Es gibt Vorlagen aus der Stadtverwaltung, die für ihre bürokratische Wortwahl schlichtweg eine Rote Karte verdienen. So eine Vorlage war der Verwaltungsstandpunkt zu einem Antrag der CDU-Fraktion in der Ratsversammlung am 28. Februar. In der hatte sich die CDU-Fraktion einmal der berechtigten Interessen der Radfahrer angenommen. Insbesondere jener, die über die Neue Linie so gern zum Cospudener See fahren. Ein zuweilen sehr zweifelhaftes Fahrvergnügen.

Erst recht, nachdem das Amt für Stadtgrün und Gewässer große Teile dieser Wegeverbindung durch den südlichen Auwald mit Bergen von geschlämmten Sand hat zukippen lassen, der sich längst unübersehbar rechts und links in den Wald verteilt.

Und so beantragte die CDU-Fraktion im Stadtrat: „Die Stadtverwaltung wird beauftragt, bis zum Beginn der Sommerferien 2024 die ‚Neue Linie‘ und ‚Die Linie‘ komplett mit einem für den Radverkehr geeigneten Belag zu ertüchtigen.“

„Die Linie“ ist der Waldweg, der weiter westlich parallel zur „Neuen Linie“ verläuft und nicht annähernd so stark genutzt wird.

Was die CDU-Fraktion in ihrem Antrag beschreibt, gilt vor allem für die „Neue Linie“: „Hunderte, wenn nicht Tausende von Leipzigern treten in den Sommermonaten täglich den Weg durch den Elster- und Pleiße-Auwald an, um sich am Cospudener See abzukühlen. Bisher führt dieser Weg über Stock und Stein.

Wir beantragen, dass im Sinne der Verkehrssicherheit, der Minderung von Abnutzungserscheinungen, der Gesundheit bei Staubwolken und auch der stärkeren Nutzung des Rades die beiden Hauptverkehrsadern im Auwald ertüchtigt werden.“

Geantwortet hat diesmal das Verkehrs- und Tiefbauamt (VTA), nicht das Amt für Stadtgrün und Gewässer, das sich so stur auf die Schlämmung der Waldwege versteift hat. Das tut dem Radverkehr an keiner Stelle gut, wo das Amt für Stadtgrün und Gewässer das Sagen hat.

Was darf man im Schutzgebiet Auwald?

Auch wenn natürlich im südlichen Auwald die Rahmenbedingungen des Schutzgebietes zu beachten sind, wie das VTA in seiner Stellungnahme betont: „Die Neue Linie verläuft innerhalb eines FFH- und Vogelschutzgebiets im südlichen Auwald. In der Gesamtheit erstreckt sie sich vom Schleußiger Weg bis zum Wolfswinkel. Die Trassenführung im Abschnitt vom Schleußiger Weg bis zum Probsteiweg ist bisher noch nicht untersucht und festgelegt worden. Hierzu muss zunächst eine konzeptionelle Betrachtung durch das VTA erfolgen.

Im Abschnitt zwischen Probsteisteg und Wolfswinkel sind an Wochenenden und Feiertagen im Freizeit- und Erholungsverkehr 5.400 bis 7.000 Radfahrende und mehrere Hundert Fußgänger unterwegs. Auch unter der Woche findet eine starke Nutzung statt. Im Sinne der Mobilitätsstrategie soll die Neue Linie mit einer Ganzjahresbefestigung ausgestattet werden. Eine Vorplanung dazu befindet sich in Erarbeitung, die Maßnahme ist auch Bestandteil des Rahmenplans zur Umsetzung der Mobilitätsstrategie.“

Und wie das so ist: unter „Ganzjahresbefestigung“ kann sich kein normaler Mensch etwas vorstellen. Ist denn der da hingekippte Schlämmsand keine „Ganzjahresbefestigung“? Ganz offensichtlich nicht. Er hält nämlich der Belastung einfach nicht stand. Und den Witterungseinflüssen auch nicht.

Und wohl auch deshalb soll „Die Linie“ nicht mehr länger in der Obhut des Amtes für Stadtgrün und Gewässer bleiben.

„Aktuell befindet sich der Weg noch in der Zuständigkeit des Amts für Stadtgrün und Gewässer. Die gesamte Fachliegenschaft soll noch in 2023 vom ASG zum Verkehrs- und Tiefbauamt wechseln“, teilt das VTA in seiner Stellungnahme mit. Der Wechsel dürfte inzwischen also passiert sein.

„Aufgrund dessen wurde durch die DB OBM eine außerplanmäßige Auszahlung in Höhe von 150.000 € und eine außerplanmäßige Aufwendung in Höhe von 1.500 € beschlossen; es erfolgt ab 2024 eine Mittelübertragung einmalig in Höhe von 150.000 € an das VTA sowie jährliche Unterhaltungskosten.“

Erst einmal ein Pilotprojekt

Und ganz offen denkt das VTA eben auch über eine andre Befestigung dieses stark befahrenen Radweges nach. Nur braucht es dazu wieder die Genehmigung des Amtes für Umweltschutz.

Und hier wird es jetzt ganz bürokratisch.

„Um die Ganzjahresbefestigung in diesem Auwaldbereich zu realisieren, ist es zunächst notwendig, die Untere Naturschutzbehörde in die Lage zu versetzen, eine eigene Abwägung vorzunehmen. Voraussetzung einer Genehmigung ist, dass das darzulegende öffentliche Interesse an einer Ganzjahresbefestigung das öffentliche Interesse an einer Einhaltung der Verbote bzw. einer wassergebundenen Wegedecke aus der Landschaftsschutzverordnung überwiegt“, schreibt das VTA.

„Zudem muss die Untere Naturschutzbehörde mit Planungsunterlagen in die Lage versetzt werden, eine Verträglichkeitsprüfung vorzunehmen. Dies erfolgt u. a. mittels einer Bestandserfassung und -bewertung, mit der die Einwirkungen des Projektes bestimmt und bewertet werden können.“

Dafür gibt es eine Rote Karte für schwammigen bürokratischen Stil.

Der natürlich seinen Grund auch darin hat, dass in der erwähnten Landschaftsschutzverordnung für den Leipziger Auwald keine Rede davon ist, dass die Befestigung von Wegen verboten ist. Das ist allein eine Interpretation des Amtes für Stadtgrün und Gewässer.

Tatsächlich unterliegt „das Anlegen, Verändern oder Umwidmen von Straßen, Wegen, Plätzen oder anderen Verkehrseinrichtungen“ einem Erlaubnisvorbehalt. Das ist etwas völlig anderes.

Und dafür muss natürlich abgewogen werden, ob das öffentliche Interesse an einem gut befestigten Radweg größer ist als das „öffentliche Interesse“ an einer wassergebundenen Decke. Das „öffentliche Interesse“ hier aus gutem Grund in Anführungszeichen gesetzt, weil sich dieses Interesse ganz eindeutig nicht aus der Landschaftsschutzverordnung ergibt.

Ansonst wird die Aussage klar: Da VTA möchte hier eine andere Befestigung. Das könnte dann die schon so lange von Verbänden und Bürgern geforderte Asphaltdecke sein, die es ja auf einem Teil der Neuen Linie direkt am Sportplatz schon gibt.

Nur wird das 2024 nicht mehr umgesetzt, merkte das VTA an: „Zur Umsetzung der Ganzjahresbefestigung soll ein Pilotprojekt initiiert werden, mit der Aufgabe, ämterübergreifend Musterlösungen zu erarbeiten, wie in sensiblen Naturbereichen CO₂-arme Verkehre ausgebaut werden können. Ziel ist die enge Abstimmung, gemeinsame Organisation und projektorientierte Zusammenarbeit.

Dabei steht auch eine regelmäßige Unterrichtung der Stadträte und der Einbezug der Öffentlichkeit auf der Agenda. Aufgrund der Vielzahl der Akteure und Abstimmungen, die im Vorfeld hierzu notwendig sind, kann der Zeithorizont noch nicht valide benannt werden.“

Und weil die Verwaltung das Anliegen des CDU-Antrags aufgenommen hat und das Thema auch in mehreren Ausschüssen schon beraten wurde, zog CDU-Stadträtin Sabine Heymann den Antrag der CDU-Fraktion zurück. Trotzdem sollten auch die Ratsfraktionen nicht nachlassen, die Einlösung des Versprechens zu fordern. Und zwar möglichst zeitnah.

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Es gibt 5 Kommentare

Vielleicht sollte man auch mal die Kirche im Dorf lassen.

Ziel ist nicht die Erhöhung der Verkehrsgeschwindigkeit auf der Neuen Linie, sondern eine beständige, ganzjährig befahrbare Trasse für entsprechende Verkehrsmittel oder menschliche Gebeine.

Raserei und unnormalen Gebrauch (Gefährdung untereinander) kann man auf jedem Weg, ob nun sandgeschlämmt oder asphaltiert, beobachten.

Es geht hier auch nicht um die Asphaltierung aller Wege, sondern nur um einen Hauptweg.

Die Unterhaltungsmaßnahmen werden sogar weniger, weil Asphalt nicht schon nach 2 Jahren zerfahren ist.

Und für Käfer, Kröten u.ä. hochbeinige Tiere kann man ja alle 20m ein Rohr unter den Asphalt legen, um dem ein wenig beizukommen. Jeglichen Tieren geht es jetzt auf diesem Weg aktuell auch nicht besser.

Generell stimme ich robin w. bei, aber es muss eben hier und da auch mal pragmatisch und mit Ausnahmen gehandelt werden, wenn das Gesamtkonzept dadurch nicht gefährdet ist.

Eine Verstärkung des Fahrradverkehrs auf der neuen Linie würde zu einer signifikanten Steigerung des Verletzungsrisiko für Fußgänger führen. Ich verweise da gerne auf die Studie “Studie zu Radfahrer-Fußgänger-Unfällen der Unfallforschung der Versicherer (UDV) 2023”

@robin w.
Ja was den nun? Bedingungen für das Radfahren (ganzjährig) verbessern, so dass vielleicht (noch) mehr Menschen das Auto stehen lassen oder lieber doch nicht? Vielleicht sollte man auch mal die Polemik a la “Raserei durch E-Bikes, Rollerskates, E-Roller uns was sonst so modern ist und fälschlicherweise als klimafreundlich tituliert wird” sein lassen und sich freuen, dass immer mehr Menschen auf das Fahrrad umsteigen? Wäre dieser Effekt nicht noch größer, wenn dies aufgrund einer guten Infrastruktur noch mehr Menschen machen würden?
Es zeigt sich ja, dass die bisher existierenden Wegdecken dem Nutzungsdruck nicht standhalten. Die Schädigung der Natur ist dadurch nicht weniger existent. Man muss ja nun auch nicht irrsinnig viele Wege asphaltieren. Aber aktuell sind nahezu alle Wege durch Parks und Auenwald nicht ganzjährig befahrbar. Werden aber als Hauptnetz Rad ausgewiesen.
Kleiner Tip: Die Asphaltierung von Straßen im Auenwald ist für bodenlebende Laufkäferarten ein Graus. Plädieren Sie doch mal gegen eine De- Asphaltierung von Hans-Driesch-Str., Schleussiger Weg und B2. Auf Schotterpisten und sandgeschlämmten Wegen kommen auch die immer mehr werdenden SUVs gut voran…

Eine Asphaltierung der Neuen Linie mitten durch den südlichen Leipziger Auwald wird ja (leider) schon sehr lange diskutiert. Und gefordert vom ADFC (obwohl der ja eigentlich einen gesamtökologischen Ansatz verfolgen sollte) und völlig unverständlicherweise auch offensichtlich vom BUND (der ja eigentlch eine Naturschutzvereinigung ist). Warum will man denn die Fehler des Westens – man schaue sich die irrsinnig vielen Asphaltstraßen und -wege in den großen Wäldern dort an – denn alle hier wiederholen? Die Nachteile sind offensichtlich und bekannt: stärkere Zerschneidungseffekte, so z.B. für bodenlebende Laufkäferarten, stärkere Aufheizung von Apshaltdecken (nachteilig für den angrenzenden Wald), noch mehr Raserei durch E-Bikes, Rollerskates, E-Roller uns was sonst so modern ist und fälschlicherweise als klimafreundlich tituliert wird, sprich noch mehr Verkehr auf der neuen Linie, und damit auch mehr Gefährdungen für die sich dort bewegenden Menschen, höchstwahrscheinlich auch Eingriffe in den angrenzenden Wald (sprich Baumfällungen im Zuge des Ausbaus, und dann auch dauerhaft durch noch mehr sog. “Unterhaltungsmaßnahmen”), eine Degradierung des Landschaftsbildes durch Asphalt usw… Warum haben wir denn dort ein europäisches FFH-Schutzgebiet und Landschaftsschutzgebiet? Wo eigentlich Vorrang für die Natur und die Landschaft bestehen sollte. Außerdem kann man die neue Linie auch aktuell sehr problemlos befahren.

Geschlämmte Wege sind schlecht. Das Zeug verteilt sich überall und wenn man auf Grund des hohen Nutzungsdrucks zu sehr am Rand fahren muss, hat man dann Probleme wieder in die Spur zu kommen.

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