Noch haben wir es gemeinsam nicht geschafft, alle wichtigen Jubiläumsfeiern 2019 auch im Festkalender der Stadt unterzubringen. Das ist leider eine Sisyphos-Arbeit. Anfangs wollte die Stadt ja 2019 nur irgendwie „30 Jahre Friedliche Revolution“ feiern. Dann standen mehrere Stadträtinnen auf und forderten zwingend ein Festjahr für Clara Schumann, deren 200. Geburtstag ansteht. Und dass das etwas Erstaunliches verändert, zeigt jetzt die Neufassung zu „Clara19“.

Aber zwei Jubiläen, die da nahen, sind eigentlich sehr wichtig – aber es fand sich einfach keiner, der dafür intensiv gekämpft hätte, sie im Kalender zu verankern. Das erste ist der 100. Todestag von Karl Liebknecht im Januar. Aber das ist halt ein Thema, das aufs Engste mit der Novemberrevolution 1918 zusammenhängt, die im Leipziger Jubiläumsreigen 2018 ja ebenfalls nur mit Fingerspitzen angefasst wird. Als wäre das eine Ätschibätschi-Revolution gewesen.

Und das andere ist der 200. Geburtstag von Carl Heine, ohne den es die rasante industrielle Entwicklung Leipzigs im 19. Jahrhundert nicht gegeben hätte. Eigentlich hätte man erwartet, dass sich hier sämtliche Bürgervereine aus dem Leipziger Westen in die Bresche werfen. Aber still ruht der See bzw. der Karl-Heine-Kanal.

Und was ist mit „Clara19“?

Sie brachte uns im Ratsinformationssystem eine Premiere – gelb untermalt. Denn was die meisten Bürger und auch die meisten Stadträte nicht sehen, wenn sie Vorlagen der Stadt lesen, ist die simple Tatsache, dass sie zwar alle irgendwie amtlich und unverrückbar klingen – aber auch nur Menschenwerk sind. Fast alle werden sie noch einmal überarbeitet, abgeändert, korrigiert.

Und zwar spätestens, wenn sie das erste Mal in der Dienstberatung des Oberbürgermeisters gewesen sind. Dort sitzen ja nicht nur die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister mit dem OBM zusammen und klären, welche Verwaltungsvorlagen so weit entwickelt sind, dass sie dem Stadtrat zur Entscheidung vorgelegt werden können. Es sitzen auch viele Fachreferenten dabei, die die Vorlagen nach ihrer Fachkenntnis darauf prüfen, ob sie so überhaupt beschlossen werden dürfen.

Und ein knallhartes Kriterium ist immer die Finanzierungsfrage.

Da kann zwar zwischen Stadtrat und Verwaltung Einigkeit darüber herrschen, dass man gewillt ist, jedes Jahr 700.000 Euro zur professionellen Umsetzung von Jubiläen zur Verfügung zu stellen.

Aber für die Jahre 2019/2020 gibt es noch gar keinen beschlossenen Haushalt. Deswegen kann das Kulturdezernat auch nicht einfach festlegen, dass neben den veranschlagten 260.000 Euro für das „Clara19“-Jubiläum auch noch 390.000 Euro in die Überarbeitung der Ausstellung im Schumann-Haus fließen.

Und das ist das Novum: Das Kulturdezernat beherzigt einen Rat der Rechnungsprüfer und macht alle Änderungen in der Neuvorlage für den Stadtrat durch gelbe Unterlegungen transparent. Und es erklärt: „Die Vorlage liegt in einer Neufassung vor, da sie Empfehlungen des Rechnungsprüfungsamtes aufnimmt, die nach der Verabschiedung der Vorlage in der Dienstberatung des Oberbürgermeisters gegenüber dem Kulturdezernat ausgesprochen wurden.“

Es ist ein eindrückliches Beispiel, dass Verhandlungshandeln mit mehr Transparenz nicht nur einsehbarer ist – man nimmt die Stadträte einfach mit in die Materie und versteckt den Lernprozess nicht einfach hinter einer stillschweigenden Neufassung ohne Kommentar.

 

Korrekturbeispiel. Screenshot: L-IZ
Korrekturbeispiel. Screenshot: L-IZ

Deswegen steht jetzt auch extra da: „Die Beschlussfassung stellt einen Vorgriff auf den Haushalt der Jahre 2019/20 dar und steht daher unter Haushaltsvorbehalt.“

Den Stadträten wird also die Entscheidungshoheit über diesen Haushaltsposten nicht entzogen, auch wenn er dann natürlich im großen Doppelhaushalts-Paket stehen wird.

Und es wird auch genauer erklärt, wie das Geld eigentlich ausgereicht werden soll – in diesem Fall die 260.000 Euro für den Konzertreigen: „Zur Entwicklung programmatischer Inhalte wurde im Frühjahr 2017 die ‚Arbeitsgruppe Clara-Schumann-Jubiläum 2019‘ unter dem Vorsitz der Bürgermeisterin für Kultur ins Leben gerufen. Sie umfasst Experten zu ‚Clara Schumann‘ und zur ‚Musikstadt Leipzig‘ sowie Multiplikatoren aus der Medienlandschaft und des Tourismus.

Die künstlerische Leitung der Arbeitsgruppe und des Festjahres hat Herr Gregor Nowak, Geschäftsführer des Schumann-Vereins Leipzig e.V., inne. Die Arbeitsgruppe entscheidet über erste programmatische Meilensteine des Festjahres. Parallel initiiert und veröffentlicht das Dezernat Kultur Ausschreibungen für Fördermittel auf Grundlage der Rahmenrichtlinie, um vielfältige Projekte zur Verdichtung des Programms einzubeziehen.“

Das Programm steht im Grunde schon seit dem Frühjahr fest. Daran kann man nicht mehr rütteln, wenn man nicht das ganze Fest ruinieren will.

Aber natürlich war es auch ein Vorgriff, dem Schumann-Haus 450.000 Euro für die neue Ausstellung zuzusagen – 60.000 noch 2018, 390.000 dann im nächsten Jahr, davon 310.000 Euro als Drittmittel.

Der Geldempfänger muss schon begründet werden, was dann auch erfolgt: „Als langjährig durch das Kulturamt institutionell geförderter Verein sieht das Dezernat Kultur den Schumann-Verein Leipzig e.V. als Zuwendungsempfänger in der Lage, das Projekt ‚Schumann-Museum – Relaunch einer Ausstellung‘ in Kooperation mit Bund und Land umzusetzen. Eine Abstimmung mit den unterschiedlichen Fördermittelgebern (Kommune, Land, Bund) findet statt.“

Im August wird die Vorlage noch einmal im Fachausschuss Finanzen behandelt und soll am 22. August in den Stadtrat kommen.

Zum 200. Geburtstag von Clara Schumann wird auch die Ausstellung im Schumann-Haus gründlich überarbeitet

Zum 200. Geburtstag von Clara Schumann wird auch die Ausstellung im Schumann-Haus gründlich überarbeitet

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Wg. Sisyph[o|u]s-Arbeit/Aufgabe

Da ich dieses Bild jetzt in kurzer Zeit an 2 verschiedenen Stellen falsch verwendet gesehen habe: Die Aufgabe des Sisyphos war eine vergebliche, sinnlose und niemals endende: Bis in alle Ewigkeit einen Felsblock einen Berg hinaufrollen, der kurz vor dem Gipfel immer wieder herunterrollt. Was hier aber vermutlich gemeint ist, ist eine sehr schwere, aber (hoffentlich) lösbare Aufgabe. Dafür steht eigentlich das Bild der Herkulesaufgabe (z. B. das Säubern des Augiasstalles…).

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