Im Juli berichteten wir erstmals über die Initiative des Bündnisses „Leipzig fürs Klima“, in Leipzig eine sogenannte Doomsday-Clock zu installieren, die zwar nicht den Weltuntergang anzeigen soll, aber den Tag, an dem Deutschland sein CO2-Budget aufgebraucht hat, also jene Menge an CO2, die Deutschland maximal noch auspusten darf, wen das 1,5-Grad-Ziel eingehalten werden soll. Mittlerweile ist die Hälfte der benötigten Finanzierung beisammen.

Seit Juli läuft die Crowdfunding-Kampagne beteiligt, um eine sogenannte CO2-Uhr in Leipzig zu installieren. Träger ist das Bündnis „Leipzig fürs Klima“. „Wir haben jetzt nahezu 50 % des finanziellen Ziels erreicht“, berichtet Thomas Baumeister, der für den BUND Leipzig die Kampagne unterstützt.„Zentrales Ziel der Aktion ist es, das Klimathema in Zeiten des Wahlkampfes in der öffentlichen Wahrnehmung nach vorne zu rücken“, erklärt er. Denn spätestens seit der Hochwasserkatastrophe im Ahrtal ist klar, dass Deutschland dringend handeln muss. Und zwar doppelt – mit dem Umbau des Landes hin zu einer Resilienz gegenüber den absehbar häufigeren und stärkeren Extremwetterereignissen.

Und zum zweiten muss das Land endlich seinen enormen Treibhausgasausstoß reduzieren. Und das nicht in einem Schneckentempo wie beim beschlossenen Kohleausstieg bis 2038, sondern eigentlich binnen sechs Jahren. Denn die wertvollen vergangenen 30 Jahre hat auch Deutschland vertrödelt – und damit auch die wichtigen Jahre, in denen die Bevölkerung eingebunden gewesen wäre in eine komplette Änderung unseres Alltags.

Auf der Kampagnenseite heißt es dazu: „Schon vor knapp 50 Jahren hat der Club of Rome mit seinem Bericht ‚Die Grenzen des Wachstums‘ auf die menschengemachte Klimakrise aufmerksam gemacht. Doch bis heute wurde zu wenig unternommen, um sie in den Griff zu bekommen. So verbleiben uns inzwischen nur noch etwa 6,5 Jahre, bis das CO2-Budget aufgebraucht ist, welches uns rechnerisch zur Verfügung steht, um die Erderhitzung um 1,5 Grad nicht zu überschreiten.“

„Die CO2 Uhr ist hierfür sinnvolles Symbol“, betont Baumeister. „Die Umsetzung bzw. Installierung soll die Stadt Leipzig an einem zentralen Ort übernehmen. Wir übergeben ihr dafür die gesammelte Summe. Informell wurde uns von verantwortlicher Stelle bereits Zustimmung signalisiert.“

Und am Ende könnte es dann so aussehen wie in der Fotomontage zur Kampagne: Etwa an der alten Hauptpost könnte die Uhr dann die Zeit herunterzählen, die noch bleibt, bis Deutschland sein fiktives CO2-Budget aufgebraucht hat. Die Uhr kann natürlich auch langsamer laufen, wenn die Bundesrepublik schnellstens daran geht, wirklich die größten Treibhausgas-Emittenten aus dem Netz zu nehmen.

Aber sechs Jahre sind natürlich für ein Land, in dem selbst politische Entscheidungsprozesse oft länger dauern, eine verflixt kurze Zeit. Und wenn dann bei der Bundestagswahl doch wieder die Bremser in die Regierung gewählt werden, kann man selbst dieses Minimalziel vergessen.

„Die Klimaschutzorganisationen adressieren Politik in der Regel mit Forderungen. Wir verändern die Kommunikation etwas, indem wir im ersten Schritt ein ‚Geschenk‘ anbieten und daran eine Forderung knüpfen“, sagt Baumeister.

Freilich entfachte der Start der Kampagne auch eine Debatte. Auch LZ-Leser meinten, es wäre ja eigentlich Nonsens, Leipzigs Verwaltung so eine Uhr anbringen zu lassen, das wäre ja wie ein Feigenblatt für eine ebenso kümmerliche Klimaschutzpolitik. Denn Leipzig verfehlt die selbstgesetzten Klimaschutzziele ja noch viel früher.

Ein ratloses Männlein symbolisierte es 2020, als OBM Burkhard Jung das „Sofortmaßnahmenprogramm zum Klimanotstand“ vorlegte. Leipzig wird, wenn die Stadt nicht die Kurve kriegt, sein fiktives CO2-Budget schon 2026 aufgebraucht haben.

Die sprechende Grafik aus dem Sofortmaßnahmenprogramm des OBM von 2020. Grafik: Stadt Leipzig
Die sprechende Grafik aus dem Sofortmaßnahmenprogramm des OBM von 2020. Grafik: Stadt Leipzig

Und entsprechend wurden auch die Initiatoren der CO2-Uhr mit einigen durchaus ernst zu nehmenden Fragen konfrontiert: „Motiviert oder demotiviert eine solche ‚Doomsday‘-Anzeige? Wenn es sie bereits virtuell gibt, warum zudem eine physische Aufstellung im öffentlichen Raum, wie ein ‚Denkmal‘? Welche Botschaften können auf einem Banner unter der Uhr verbreitet werden, damit die Uhr Veränderungen bewirkt? Was wäre ein geeigneter Ort? Warum soll man der Stadt dafür Geld anbieten bzw. vorher sammeln? Warum stellen wir sie nicht alleine ohne Beteiligung der Stadt auf?“

„Die Fragen verdeutlichen, dass sich am Beispiel dieser Aktion auch trefflich auf einer Metaebene analysieren bzw. darüber spekulieren lässt, wie Klimaschutzkommunikation gelingt“, sagt Baumeister. Und betont: „Wir arbeiten hier mit zwei Paradoxien, ‚Restzeit‘ soll motivieren und Geld sammeln für die Politik.“

Und natürlich verdeutlichen all die Fragen auch, wie groß das Misstrauen in Verwaltung und Politik inzwischen ist. Und dass die Uhr natürlich nicht sagt, wer denn nun eigentlich was machen muss, damit wenigstens Leipzig schleunigst klimaneutral wird. Denn das braucht auch eine Verhaltensänderung bei den Bürgern und Bürgerinnen selbst.

Einfach nur auf Uhren starren und abwarten, ob sich was ändert, bringt ja nichts. Die Uhr zeigt ja nur, dass auch dieses ach so mutige Leipzig bald die Leine reißt und es – trotz vollmundiger Ankündigungen im Jahr 2014 – schlicht nicht schafft, seine Treibhausgasemissionen zu senken.

Und das wieder hat damit zu tun, dass auch die zuständige Verwaltung lieber nur schöne Broschüren drucken ließ, als wirklich in den entscheidenden Politikfeldern das Steuer herumzureißen.

Das hat erst der Stadtrat getan, als der das nachhaltige Mobilitätsszenario beschloss (2018), den Klimanotstand (2019) und den Ausstieg aus der Kohle (2017). Alle drei Punkte vorher im Klimaschutzprogramm der Stadt überhaupt nicht enthalten. Und während die Stadtwerke wenigstens erst mal mit einem Gaskraftwerk die Fernwärmelieferungen aus dem Kohlekraftwerk Lippendorf beenden, gibt es noch längst keine spürbaren Fortschritte bei den anderen beiden Punkten.

Da ist auch Leipzig wie ein Riesentanker, der ungebremst aufs Ufer zufährt, während die Maschinen noch nicht mal gedrosselt sind. Nur so ein bisschen eben, so nach dem Motto: soll ja keiner merken oder gar sein Verhalten ändern.

Vielleicht hilft ja die Uhr des Bündnisses „Leipzig fürs Klima“ dabei, wenigstens sichtbar zu machen, wie der Bremsweg immer weiter in sich zusammenschnurrt, während die meisten von uns gedankenlos weitermachen wie bisher.

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