Jetzt noch einmal warten, bis die „Südsehne“ irgendwann nach 2030 gebaut wird? Das kann es eigentlich nicht sein, fand Ariane Korn und schrieb eine Petition, dann doch wenigstens den seit Jahrzehnten fehlenden Radstreifen von der Antonienbrücke bis zum Adler auf die Fahrbahn zu bringen. Radwege gibt es auf dieser Strecke nicht, obwohl es auch für Radfahrer die wichtigste Verbindungsroute von Grünau in den Leipziger Süden ist. Aber die Stadt tut sich unheimlich schwer.

Die Erklärung, warum man nicht einfach die Firma mit der dicken weißen Farbe bestellt und die Radstreifen auf der Strecke auf die Fahrbahn bringt, klingt ausführlich und ausweichend. Und der Petitionsausschuss hat das dann auch so in seinen Beschlussvorschlag für die Ratsversammlung übernommen. Mit dem etwas irritierenden Hinweis auf einen Ratsbeschluss von 2020: „Das Anliegen der Petition zu Punkt 1 wird insoweit berücksichtigt, dass mit dem Ratsbeschluss zu A-00520-NF-02 vom 12.11.2020 bereits der Auftrag an den Oberbürgermeister erteilt wurde, zusammenhängende Radverkehrsanlagen auf der Antonienstraße / Rödelstraße / Schleußiger Weg herzustellen. Im Rahmen der künftigen Planung für eine Komplexmaßnahme wird die Forderung nach Radverkehrsanlagen Bestandteil der Aufgabenstellung.“

Der Beschlussvorschlag des Petitionsausschusses zur Antonienstraße.

Die Linksfraktion hatte damals beantragt: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, zusammenhängende Radverkehrsanlagen auf der Antonienstraße/Rödelstraße/Schleußiger Weg herzustellen. Alle Baumaßnahmen im Fahrbahnbereich sollen der Innerörtlichen Radverkehrsverbindung – Stufe III (vgl. VI-Ifo-08223) Rechnung tragen und im fertigen Zustand den Radverkehr sicher auf der Fahrbahn über die Knoten führen.“

Der Antrag der Linksfraktion von 2020.

Das Dumme ist nur: Es steht kein Datum dran. Da das im Zusammenhang mit den Vorplanungen zur Südsehne beschlossen wurde, kann man es auch so auslegen, dass es die Radwege erst mit dem Komplexumbau der Straße irgendwann nach 2030 gibt.

Und genau so liest sich jetzt auch der Begründungstext zur eigentlichen Verschiebung des Petitionsanliegens auf den Sankt Nimmerleinstag.

Das gibt doch nur Stau …

„Die Einordnung von Radverkehrsanlagen ist im Bestand aufgrund der örtlichen Verhältnisse in diesem speziellen Einzelfall leider nicht möglich. Aktuelle Untersuchungen haben erneut bestätigt, dass eine Leistungsfähigkeitseinschränkung für den Kfz-Verkehr zu einem weitreichenden Stau und zu massiven Behinderungen des ÖPNV (Bus und Straßenbahn) und damit zu einer Verschlechterung der Verkehrsbedingungen für den Umweltverbund insgesamt führen würde“, kann man da lesen. „Abhilfe kann nur ein Umbau der Straße mit neuem Straßenquerschnitt im Rahmen einer Komplexmaßnahme (Komplexmaßnahmen sind Maßnahmen mehrerer Bauherren, hier: Stadt und LVB) schaffen, der zeitlich und finanziell noch einzuordnen ist. Der Bereich Antonienstraße / Rödelstraße / Schleußiger Weg ist wesentlicher Teil des Projektes ‘Südsehne’ für eine neue ÖPNV-Verbindung zwischen Grünau und Prager Straße. Eine finale Entscheidung und Realisierung von Radverkehrsanlagen muss im Zusammenhang mit der Konkretisierung dieser aus dem Beschluss zum Start der Netzerweiterung Straßenbahn resultierenden Planung erfolgen.“

Also kein Radweg, bevor die ganze Straße umgebaut wird.

Und bis dahin?

Kleiner Vorsprung für Radfahrer an der Ampel

Eine Behelfslösung, die irgendwie die Entzerrung zwischen Radverkehr und Kraftfahrzeugen bringen soll.

„Im Zusammenhang mit dem LVB-Vorhaben wurde für die Berücksichtigung des Radverkehrs folgende (Interims-)Lösung abgestimmt und umgesetzt“, hatte das Verkehrs- und Tiefbauamt formuliert und der Petitionsausschuss übernahm es auch so.

„In der östlichen Antonienstraße wurde eine Geschwindigkeitsreduzierung auf 30 km/h als Maßnahme des Lärmaktionsplanes umgesetzt, die gleichzeitig auch eine Erhöhung der Radverkehrssicherheit darstellt. Der Radverkehr wird in der Antonienstraße entsprechend der Bestandssituation ab Erich-Zeigner-Allee im ca. 5,50 m breiten Fahrbahnbereich geführt, im Bereich der östlichen Haltestelle erfolgte die Herstellung von 2 Fahrstreifen. Dabei verbleibt der Radverkehr im rechten Fahrstreifen, welcher in einer Breite von 3,25 m geplant wurde, um ein Überholen des Radverkehrs von Kfz in der Knotenzufahrt zu verhindern.

Der Radverkehr erhält an der Ampel Erich-Zeigner-Allee in Richtung Adler gemeinsam mit dem ÖPNV deutlich vor den Kfz die Freigabe, die Koordinierung zwischen dieser und der Ampel am Adler wurde an Tempo 30 angepasst. Der Radverkehr hat damit in Richtung Adler erheblichen zeitlichen Vorlauf vor den stadtauswärts fahrenden Kfz. Durch den geringeren Geschwindigkeitsunterschied zwischen Kfz und Rad ist ein Überholen des Radverkehrs nicht erforderlich und im Bereich der Haltestelle durch die Fahrbahnbreite von nur 3,25 m regelkonform auch nicht möglich. Da das Kfz-Signal zudem erst kurz vor dem Erreichen des Knotens Adler auf ‘Grün’ schaltet, würde sich das Überholen des Radverkehrs auch nicht lohnen.“

Dann doch wenigstens Piktogramme auf die Fahrbahn

Dass das keine Lösung ist, war zumindest der Linksfraktion klar, für deren Änderungsantrag in der Ratsversammlung am 14. Juni Stadtrat Oliver Gebhardt warb. Denn wie lange hält so ein Vorsprung von Radfahrern, wenn sie gar bergauf fahren und gar keine trainierten Rennradler sind? Dann sind sie ja doch wieder im Mischverkehr und dürften sich zu Recht unsicher fühlen. Von einer durchgängig sicheren Radroute kann einfach keine Rede sein.

Vorgeschlagenes Piktogramm, wie man es am Martin-Luther-Ring schon finden kann. Foro: Ralf Julke
Vorgeschlagenes Piktogramm, wie man es am Martin-Luther-Ring schon finden kann. Foro: Ralf Julke

Der Änderungsvorschlag der Linken lautete: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, bis Ende Q3/2023 zu prüfen, ob bis zur Realisierung des Umbaus der Straße mit neuem Straßenquerschnitt im Rahmen der Komplexmaßnahme ‘Südsehne’ die Interimslösung durch die Markierung einer Fahrrad-Piktogrammkette (sog. Sharrows) verbessert werden kann. Über das Ergebnis und die weitere Verfahrensweise wird der Fachausschuss Stadtentwicklung und Bau unverzüglich in Kenntnis gesetzt.“

Denn dass das Warten auf den Komplexumbau aus Radfahrersicht überhaupt keinen Sinn ergibt, begründete die Linksfraktion auch: „Die Komplexmaßnahme ‘Südsehne’ wird noch lange auf sich warten lassen. Bis dahin sollten sogenannte Sharrows für den Radverkehr im Kreuzungsbereich markiert werden. Diese Symbole kamen bereits am Martin-Luther-Ring vor dem Neuen Rathaus (ebenso als Zwischenlösung) zum Einsatz. Was in Sichtweite des Neuen Rathaus für notwendig erachtet wurde, sollte auch für Plagwitz und Kleinzschocher angemessen sein.“

Das Abstimmungsergebnis in der Ratsversammlung war dann deutlich: Der sinnvolle Änderungsantrag der Linksfraktion bekam 39 Stimmen bei 17 Gegenstimmen. Der letztlich inhaltsleere Vorschlag aus dem Petitionsausschuss, der stur auf die Planungen zur „Südsehne“ verwies, bekam die einhellige Zustimmung des Stadtrates. Wenn die Stadt dann trotzdem keine sicheren Radwege hinbekommt, läuft ganz gewiss etwas völlig falsch.

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Es gibt 3 Kommentare

Es war schon immer eine gute Idee, lieber User “Ankue”, als Velofahrer nicht verhuscht zu agieren, sondern betont, so daß man wahrgenommen wird. Es ist aber auch sinnlos, nun den Autos zum Possen zu fahren und sich als Störquelle aufzuführen.

Ich probiere immer mal wieder, wenn ich mit dem Auto durch die Stadt eiere, die Regularien mit den einsfuffzich Abstand einzuhalten und bleibe, sofern so ein Seitenabstand nicht einzuhalten ist, hinter Radfahrern, und das mit hinreichend Abstand. Ich vermute aber, daß das bei vielen Radfahrern als eine Art Folter aufgefaßt wird, jedenfalls deute ich deren Körpersprache so, denn ein mehrere hundert Meter mit 20km/h hinter Radfahrern tuckerndes Auto wird u.U. als bedrohlicher angesehen, als eins, daß sich mit 40km/h mit nur einem Meter Seitenabstand vorbeimogelt und sich sozusagen aus dem Staub macht.

Die Ampel auf der Antonienstraße an der Ecke Erich-Zeigner-Allee Richtung Adler ist für Radfahrer auch insoweit seltsam (im Jetztzustand), daß man wirklich warten muß, bis es Grün wird, um in die Erich-Zeigner-Allee stadteinwärts rechts einzubiegen (was formal auch der Fall ist, wenn man aus dem Küchenholz kommend die Radstreifenampel überquert). Das macht wirklich kein einziger Radfahrer, außer mir, die meisten fahren einfach auf dem Trottoir und holpern dann einige Meter weiter auf die Fahrbahn. Tja.

Zwischen Erich Zeigner Allee und Beginn des Radstreifens Antonienbrücke, fahre ich seit längerem immer in der Mitte der äußeren Fahrspur. So wechseln die Autos auf die zweite Spur zum überholen und fahren nicht mit 30cm Abstand oft mit überhöhter Geschwindigkeit an einem vorbei. Kann ich nur jedem empfehlen.

Welche Wunder erwartet die Verwaltung wohl hier von der Südsehnenplanung? Der Straßenraum in der westlichen Antonienstraße ist von Wand zu Wand ohnehin bis auf nicht gerade üppige Fußwege von Fahrbahnen mit Schienen in Beschlag genommen, die Abbiegespur in die Gießerstraße ragt bereits in den Park. Auch mit der Südsehnenplanung wird es nicht mehr Platz zu verteilen geben. Wirklich neue Möglichkeiten, die über Markierungsmöglichkeiten im heutigen Bestand hinausgehen, bietet auch ein Umbau nicht.

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