Irgendwie dürften die Leipziger so langsam das Gefühl bekommen, es gäbe wieder was zu verteilen im Leipziger Haushalt. Da sind auf einmal 1 Million Euro für den Katholikentag drin, da ist das Panik-Programm für die Kulturbetriebe vom Tisch und es wird wieder investiert. Und auch die Leipzig Tourismus und Marketing GmbH soll mehr Geld bekommen. Das schlägt jetzt das Dezernat Wirtschaft und Arbeit vor.

Bis 2005 galt für die Marketing-Tochter der Stadt Schrumpfen und Sparen. Wollte der damalige LTS, aus dem dann die LTM wurde, mehr organisieren, sollten Drittmittel eingeworben werden. Mit einem Zuschuss von 1,8 Millionen Euro sollte gehaushaltet werden.

Nun soll es – in 200.000er-Schritten – auf 2,5 Millionen Euro hoch gehen.

Als Begründung liefert die Vorlage die gestiegenen Besucherzahlen in Leipzig: “Mit aktuell 2,7 Mio. Übernachtungen und einem stetigen positiven Wachstumstrend hat die Stadt Leipzig die große Chance, bis 2015 die Übernachtungen auf über 3,0 Mio. zu erhöhen und die Anzahl der Tagesbesucher weiter auszubauen. Bis 2018 wird eine Übernachtungszahl von 3,5 Mio. Übernachtungen angestrebt. Um daher die steigende Nachfrage weiterhin professionell bedienen zu können, die Wachstumsziele zu erreichen und im Wettbewerb mit anderen Destinationen zu bestehen, bedarf es der personellen und finanziellen Aufstockung des Unternehmens. Das Ziel liegt in einer Erhöhung der Grundfinanzierung auf 2,5 Mio. Euro.”

200.000 gibt es schon 2014. Aber die sind konkret zur Finanzierung des Lichtfestes zum 25. Jahrestag der Friedlichen Revolution vorgesehen. In den Folgejahren soll dieser Zuschuss verstetigt werden und jedes Jahr um weitere 200.000 Euro aufgestockt werden.

Rund 200.000 Euro sollen dabei allein zur Schaffung von 4,5 neuen Stellen eingesetzt werden: eine Stelle Marktbetreuung Vertrieb/Marketing (Kongresse, Tagungen, Incentives), eine Stelle Projektassistenz touristisches Marketing/Vertrieb (Betreuung von Presse- und Studienreisen im Bereich Tourismusmarketing In- und Ausland) sowie Unterstützung der Marketingaktivitäten Ost- und Südwesteuropa, eine Stelle Manager Online-Marketing/PR und eine weitere Stelle Mitarbeiter Touristinformation/ Callcenter/ Service. Macht 180.000 Euro, wozu noch 16.000 Euro an Büroausstattung, Miete usw. kommen sollen.

Eine gibt es seit dem Frühjahr schon als halbe Stelle: die eines Social Media Managers. Sie soll auf eine Vollzeitbeschäftigung erweitert werden.

Für die zusätzliche Bearbeitung des Auslandsmarktes sollen 73.000 Euro extra aufgewendet werden.

Für die Inlandsbearbeitung – insbesondere die Ausweitung der Plakataktionen – rechnet man mit zusätzlichen 155.000 Euro. Das Urvertrauen in die Wirkung von Plakatwänden scheint im Leipziger Marketing ungebrochen zu sein.

Einer Gehaltsanpassung der Mitarbeiter in Höhe von 3,5 Prozent steht noch aus. Macht noch einmal 75.000 Euro.

Macht zusammen dann 500.000 Euro. Was dann noch nicht erklärt, was mit den 200.000 Euro, die man 2014 extra bekommen hat, 2015 bis 2017 passieren soll.Die neuen Aufgabenbereiche hat sich die LTM selbst geschaffen. Nur fehlt bis heute eine echte Analyse dazu, aus welchen Gründen die Besucherzahlen in Leipzig steigen. Dass die Attraktivität der Stadt gewachsen ist – keine Frage. Das lockte 2013 nicht nur 2,7 Millionen Übernachtungsgäste nach Leipzig, sondern auch 34 Millionen Tagesausflügler. Die neben dem Zoo und anderen Sehenswürdigkeiten auch die City genossen haben. Auch zum Shoppen und Flanieren. Aber für deren Vermarktung der City ist eigentlich die City-Gemeinschaft zuständig. Doch irgendwie scheint das mittlerweile auch in den Aufgabenbereich der LTM gerutscht zu sein. In der Vorlage der Verwaltung heißt es dazu: “Die Innenstadt benötigt auch aufgrund der deutlichen Ausweitung der Verkaufsflächen (Höfe am Brühl, Hainspitze etc.) und der Chancen durch die optimierte Anbindung durch den Citytunnel stärkere Vermarktungsimpulse.”

Wie nennt man das? Die Verschiebung von Privatinteressen in die Kostenbilanz des Steuerzahlers? Oder das Kaschieren der Tatsache, dass sich die Planer mit dem Bau ihrer riesigen Einkaufsgalerien verkalkuliert haben und jetzt Schützenhilfe durch die Stadt benötigen, damit die Buden funktionieren?

Andererseits wird im Papier auch die Zahl genannt, die Volker Brehmer erst kürzlich als “erreichbar” genannt hat: 3,5 Millionen Übernachtungsbesucher in Leipzig bis 2015. Was irgendwie an das Versprechen von LVB-Geschäftsführer Ulf Middelberg erinnert, mit 45 Millionen Euro Zuschuss kämen die LVB auch hin. So kündigen sich politische Entscheidungen an, bevor die Leipziger Stadträte auch nur erfahren, dass es schon Entscheidungen gibt. Aus den 3,5 Millionen “möglichen” Leipzig-Touristen wird jetzt ein Arbeitsziel, für das man unbedingt mehr Personal braucht. Vor allem um Märkte in Skandinavien, Südwesteuropa und Japan oder “Zukunftsmärkte” der BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien und China) zu bearbeiten.

Was nach “Hauruck” klingt und nicht nach einer nachhaltigen und langfristig tragenden Markteting-Strategie.

Die Ausschüsse des Stadtrates sollen im September über dem Papier grübeln. In der Stadtratssitzung am 15. Oktober soll der Stadtrat einen Beschluss dazu fassen.

Die Vorlage: http://notes.leipzig.de/appl/laura/wp5/kais02.nsf/docid/CBF11DFD2495F296C1257D20002E0515/$FILE/V-ds-3990-text.pdf

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