Leipzigs Fließgewässer sind größtenteils in einem miserablen Zustand. Nicht nur diejenigen, um die sich die Landestalsperrenverwaltung (LTV) kümmern muss. Auch die kleinen Bäche wie die Nördliche und die Östliche Rietzschke. Bis um 1890 floss die Östliche Rietzschke durch den Leipziger Osten bis zur Parthe. Doch im Bauland für Wohnhäuser zu gewinnen, wurde sie auf ihren letzten 3,5 Kilometern abgeklemmt und ihr Abfluss in die Kanalisation verlegt. Der restliche Teil soll wieder ein richtiger Bach sein.

Das wurde 2022 erstmals wieder sichtbar, als die neu gestaltete Rietzschke-Aue an der Wurzner Straße der Öffentlichkeit übergeben wurde. Dafür hatten 94 Kleingärten weichen müssen, die zuvor im hochwassergefährdeten Gebiet der Rietzschke standen. Auch Leipzigs Stadtverwaltung lernt ja erst nach und nach, was lebendige Fließgewässer im Stadtgebiet eigentlich bedeuten.

Seit 2023 hat die Stadt auch endlich eine Integrierte Wasserkonzeption, in der auch die Östliche Rietzschke eine zentrale Rolle spielt. Nämlich als Maßnahmenkomplex Nr. 4. Und aus höchst aktuellem Grund, nämlich als „Bestandteil eines berichtspflichtigen Oberflächenwasserkörpers gem. EU-WRRL“.

Denn die Wasserrahmenrichtlinie der EU gilt nicht nur für große Fließgewässer wie Weiße Elster, Parthe und Pleiße, sondern auch auf kleine Fließgewässersysteme wie die der Östlichen Rietzschke.

Anfällig für Ausuferungen und Überflutungen

Und hier muss das Amt für Stadtgrün und Gewässer (ASG) noch einiges tun, um den Bach wieder in einen naturnahen Zustand zu bringen.

„Die Östliche Rietzschke ist ein in erheblichem Maße anthropogen geprägtes Gewässer 2. Ordnung mit einer stark schwankenden Wasserführung. Aufgrund der topografischen und hydrologischen Gegebenheiten ist das Gebiet anfällig für Ausuferungen und Überflutungen bei Starkregenereignissen und Hochwasser“, heißt es in der Wasserkonzeption. „Daher ist es wichtig, sowohl Retentionsraum zu schaffen, als auch eine ausreichende Vorflut des Gewässers zu gewährleisten.“

Und so wurde in einem ersten Schritt die multifunktionale Grünfläche „Rietzschke-Aue Sellerhausen“ angelegt. „Sie verbindet die ökologische Aufwertung des Gewässers, die Verbesserung des Wasserrückhaltes mit Funktionen des Stadtklimas und der Freizeit- und Erholungsnutzung“, betont das ASG.

Die Quartiersschule Ihmelsstraße mit Wasserblick. Foto: Ralf Julke
Quartiersschule Ihmelsstraße mit Wasserblick. Foto: Ralf Julke

Dass der neu angelegte Bachlauf und die angeschlossene Aue tatsächlich Wasser in der Fläche zurückhalten, ist nun schon seit Wochen für alle Besucher der Rietzschke-Aue erlebbar.

Und so war es auch beabsichtigt, wie im Baubeschluss von 2020 nachzulesen ist: „Der vorhandene Entwässerungsgraben Sellerhausen wird offengelegt und leicht geschwungen und mäandrierend als natürliches Gerinne gestaltet. Dieses kann je nach Wasserstand der Östlichen Rietzschke bis zu 50 cm mit Wasser gefüllt sein oder auch über längere Zeiträume trocken liegen.

Bei Starkregen und Hochwasser kann das Wasser über die Ufer treten und sich auf der gesamten Fläche ausbreiten und zeitverzögert über Versickerung und Verdunstung in den natürlichen Kreisläufen verbleiben und über das Ablassbauwerk in den Wölbkanal der östlichen Rietzschke eingeleitet werden.“

Wege unter Wasser

Es gibt nur ein Problem, das auch 2020 schon intensiv diskutiert wurde: Wenn Teile der Aue absehbar über längere Zeit unter Wasser stehen, kann man die dort befindlichen Wege eigentlich nicht aus geschlämmtem Sand bauen, der aufweicht und weggeschwemmt wird. Schon damals gab es die Forderungen, diese Wege konsequent in Asphalt zu errichten.

Und eigentlich war es auch genau so geplant.

Aber die Stadt entschied sich doch wieder anders. Und so stehen auch jetzt noch einige dieser Wege unter Wasser. Dort, wo das Wasser schon abgelaufen ist, merkt man, wie aufgeweicht der Untergrund ist. Aber augenscheinlich wollen Leipzigs Gewässerplaner auch das erst wieder lernen, wie man in Überschwemmungsgebieten baut. Immerhin ist die seit 2022 auch preisgekrönte Rietzschke-Aue das erste Vorzeigeprojekt, mit dem ein Stück Bachlauf in der Stadt wieder naturnah gestaltet wurde.

Ufert wie geplant in ihre Aue aus: die Östliche Rietzschke in Leipzig. Foto: Ralf Julke
Ufert wie geplant in ihre Aue aus: die Östliche Rietzschke. Foto: Ralf Julke

Weitere Pläne für die Östliche Rietzschke

Weitere sollen folgen, wie man in der Wasserkonzeption nachlesen kann: „Eine weitere Retentionsfläche soll im Stadtteil Mölkau angelegt werden. Im Rahmen einer Machbarkeitsstudie wurden dafür bereits Möglichkeiten geprüft. Die erarbeitete Vorzugsvariante soll ab 2023 planerisch weiter konkretisiert werden.

Für die Verbesserung der hydraulischen Leistungsfähigkeit im Gebiet sind Maßnahmen zur Revitalisierung des Entwässerungsgrabens Sellerhausen vorgesehen. Die Vergabe der Entwurfs- und Genehmigungsplanung erfolgt im 1. Quartal 2023.

Im Rahmen eines Pilotprojektes sollen im Bereich des Dorfplatzes Stünz Auskopplungspotentiale der Niederschlagswasserableitung mit dem Ziel der Wasserstandsstabilisierung des Stünzer Parkteichs geprüft werden. Diese Maßnahme erfolgt in enger Abstimmung mit weiteren Beteiligten, insbesondere der LWW. Die Ergebnisse können dann möglicherweise Impulse für die Lösung vergleichbarer Ausgangssituationen geben und Wasserdefizite in den städtischen Standgewässern verringern.“

Erst renaturieren, dann pflanzen

Aber so schnell sind auch die Leipziger Gewässerplaner nicht. Das wurde sichtbar, als der Ortschaftsrat Mölkau Ende 2023 Mittel zur „Aufforstung bzw. Ergänzung des vorhanden Grünzugs entlang der Bachläufe des Hohen Grabens und Teile der Östlichen Rietzschke auf dem Ortsgebiet Mölkau“ beantragte. Ein Anliegen, das das Amt für Stadtgrün und Gewässer so nicht umsetzten wird, denn die Pflanzung gewässertypischer Bäume kann erst erfolgen, wenn der Wasserlauf selbst auch wieder renaturiert wurde.

Was das ASG in seiner Stellungnahme auch ausführlich begründete: „Sowohl am Hohen Graben als auch an der Östlichen Rietzschke sind derzeit Planungen beauftragt, die auch die Pflanzungen von Gehölzen an den Gewässern beinhalten.

Am Hohen Graben zwischen der Baalsdorfer Siedlung in Baalsdorf und dem Mündungsbereich in die Östliche Rietzschke in Mölkau ist die Einrichtung eines Gewässerentwicklungskorridores vorgesehen. Dabei soll durch die Entwicklung typischer Ufervegetation, das Anlegen eines Uferstreifens und die Anwendung ingenieurbiologischer Bauweisen der ökologische Zustand verbessert werden.

Aufgrund dieser Planung zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) sollte eine Bepflanzung der Uferbereiche in diesem Abschnitt erst nach Vorliegen der Gewässerentwicklungsplanung umgesetzt werden. Die Planung befindet sich derzeit in der Entwurfsplanung, ein Abschluss der Planungsphase ist für 2023 vorgesehen. Eine vorgezogene Baumbepflanzung könnte mit der geplanten Umsetzung der WRRL kollidieren.

Gleiches gilt für einen Abschnitt der Östlichen Rietzschke südlich der Engeldorfer Straße/nordwestlich des Mölkauer Wäldchens in Mölkau. Hier sollen Maßnahmen des Hochwasserschutzes mit Maßnahmen der naturnahen Gewässerentwicklung verknüpft werden. Dies umfasst auch die Pflanzung von Ufergehölzen. Hier befindet sich die Machbarkeitsstudie derzeit in der Fertigstellung und soll zeitnah als HOAI-Planung fortgeführt werden. Eine vorgezogene Baumbepflanzung könnte hier ebenfalls mit der Planung kollidieren.“

Aber natürlich war mit einem Abschluss der Planungen 2023 nicht zu rechnen. Die stellt das ASG jetzt für 2024 in Aussicht. Und dann könnten 2025 dann Arbeiten an diesen beiden Gewässerabschnitte erfolgen und auch die gewünschten Baumpflanzungen stattfinden.

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Es gibt 12 Kommentare

Wenn ich mir den Entwurfsplan so ansehe, stelle ich bei den Höhenangaben fest, dass die Wege vor allem im Bereich des Schulcampus fast genauso hoch liegen wie der Flusslauf der Rietzschke.
Das steht im Widerspruch zur geplanten Anstauung des Flüssleins bis zu “ca. 50cm”, um bei Starkregen- oder Hochwasserereignissen das Abwassersystem der Stadt etwas zu entlasten bzw. dem Biotop Wasser zuzuführen.

Ist das nun ein Planungsfehler oder so gewollt?
Falls letzteres, müsste man dem im Wegebau auch Rechnung tragen.
Sandgeschlämmte Oberflächen wären hier m.E. der falsche Ansatz.

Oder aber:
Die Angabe 50cm Anstauung ist völlig übertrieben.
Hier spielt das Auslassbauwerk sicher eine Rolle, welche die Flusshöhe vermutlich steuert.
Eventuell liegt hier ein technisches Problem dieses Bauwerkes vor?

Zum Thema Wegebau gab es auch eine Einwohneranfrage im Jahr 2022: VII-EF-07267-AW-01. Aus der Einwohneranfrage geht bspw. hervor, dass jemand in der Stadtverwaltung eigenmächtig und entgegen dem Ratsbeschluss entschieden hat, dass die Wege geschlämmt werden. Hierfür entstehen jährliche Mehrkosten von ca. 6.000 Euro/Jahr. Der Stadtrat ist darüber nicht mal informiert worden, sondern hat das ggf. durch die Einwohneranfrage mitbekommen.
https://ratsinformation.leipzig.de/allris_leipzig_public/vo020?VOLFDNR=2005096&refresh=false

@EarlGrey
Dass die Aue überflutet werden soll/kann, ergibt sich bereits aus dem Namen Aue. Aue kommt von lateinisch aqua und heißt Wasser. Die gesamte Gestaltung der Rietzschke-Aue sieht eine regelmäßige Überflutung vor. Nach der Idee Schwammstadt (da gab es auch einen Antrag der Grünen) ist diese Aue ein bewusst angelegtes “Rückhaltebecken” für Niederschläge – insbesondere bei Starkregenereignissen.
Der Winter war zwar bisher erheblich zu warm und zu feucht. Wir bewegen uns da im Moment im Bereich niederschlagsreicher Winter wie 2012 und 2000. Ob es am Ende auch so viel Niederschlag wie 1995 oder 1996 wird, wird sich zeigen. So nass wie 1948 wird es wohl aber nicht werden – dafür war der Januar zu “trocken”.
In Hinblick auf das Thema Klimawandel muss man wohl konstatieren, dass man bereits seit den 1990ern weiß, dass die Sommer heißer und die Winter wärmer und somit auch feuchter werden. Das “Zukunftsprojekt” Rietzschke-Aue hat doch auch explizit dafür eine Belobigung bekommen, weil es das berücksichtigt.

Das die Wege in der Rietzschke-Aue überflutet werden sollen, ist doch gar nicht vorgesehen. Sollte das der Fall sein, würden dann ja auch wieder Teile des KGV und des Schulhofes betroffen sein. Die Retentionsfläche befindet sich zwischen den Wegen.
Das Geländer an der Brücke ist höher, da dort mit Radverkehr zu rechnen ist. Siehe auch die verbauten Geländer am Parkborgen.
Und bzgl der Abnutzung, die Nutzerzahlen in der Rietzschke sind meilenweit entfernt von den Zahlen im südlichen und westlichen Auenwald.

@cx
Es geht hierbei bestimmt nicht um “die schönste Variante”. Festzustellen ist aber, dass mit dem Ausbringen sandgeschlämmter Wege an vielen Stellen die Natur eher verhunzt und Steuergelder rausgeschmissen werden. Wege, die durch Wasser abgetragen werden in einem Gebiet, in dem Überschwemmungen passieren sollen, ist gaga. Genauso wie bei stark befahrenen Wegen. Wäre in etwa so, als wenn man die Hochwasserschutzmauern in Grimma aus Sand gebaut hätte.
Straßen durch den Auenwald erhalten auch eine Asphaltschicht, darüber diskutiert keiner. Man könnte ja auch mal die H.- Driesch-Str. als sandgeschlämmten Weg renaturieren…

Also ich fände Natursteinpflaster schön. Oder Holzbohlen. Sprengt aber sicher das Budget?

Ist doch alles kein Drama, saniert werden muss es eh bald, da kann man ja sammeln gehen für die schönste Variante bei den benutzenden Bürgern.

Ich sehe das so wie EarlGrey.
Kern des Problems ist die Wasserbeständigkeit, und obendrein die mechanische Belastbarkeit von solcherlei Wegen.
Bei Asphalt o.ä. gibt es noch die Varianten der Aufhellung, um die Temperaturen etwas zu senken. Das hat teilweise schon Erfolge gezeigt.
Das Geld hätte man lieber für so einen Versuch nehmen sollen, als der “Brücke” dort über die Rietzschke, welche 3m lang ist, und wo es 40cm hinab geht, ein völlig überdimensioniertes Geländer (>1m hoch, massiv) zu spendieren.
Als ich das sah, wusste ich: ich bin bei den Schildbürgern gelandet…

Immer schön zu sehen wie um die verstärkte Anwendung eines Erdölproduktes gekämpft wird.

@EarlGrey
Es geht auch nicht darum, ob das Wasser bei sandgeschlämmten Wegen oder bei Asphalt ablaufen könnte oder nicht. Es geht auch nicht darum, ob die Ursache hier die Rietzschke oder ergiebiger Regen ist. Es geht einfach darum, dass sandgeschlämmte Wege durch das übertretende Wasser abgetragen werden. Genauso, wie diese Wege bei starker Benutzung abgetragen werden. Ob diese Bauart für ein Gebiet, in dem Überschwemmungen gewünscht sind, die richtige ist, ist die Frage. Genauso wie bei stark beanspruchten Wegen in Parks. Denn bei sandgeschlämmten Wegen ist nur eins naturnah: die Optik.

Ursache für das Ergebnis auf den ersten beiden Fotos sind die überdurchschnittlichen Niederschläge seit Dezember, nicht die Rietzschke selber. Das Regenwasser sammelt sich am Überweg zum Gymnasium, setzt auch Teile des KGVs und Schulhofes unter Wasser, weil es dort eine Senke gibt. Aus dieser kann das Wasser nicht ablaufen, versickern bei den Mengen auch nicht (Dez 260%, Jan 109%, Feb bisher 251% v.l.M.). Auch ein asphaltierter Weg hätte da nicht geholfen. Man entschied sich seinerzeit für Wassergebundene Wege in der Aue, weil dunkler Asphalt die naturnahe Fläche im Sommer zusätzlich aufgeheizt hätte.

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