtslauf, Schmetterlinge, Schießbude und so weiter, mussten für jeweils mehrere hundert Mark zusätzlich erworben werden. Verschiedene Bars, eine Skatklause und sogar ein Fitness-Studio rundeten das Pläsier ab.

Noch tiefer geht es nun in die stockdunklen Katakomben, die einzig durch Handlampen beleuchtet werden. Die Gänge sind teilweise so niedrig, dass ich nur gebückt vorankomme. Immer wieder tauchen Räume auf, die mit technischen Einrichtungen bestückt sind. Heizungskessel, Schaltschränke, unzählige Rohre, Instrumente, bunte Knöpfe, verrostete Ventile – irgendwas in meinem Kopf pfeift die Titelmelodie aus „Das Boot“ …

Dann hängt da plötzlich eine alte Mitteilungstafel des Betriebsrats. Mit Kreide hat jemand darauf geschrieben: „Der Betriebsrat verkündet: Freibier für alle!!!“. Wer weiß, vielleicht findet dieser Wunsch dann in fünf Jahren Gehör, wenn hier das erste Modul des neuen Naturkundemuseums eröffnet werden soll.

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