Wenn Insekten rar werden, haben viele Vogelarten nichts mehr zu fressen. Und das macht sich mittlerweile auch in der vom NABU veranstalteten deutschlandweiten Vogelzählung „Stunde der Gartenvögel“ bemerkbar: Mittlerweile werden auch Sperlinge, Amseln und Meisen in unseren Gärten und Städten seltener. Da dürfte eigentlich kein Umweltminister mehr ruhig schlafen können.

Gründe für den Schwund der Insekten und – ihnen nachfolgend – der insektenfressenden Vögel, gibt es viele. Aber fast alle sind sie menschgemacht. Und Sachsens Landwirtschaftsminister Thomas Schmidt (CDU) hat einfach unrecht, wenn er die Hände in den Schoß legt, weil es augenscheinlich die eine eindeutige Ursache nicht gibt. Denn alle Zeichen deuten darauf hin, dass es gerade die Summe aller Negativeinflüsse (Insektizideinsatz, Verschwinden von Blühwiesen und anderen Biotopen, Monokulturen, „englischer Rasen“, Totalsanierungen usw.) sind, die dafür sorgen, dass die Masse der Insekten und Vögel drastisch zurückgeht und wichtige Arten verschwinden.

Der NABU hatte von Vatertag bis Muttertag zur 14. Stunde der Gartenvögel aufgerufen. Bis zum 21. Mai sollten die Vogelzählungen per Internet oder per Post an den NABU übermittelt werden. Nun kann Bilanz gezogen werden. Diese ist aber größtenteils schlecht, stellt der NABU Sachsen fest. Die häufigsten Arten – insbesondere die Insektenfresser – weisen deutlich negative Trends auf.

An der diesjährigen Zählung beteiligten sich bundesweit insgesamt knapp 56.000 Vogelfreunde, im Vorjahr waren es knapp 61.000 Menschen. Gezählt wurden bundesweit 1.244.151 Vögel in 36.841 Gärten. In Sachsen beteiligten sich gut 3.000 Vogelfreunde (3.042) an der Aktion, im Vergleich zu 3.639 Teilnehmern im Vorjahr und 5.850 bei der diesjährigen Stunde der Wintervögel (Stand 04.06.2018). Bis heute haben die sächsischen Teilnehmer 69.199 Vögel in 1.944 Gärten gezählt und gemeldet.

Die Ergebnisse in Sachsen sind jedoch wenig erfreulich, auch wenn insgesamt mehr Vögel pro Garten beobachtet wurden als im Vorjahr (knapp 36 Exemplare (Ex.) pro Garten). Bundesweit wurden pro Garten im Schnitt sogar nur 33,8 Vögel gemeldet. Das ist die niedrigste Vogelzahl seit Beginn der Aktion und ein Minus von über fünf Prozent gegenüber dem Vorjahr und dem langjährigen Mittel.

Mauersegler. Foto: Ralf Julke
Mauersegler. Foto: Ralf Julke

Besonders bei den häufigsten Gartenvögeln zeigen sich reihenweise Negativ-Rekorde: Star, Amsel, Sperlinge, Mauersegler und die wichtigsten Meisenarten weisen Rückgänge von bis zu 17 % (Mauersegler) auf. Die Ergebnisse bestätigen damit indirekt die Feststellungen über einen Verlust der Insekten-Biomasse. Denn gerade die Insektenfresser sind es, bei denen die größten Rückgänge zu verzeichnen sind.

In Sachsen ist die Bilanz bei den wichtigsten Arten sogar noch negativer. Unter den acht meistgesichteten Vogelarten weist nur der Spatz – wieder die Nummer 1 – einen leicht positiven Trend im Vergleich zum Vorjahr auf (9.726 Exemplare, + 4 %). Dennoch: Spatzen – eigentlich standorttreue, hier überwinternde Vögel – wurden in der Frühjahrszählung in Sachsen nur gut ein Drittel so viele Exemplare gezählt wie bei der NABU-Wintervogelzählung (21.251 Exemplare). Und den stärksten Beobachtungsrückgang weist die früher allgegenwärtige Kohlmeise auf.

Auf den Plätzen 2 bis 8 folgen die großen Verlierer mit teilweise über 20 % Beobachtungs-Rückgang: Star (7.417 Exemplare, – 9%), Amsel (5.692 Exemplare, – 14%), Kohlmeise (4.781 Exemplare, – 21%), Feldsperling (4.504 Exemplare, – 14%), Blaumeise (3.978 Exemplare, – 18%), Mauersegler (3.894 Exemplare, – 17%) und Elster (2.792 Exemplare, – 5%).

Die schlechten Ergebnisse liegen leider auch nicht an der geringeren Beteiligung, betont der NABU Sachsen. Diese ist schon einberechnet, da ja die Ergebnisse in Relation zu den beobachteten Gärten gesetzt werden und der Trend bei den Beobachtungen (Nachweise) pro Garten genannt wird.

Der erste kleine Lichtblick in diesem Jahr in Sachsen liegt auf Platz 9: die Mehlschwalbe (2.178 Exemplare, +18 %), ebenfalls ein Insektenfresser, für den sich der NABU Sachsen im Rahmen des Projekts „Schwalben willkommen!“ besonders einsetzt. Dabei liegt der aktuelle Stand noch unter dem Niveau von 2012. Auch die Rauchschwalbe, die ebenfalls durch das Projekt gefördert wird, weist 2018 einen signifikant positiven Trend auf (+ 12%), hat aber nun erst wieder den Stand von 2012 erreicht.

Dabei handele es sich also auch nur um eine Momentaufnahme. Die positiven Zahlen aus Sachsen in diesem Jahr könnten deshalb auch mikroklimatisch bedingt oder lediglich ein Zeichen für eine höhere Aufmerksamkeit, die diesen Arten mittlerweile zukommt, sein.

Der Mauersegler, eine ebenfalls insektenfressende Seglerart, hat hingegen einen deutlich negativen Trend (- 17 %). Dies könnte ein Hinweis auf die vom NABU immer wieder thematisierten Verluste von Niststätten durch den aktuellen Bauboom, durch Sanierungen, bei denen artenschutzrechtliche Vorgaben nicht beachtet werden, sein. Den Verlust von Lebensstätten hat der NABU Leipzig zum Beispiel auf seiner Webseite dokumentiert.

Von den sächsischen Zahlen zu Schwalben und Seglern lässt sich auch nicht auf einen bundesweiten Trend schließen; im Gegenteil, hier sind auch die Zahlen für die Mehlschwalbe (- 8 %) und den Mauersegler (-17 %) negativ; nur die Rauchschwalbe legte mit + 6 % leicht zu.

„Auffallend ist, dass fast alle diese Arten Insektenfresser sind“, kommentiert NABU-Vorsitzender Bernd Heinitz. „Insofern passt das Ergebnis allzu gut zu den aktuellen Daten über den Rückgang der Insektenmasse. Denn durch unsere Wirtschafts- und Lebensweise entziehen wir unseren gefiederten Freunden offensichtlich langfristig die Lebensgrundlage.“

Nach den aktuellen Zahlen sind wir also, was die Vogelbestände betrifft, leider doch nicht „zurück auf normal“, wie der NABU Sachsen noch nach der Wintervogelzählung gehofft hatte. Im Gegenteil: Im langjährigen Trend scheint sich eher zu bestätigen, was die wissenschaftlich erhobenen Zahlen zum Beispiel zu den Vögeln der Agrarlandschaft schon seit Langem zeigen: Es gibt einen stetigen Rückgang an Vögeln, auch anpassungsfähigen „Allerweltsvögeln“, in unserer Kulturlandschaft und auch in den Gärten und Parks. Das hat gerade auch wieder der Wissenschaftliche Beirat für Biodiversität und Genetische Ressourcen beim BMEL in seinem aktuellen Gutachten zur GAP-Reform festgestellt.

Die besorgniserregenden Ergebnisse zeigen, dass mehr zum Schutz der Vögel getan werden muss. „Jeder kann seinen Beitrag leisten und damit beginnen, seinen Garten, Balkon oder Hof vogel- und insektenfreundlicher zu gestalten“, regt Heinitz an. „Zudem muss das anhaltende Insektensterben umgehend gestoppt werden.“

Der NABU Sachsen bedankt sich bei allen Teilnehmenden!

Die nächste Vogelzählung findet zur Stunde der Wintervögel vom 4. bis 6. Januar 2019 statt.

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