Angekündigt, dass die Stadt eine neue Gemeinschaftsunterkunft in der Diezmannstraße 12a in Kleinzschocher bauen will, hat das Sozialamt schon Anfang März. Aber die eigentliche Entscheidung fiel erst am 16. April in der Ratsversammlung. Da ging es um die Bestätigung, dass das Gelände in Erbbaupacht an die stadteigene LESG gegeben wird und diese das Gebäude, das letztlich sogar aus drei Einheiten besteht, baut und dafür eine Ausfallbürgerschaft der Stadt über 32 Millionen Euro bekommt. Bauen ist teuer geworden, aber trotzdem deutlich preiswerter als eine teure Zeltunterbringung der Geflüchteten.
Und während AfD-Stadtrat Roland Ulbrich die Gelegenheit nutzte, wieder das alte Lied von der Abwehr von „illegal“ Geflüchteten zu singen und „den Leipzigern“ redete, die keine Zuwanderung wollen, schilderte die Vorlage eigentlich sehr genau, worum es dabei geht: Es geht um eine Lösung für einen unhaltbaren Zustand.
Aber FDP-Stadtrat Sven Morlok hat recht, wenn er Ulbrich eben nicht reine Kenntnislosigkeit attestierte, weil er die Vorlage nicht gelesen habe, sondern bewusst die Unwahrheit gesagt zu haben. Denn Ulbrich hatte suggeriert, mit dem Bau der neuen Unterkunft würde Leipzig geradezu die Geflüchtetenzahlen befeuern, statt dass der Oberbürgermeister hinginge und in Dresden oder Berlin die Überforderung der Kommune einklagte.
Raus aus den Zelten
Dabei stehen in der Vorlage zwei Dinge, die beide ganz allein Leipzig betreffen.
Das erste ist: „Von Ende 2021 bis Ende 2023 stieg die Zahl der zugewiesenen Personen von 968 auf 2.100 stark an. Alle verfügbaren Kapazitäten wurden in Betrieb genommen. Da die Platzzahl den-noch nicht ausreichte, war zusätzlich die Errichtung von Notunterkünften erforderlich (Messehalle, Zeltstandorte und Hotels). Notunterkünfte sind jedoch nur zur vorübergehenden Unterbringung von Geflüchteten geeignet und verursachen hohe Aufwendungen für Betrieb und Unterhaltung.
Im Jahr 2024 sank in Deutschland die Zahl der Erstanträge auf Asyl im Vergleich zu 2023 um etwa 30 Prozent. In Leipzig ging die Zahl der Zuweisungen im selben Zeitraum um 21 Prozent zurück. Sie blieb jedoch mit 1.655 Zuweisungen 2024 auf hohem Niveau. Es besteht daher auch künftig in Leipzig Bedarf an geeigneten, langfristig nutzbaren Unterbringungskapazitäten für Geflüchtete. So betrug im Dezember 2024 die Gesamtkapazität 5.736 Plätze. Im Dezember 2025 wird laut Prognose eine Gesamtkapazität von 6.664 Plätzen benötigt, also 928 Plätze mehr.“
Das heißt: Das Wohnprojekt ist eine dringend benötigte Lösung, um die oft seit vielen Monaten in Zelten untergebrachten Geflüchteten in wirklich menschenwürdige Unterkünfte zu bringen. Die Zeltunterbringung ist nicht nur eine der unzumutbarsten und verhindert eine mögliche Integration der Geflüchteten, sie ist – so Grünen-Stadträtin Katharina Krefft – auch eine der teuersten Formen der Unterbringung. Denn die Zelte werden in der Regel gemietet und es laufen viel höhere Kosten auf im Lauf der Zeit als bei einer festen Unterkunft.
Und hinzu kommt, dass das Objekt in der Diezmannstraße so gebaut werden soll, dass es nach einer Nutzung für Geflüchtete auch für andere Bedarfe an sozialer Unterbringung in Leipzig genutzt werden kann. Und die Geflüchteten, die hier unterkommen sollen, sollen auch nicht abgeschoben werden oder dauerhaft hier bleiben, sondern möglichst bald in eine reguläre Mietwohnung umziehen können. „Das muss unser oberstes Ziel sein“, sagte Linke-Stadträtin Juliane Nagel.
Ein Ziel, das aber schwer zu erreichen ist derzeit. Denn den knapp gewordenen (bezahlbaren) Wohnungsmarkt bekommen nicht nur die Leipzigerinnen zu spüren. Der verhindert auch, dass Asylsuchende eigene Wohnungen beziehen und sich eine unabhängige Existenz aufbauen können.
Denn während die AfD permanent von „illegaler Migration“ redet (eine reine Erfindung übrigens der Rechtsextremen, auch wenn die Formel auch in den Sprachgebrauch konservativer Politiker eingesickert ist), ist eine Kommune wie Leipzig gut beraten, die der Stadt zugewiesenen Menschen möglichst gut in die Stadtgemeinschaft zu integrieren.
Entsprechend deutliche Kritik bekam Ulbrich für sein Gerede dann eben auch von Sven Morlok und Juliane Nagel.
Zu teuer?
Während die CDU-Fraktion eine andere Ausrede fand, der Vorlage nicht zuzustimmen, obwohl das Bauprojekt Diezmannstraße ein funktionierendes Vorbild schon in der Arno-Nitzsche-Straße hat. Hier war es das Geld. 20, 25 Millionen Euro fand CDU-Stadtrat Karsten Albrecht zu viel für das ganze Vorhaben und kündigte an, dass seine Fraktion deswegen gegen die Vorlage stimmen würde.
Im Ergebnis gab es also zwei Fraktionen, die gegen die Vorlage stimmen wollten.
Das Resultat war dann aber trotzdem deutlich mit 34:24 Stimmen für die Vorlage aus dem Sozialdezernat, in die der Änderungsantrag der Grünen eingegangen war. Sie hatten eine besondere Fachkunde beim künftigen sozialen Betreuer der Einrichtung verlangt.
Ein Problem, um das sich das Sozialdezernat noch kümmern muss – das sprach Linke-Stadtrat Sören Pellmann gesondert an – sind die Sorgen der Pächter aus der benachbarten Kleingartenanlage, denn mehrere Parzellen werden verschattet, wenn der Bau errichtet wird. Da müsse das Sozialdezernat unbedingt das Gespräch mit den Kleingärtnern suchen, so Pellmann. Das sagte Sozialbürgermeisterin Dr. Martina Münch auch zu. Der Weg ist also frei für die Errichtung der Unterkunft.
Baubeginn soll im Juli 2025 sein, Fertigstellung Ende 2027, sodass die ersten Nutzer Anfang 2028 einziehen können.
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