Am 4. Dezember stellte OBM Burkhard Jung zusammen mit Dr. Michael Schimansky, Kommissarischer Leiter des Dezernates Wirtschaft und Arbeit, die Pläne für das neue Referat „Digitale Stadt“ vor, das 2019 im Wirtschaftsdezernat angesiedelt werden soll. Tenor: Es „soll Innovationsprojekte stärken“. Aber erst einmal kostet es was: 300.000 Euro im Jahr 2019, 500.000 im Jahr 2020. Da kann man schon was machen. Aber was?

„Mit dem neuen Referat wird das gemeinsame Agieren von Stadtverwaltung und Beteiligungsunternehmen gestärkt. Innovative Projekte betreffen meist verschiedene Fachbereiche und verschiedene Akteure aus Stadt, Bürgerschaft, Unternehmen und Hochschulen“, versuchte die Verwaltung den Anlass für dieses neue Referat zu umschreiben.

„Das Referat ‚Digitale Stadt‘ soll diese Innovationsprozesse und fachübergreifenden Projekte koordinieren und fördern. Es soll Fördergelder einwerben und die Zusammenarbeit der Stadtverwaltung intern und mit den Beteiligungsunternehmen der L-Gruppe und der Lecos als kommunaler IT-Dienstleister intensivieren.“

Wie sich halt Verwaltungen die digitale Transformation vorstellen. Ab 1. April soll das Referat seine Arbeit aufnehmen.

Ein Beispielprojekt soll die Entwicklung einer urbanen Datenplattform sein, auf der Geodaten der Stadt Leipzig und der Leipziger Beteiligungsunternehmen zur gemeinsamen Nutzung zur Verfügung gestellt werden. Auch die Zusammenarbeit mit Unternehmen, Hochschulen und Zivilgesellschaft rund um das Thema Innovation und Digitalisierung soll ausgebaut werden. Ziel sei es, Leipzig mit Hilfe neuer Technologien wettbewerbsfähiger, nachhaltiger und sozial inklusiver zu gestalten.

Burkhard Jung ließ sich begeistert zitieren: „Wir gestalten die Digitalisierung, nicht die Digitalisierung uns. Moderne Technologien bieten die Chance, kommunale Aufgaben besser zu erfüllen und tragen dazu bei, die Ziele des Integrierten Stadtentwicklungskonzeptes Leipzig 2030 umzusetzen. Mit einer zentralen Anlaufstelle stärken wir den Wirtschaftsstandort Leipzig und können der Digitalwirtschaft passgenaue Lösungen bieten. Wichtig für uns als kommunale Verwaltung ist auch zu prüfen, welche gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Chancen und Risiken in Digitalisierungsvorhaben stecken und wie sie beeinflusst werden können.“

Dr. Michael Schimansky ließ dann schon mal gucken, welche Lobby eigentlich hinter dem Ganzen steckt: „Zusammen mit Initiativen wie dem Smart Infrastructure Hub bringt das Referat Digitale Stadt den Digitalstandort Leipzig weiter voran. Damit fördern wir die Wettbewerbsfähigkeit unserer Stadt.“

Sollte es nicht um nachhaltige Stadtentwicklung gehen?

Der Smart Infrastructure Hub wird auch wieder gefördert. Im Dezember 2017 konnte man lesen: „Sachsens Wirtschaftsministerium stellt rund 836.000 Euro für den Aufbau des ‚Smart Infrastructure Hub‘ bereit. Die Förderung beginnt 2018 und ist auf fünf Jahre angelegt. Dieses Cluster soll branchenübergreifend Lösungen entwickeln, mit denen sich Prozesse und Infrastrukturen in den Bereichen Gesundheitsversorgung, Energiewirtschaft und Smart City innerhalb einer Stadt intelligent vernetzen und digitalisieren lassen.“

Beworben hatte sich Leipzig um die Förderung im März 2017. Damals klang das so: „Die Stadt Leipzig, die SpinLab Accelerator GmbH und die HHL Leipzig Graduate School of Management haben heute (15.03.2017) im Rahmen der Digital Hub Initiative des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) eine Interessenbekundung als einer von 12 deutschen Digital Hub Standorten eingereicht. Das BMWi möchte mit der Initiative Deutschlands Stärken als führende Industrienation mit vorhandenem, qualitativ hochwertigem Know-how hervorheben und die Bundesrepublik so zu einer Alternative für Gründer, Investoren und Fachkräfte aus aller Welt werden lassen.“

Gefördert wird das Projekt auch noch zusätzlich von der Leipziger Stiftung für Innovation und Technologietransfer. Die zeichnete dann ein noch etwas deutlicheres Bild dessen, was da eigentlich gefördert werden soll: „Leipzig wird sich unter dieser Dachmarke national und international als relevanter Standort für die Digitalisierung in den Bereichen Energie, Smart City und EHealth = ‚Smart infrastructure hub Leipzig‘ positionieren und weiterentwickeln. Die Aufgabe besteht vor allem darin, vorhandene Projekte/Potentiale in den genannten Themenfeldern zu stärken und ergänzend neue Projekte zu initiieren.“

Deswegen sind die L-Gruppe dabei, die großen Kliniken, die Energielieferanten, die eex, Arvato, die Hochschulen …

Was die Stadt selbst dabei aufbauen will, ist bislang nur in vagen Konturen zu sehen. Aber der Aufbaustab ist schon an der Arbeit: „Die Einrichtung des Referates Digitale Stadt erfolgt zum 1. April 2019. Bereits seit 01.11.2018 arbeitet ein Aufbaustab (Smart City/Triangulum Team des ASW sowie Mitarbeiter des Dezernat VII) an den organisatorischen und inhaltlichen Aufgaben des Referates. Das Referat erhält eine Ausstattung von 8 Stellen, wovon 3 Stellen neu im Stellenplan 2019/2020 vorgesehen sind.

Die übrigen 5 Stellen erfolgen durch Umsetzung aus dem Geschäftsbereich des Oberbürgermeisters und der Dezernate VI und VII. Neben der dauerhaften Ausstattung mit den oben genannten Stellen erhält das neue Referat die Projektstelle ‚EU-Projekt Triangulum‘. Durch die Umsetzung der Mitarbeiter werden bereits vorhandene Kompetenzen im Bereich Digitalisierung gebündelt“, kann man jetzt in der entsprechenden Vorlage lesen.

„Die erforderlichen Personalstrukturen für die Umsetzung konkreter Projekte werden aus Eigenmitteln der Fachämter und nicht über das Referat abgedeckt. Um den kontinuierlichen Abstimmungsprozess und die Umsetzung konkreter Innovationsprojekte zu gewährleisten, arbeiten Mitarbeiter der Beteiligungsunternehmen in Teilzeit auf Basis von Kooperationsvereinbarungen im Referat mit. Die Weisungsbefugnis liegt weiterhin beim entsendenden Unternehmen.“

Eine ziemlich kuschelige Zusammenarbeit, wie man sieht.

Und weil der Wirtschaftsbürgermeister jetzt noch ein Referat dazubekommt, soll sich künftig auch sein Titel ändern in „Beigeordneter für Wirtschaft, Arbeit und Digitales“.

Was man freilich vermisst, ist das, worum es bei der Bundesinitiative „smart city“ eigentlich mal ging: Bürgerbeteiligung, digital. Open Data. Und vor allem: die Gestaltung einer nachhaltigen Stadtentwicklung. Mit den Bürgern.

In der „Smart City Charta – Digitale Transformation in den Kommunen nachhaltig gestalten“ heißt es dazu z. B.: „Kommunen, Wirtschaft, Forschung und Zivilgesellschaft entwickeln in enger Zusammenarbeit neue digitale Dienste (Co-Creation), nutzen die Digitalisierung im Sinne der nachhaltigen Stadtentwicklung und stärken lokale Wirtschaft und zivilgesellschaftliches Engagement.“

Davon scheint das, was Leipzig jetzt aufbaut, recht weit entfernt. Selbst in dem Punkt, in dem man mal nicht mit den Unternehmen kooperieren will, sondern mit der Zivilgesellschaft: „Einbindung der Zivilgesellschaft und Bevölkerung in Diskussion und Gestaltung der digitalen Transformation“. Es geht hier tatsächlich nur um einen „Beteiligungs- und Diskussionsprozess mit der Leipziger Stadtbevölkerung zum Thema Digitalisierung“. Sollte die Digitalisierung nicht eigentlich das Mittel sein, die Stadt nachhaltiger zu entwickeln?

Aber vielleicht haben wir nur falsch verstanden, was der Bund in der Charta dazu formuliert hat: „Städte, Kreise und Gemeinden (Kommunen) gestalten aktiv den Dialog mit Wirtschaft, Forschung und Zivilgesellschaft, um Potenziale und Herausforderungen der digitalen Transformation im Sinne nachhaltiger integrierter Stadtentwicklung frühzeitig zu erkennen und abzuwägen. Ziel ist die Entwicklung einer zukunftsorientierten Smart-City-Strategie.“

Smart City Charta Deutschland.

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