VideoEs ist schon ein seltsames Gefühl, angesichts der aktuellen Geschehnisse vom Sonntag und sicherlich auch noch am heutigen Montag in Chemnitz über eine Veranstaltung zu erzählen, die genau gegen den Ungeist des Gegeneinanders und des Hasses angehen möchte, welcher dort gerade ausgebrochen ist. Das 4. Brückenfest in Leipzig stellte am Samstag, 25. August, an der Sachsenbrücke Vereine und Initiativen vor, die sich täglich um Integration und Miteinander mühen. Eingeladen waren auch Musikprojekte, in welchen zum Beispiel Menschen aus verschiedenen Nationen gemeinsam musizieren. Höhepunkt war das Konzert von Mono & Nikitaman gemeinsam mit Frontmann Mal Élevé von Irie Révoltés.

Bereits zum vierten Mal trafen sich Vereine und Parteien von Grünen über Linke und SPD auf Einladung der Initiative „Leipzig nimmt Platz“ unter dem Motto „ankommen. platznehmen. mitgestalten.“ auf der Sachsenbrücke, um eben das zu versuchen, was gerade in Chemnitz nicht funktioniert. Statt Abgrenzung und Hass der tägliche Versuch, mit dem Anderen ins Gespräch zu kommen, gemeinsame Wege zu suchen – wie zum Beispiel bei der Initiative „Kontaktstelle Wohnen“, welche Geflohenen bei der Suche nach einer eigenen Wohnung hilft. Oder einem Rechtshilfekollektiv, welches bei den oft schwer verstehbaren Formularen der Ausländerbehörde bis hin zur Rechtsberatung Menschen unterstützt, die unberechtigte Ablehnungsbescheide erhalten.

Der Effekt? Man lernt sich kennen und verstehen, frustrierende Ersterfahrungen im Ankunftsland Deutschland werden gemeinsam verarbeitet, Lösungen gefunden, Integrationsarbeit „von unten“ geleistet. So mancher, der sich verstanden fühlt, findet sich auf einmal besser zurecht, hat neben Bekannten aus dem eigenen Land auch deutsche Bezugspersonen – ganz nebenbei kommt auch so ein bereichernder Kulturaustausch in Gang, den keine Behörde und kein Staat aufoktruieren oder befehlen kann.

Das Brückenfest 2018, Impressionen & Bands des Jahres 2018. Video: L-IZ.de 

Bemerkenswert auch an diesem 25. August in Leipzig der hohe Anteil von engagierten Frauen in den Vereinen und Initiativen – ganz im Gegensatz zu Pegida-Veranstaltungen in Dresden oder den nun in Chemnitz gestern stattgefundenen Menschenaufläufen rechtsradikaler Hooligans und eventhungriger Jugendlicher mit dem Handy in der Hand. Je länger man auf diese „Verteilung“ schaut, umso deutlicher wird der Unterschied. Hier empathische Grundhaltungen, gesellschaftliche Probleme im gegenseitigen Verständnis mit ausgestreckten Händen und Kommunikation zu lösen – da Abgrenzung, Aggressionen und Gewalt, ein sich aufschaukelndes Gegeneinander vor allem durch und unter Männer(n).

Wie aktuell das 4. Brückenfest also angesichts des „Hutbürgers“ bei Pegida, den Demonstrationsversuchen der Identitären Bewegung in Dresden, dem sich sammelnden Mob in Chemnitz samt versuchter Selbstjustiz oder der knapp gelungenen Untersagung eines Rechtsrockkonzerts in Thüringen am gleichen Wochenende war, kann man gar nicht genug herausheben.

Auch nicht, dass auch in diesem Jahr in der Zeit von 14 bis 22 Uhr mehrere tausend Leipziger zur Sachsenbrücke kamen, um einen anderen Weg zu finden als Hass und am Ende dessen immer Verletzte und Tote zu erleben. Angesichts der derzeitigen Zustände in Sachsen scheinen die Lichter, welche Mono & Nikitaman gemeinsam mit Frontmann Mal Élevé von Irie Révoltés am Ende der Veranstaltung auf der Bühne entzündeten, wenig zu sein. Doch sie sind es nicht, wenn am Ende des Auftrittes Band und Publikum gemeinsam skandierten: „Refugees are welcome here“.

Es kann nur dieses Versprechen auf ein gewolltes und angestrebtes friedliches Miteinander sein, was sich am 25. August den mittlerweile berüchtigt gewordenen sächsischen Verhältnissen mal wieder in Leipzig entgegenstellte.

Die Bilder des Tages (alle L-IZ.de)

Die neue Leipziger Zeitung Nr. 58 ist da: Ein Mann mit dem Deutschlandhütchen, beharrliche Radfahrer, ein nachdenklicher Richter und ein hungriges Leipzig im Sommer 1918

Ein Mann mit dem Deutschlandhütchen, beharrliche Radfahrer, ein nachdenklicher Richter und ein hungriges Leipzig im Sommer 1918

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