Der Prozess gegen Lina E. und drei weitere Angeklagte im sogenannten Antifa-Ost-Verfahren nähert sich seinem Ende. Für kommenden Mittwoch ist in Dresden das Urteil geplant. Linksradikale rufen deshalb für Samstag, den 3. Juni, zu einer großen Demonstration in Leipzig auf – den „Tag X“. Weil die Polizei nicht nur deshalb, sondern auch wegen weiterer Veranstaltungen mit einem Großeinsatz rechnet, verschiebt sie ihren „Tag der offenen Tür“.

Dieser sollte eigentlich ebenfalls am 3. Juni auf dem Gelände der Bereitschaftspolizei in der Dübener Landstraße stattfinden. Geplant waren laut Ankündigung: Einflug des Polizeihubschraubers, Konzerte des Polizeiorchesters, Einblicke in die Ausbildung, Vorführungen der Diensthundeschule und einiges mehr.

Das alles ist weiterhin geplant, nun allerdings erst am 26. August. Die Polizei begründet die Verschiebung mit einem „großen Polizeieinsatz“ am 3. Juni. Doch der „Tag der offenen Tür“ wird vielleicht nicht die einzige Veranstaltung bleiben, die an diesem Tag nicht wie geplant stattfinden kann.

Ein Verbot wie im Oktober 2021?

Ein heißer Kandidat für Einschränkungen oder gar ein Verbot ist die „Tag X“-Demo selbst. Bereits im Oktober 2021 hatte die Stadt eine Antifa-Demo verboten und dies mit der „Gefährdung der öffentlichen Sicherheit“ begründet. Entsprechende Erkenntnisse hätten unter anderem eine Gefahrenprognose der Polizei, die Lageeinschätzung des Verfassungsschutzes und Recherchen der Versammlungsbehörde geliefert.

Wer in den sozialen Medien und auf Plattformen wie Indymedia verfolgt, wie sich Linksradikale auf den „Tag X“ einstimmen, dürfte sich fragen, ob ein ähnliches Verbot auch dieses Mal drohen könnte. Die Mobilisierung für die Demonstration findet nicht nur überregional, sondern offenbar sogar international statt – und teils mit martialischen und wenig zweideutigen Worten.

Lina E. droht hohe Haftstrafe

Anlass ist das bevorstehende Urteil gegen Lina E. und die anderen Angeklagten. Wohl niemand rechnet wohl noch mit einem Freispruch. Insbesondere die Aussagen des „Kronzeugen“ Johannes D. haben die Beschuldigten massiv belastet. Die Bundesanwaltschaft fordert für Lina E. eine Haftstrafe von mehr als acht Jahren. Das Gericht könnte dem folgen – aber auch deutlich darunter liegen.

Die Stadt Leipzig teilte heute auf Anfrage mit, dass die Anmeldelage für den 3. Juni „noch absolut offen“ sei. Unter anderen würden noch Kooperationsgespräche mit den Organisator*innen ausstehen. Erst dann seien nähere Angaben zu möglichen Routen und Teilnehmendenzahlen möglich.

Allerdings kursiert seit Donnerstagnachmittag auf Twitter ein Aufruf mit konkretem Ort und konkreter Zeit: Um 17 Uhr soll es in Connewitz starten und dann Richtung Hauptbahnhof gehen.

Demo, Fußball, Party und Grönemeyer

Ein Verbot dieser Versammlung steht aber nicht nur deshalb im Raum, weil der Staat erneut im Vorfeld von einem unfriedlichen Verlauf ausgehen könnte, sondern auch wegen zahlreicher parallel stattfindender Veranstaltungen, darunter das Stadtfest, das Sachsenpokalfinale zwischen Lok Leipzig und dem Chemnitzer FC sowie das Konzert von Herbert Grönemeyer.

Dass die Polizei für all diese Veranstaltungen den Daumen hebt, ist schwer vorstellbar. Weil im Rechtsstaat eigentlich die mildesten Mittel zu wählen sind, wäre statt einem kompletten Verbot der Demonstration auch eine Auflage denkbar, nur eine stationäre Kundgebung mit begrenzter Teilnehmendenzahl durchzuführen. In der Theorie wäre das für die Polizei einfacher zu handhaben als ein Aufzug.

In der Praxis wird es viele, die anreisen, wenig kümmern, was der Staat ihnen vorschreibt oder anbietet. Selbst bei einem Verbot könnte es passieren, dass hunderte oder tausende Menschen demonstrieren oder zumindest ihren Frust über das Urteil auslassen werden.

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