Kriege, Klima- und Energiekrisen, Populismus, Überschwemmungen, Dürre, Waldbrände, mehr Armut und eine immer größere Kluft zwischen Arm und Reich – die Gesellschaft steht vor tiefgreifenden Herausforderungen. Doch wie lassen sich politische Lösungen für alle Menschen finden – auch für Kinder und Jugendliche? Schon jetzt zählen junge Menschen aufgrund der demografischen Entwicklung zu einer Minderheit. Das Durchschnittsalter im Bundestag beträgt 47 Jahre. Wie kann eine gerechtere Zukunft aussehen, in der alle mitreden?
In der auch die Perspektive junger Menschen berücksichtigt wird? Einem generationengerechten und demokratischen Diskurs widmet sich das Theater der Jungen Welt Leipzig (TDJW) in seinem Großtheaterprojekt „Hello Atmosphere“ und „Rat der Generationen“.
Warum nicht gleich direkt nach Berlin?
In diesem Rahmen fährt eine Delegation aus Mitgliedern des Rates der Generationen am 27. Juni 2025 nach Berlin in den Deutschen Bundestag. Die Leipzigerinnen und Leipziger im Alter zwischen 10 und 74 Jahren übergeben dort den Leipziger Bundestagsabgeordneten der Fraktionen von SPD, Linken, Grünen und CDU ihre politischen Anregungen und besuchen das Bundestagsplenum. Für viele Beteiligte ist dies der erste direkte Kontakt zur Realpolitik – ein Moment, der politische Kultur mit partizipativer Erfahrung verbindet und stärkt.
Mitbestimmung kennt kein Alter
Der Rat der Generationen besteht aus 30 Leipzigerinnen und Leipzigern aus verschiedenen Stadtteilen, Berufen und Lebensrealitäten. Er hat sich im April 2025 als ideelles Gremium mit dem Ziel gegründet, junge Stimmen in einer alternden Gesellschaft zu stärken.
Die Ratsmitglieder beschäftigen sich mit den Auswirkungen einer zunehmenden Generationenungerechtigkeit – sei es in der Klimakrise, bei Fragen der Pflege, der Bildung oder beim Thema Kinderrechte. Allein mit dem Besuch des Rats der Generationen, der zur Hälfte mit Kindern und Jugendlichen besetzt ist, sinkt das Durchschnittsalter im Bundestag von 47 auf 41,86 Jahre.
„Wie fühlt sich Zukunft an, wenn man 14 ist – und wie, wenn man 74 ist? Diese Perspektive möchten wir überhaupt bewusst machen“, erklärt Dramaturgin Maria Obermeier. „Ziel ist, die Forderungen, Erfahrungen und Wünsche aus der altersgemischten Gruppe zu platzieren, und den erwachsenen Entscheidungsträgern zu übermitteln.“
Rat der Generationen tagt vier Tage am TDJW in Leipzig
Entstanden sind die Impulse und die teilweise sehr praktischen Zukunftsideen während gemeinsamer Treffen seit April 2025. Auf einer Tagung des Rats der Generationen vom 21. bis zum 24. Juni 2025 im Theater der Jungen Welt Leipzig werden sie weiter verfeinert.
Dort treten die Ratsmitglieder, die sonst wenig Berührungspunkte miteinander haben, unter Anleitung der „Gesprächsanstifter*innen“ der Geheimen Dramaturgischen Gesellschaft in den Dialog. Dabei probieren sie Regeln für ein faires, gerechtes Sprechen zwischen den Generationen – zum Beispiel, dass die jüngste Person immer zuerst spricht, welche Redezeiten für welchen Jahrgang gelten und ob Zustimmung immer per Hand erfolgen muss.
„Im ‚Rat der Generationen‘ findet statt, was in Politik und Gesellschaft oft fehlt: Kinder und Jugendliche sind zur Hälfte im Rat vertreten. Dort kommen sie mit der anderen Hälfte der Erwachsenen in den Austausch, wie eine generationengerechtere Zukunft aussehen kann“, sagt die künstlerische Leiterin Katrin Maiwald. „Der Austausch birgt utopisches Potenzial, wie wir zukünftig miteinander leben möchten.
Gleichzeitig entstehen konkrete Verabredungen und Visionen für Schulen, Pflege, Umwelt und Wirtschaft, die unsere Ratsmitglieder in ihrem Umfeld direkt umsetzen und die hoffentlich politische Entscheidungsträger*innen inspirieren und uns allen Mut für die nötigen Transformationen machen.“
Vorschläge erstmals auf der Ratsversammlung am 24. Juni
„Junge Menschen brauchen nicht nur Aufmerksamkeit, sie brauchen echte Bühnen für ihre Anliegen. Mit dem ‚Rat der Generationen‘ treiben wir diesen Impuls weiter: Wir schaffen Raum, in dem junge Stimmen hörbar werden – und in dem darüber verhandelt wird, wie sie konkret wirksam sein können“, erklärt TDJW-Intendantin Winnie Karnofka.
„Generationengerechtigkeit beginnt damit, Kinder und Jugendliche konsequent an gesellschaftlichen Aushandlungsprozessen zu beteiligen. Wir freuen uns sehr, dass sowohl die Bundestagsabgeordneten als auch die Kulturstiftung des Bundes dieses Anliegen unterstützen und damit ein klares Zeichen für die Zukunftsfähigkeit unserer Demokratie setzen.“
Die Kulturstiftung des Bundes finanziert das Großtheaterprojekt mit über 100.000 Euro. Es besteht aus der Open-Air-Inszenierung „Hello Atmosphere“ (Premiere ist am heutigen 20. Juni um 18 Uhr im Robert-Koch-Park) und dem damit zusammenhängenden Beteiligungsprojekt „Rat der Generationen“.
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