Das war die große Frage schon 2019: Was will Leipzig von seinen kommunalen Versorgern wirklich bekommen? Das Geld aus dem alten Gesellschafterdarlehen, mit dem die Stadt ihren Stadtkonzern in schwierigen Zeiten abgesichert hat – immerhin 227,8 Millionen Euro, die in jährlichen Raten abgetragen werden sollten? Oder doch lieber Investitionen in Verkehrs- und Energiewende? 2019 beschloss der Stadtrat schon, dass die zweite Variante die einzig sinnvolle Option wäre.

Damals beschloss er auch die komplette Umwandlung der Restschuld in Eigenkapital, sodass der LVV-Konzern die Summe komplett in die eigene Bilanz übernehmen kann und damit auch bessere Konditionen bei der Kreditaufnahme bei den Banken hat.

Aber was so schnell mit Handzeichen entschieden wurde, brauchte dennoch anderthalb Jahre, um endlich auch vertraglich fertig zu werden.

Der wesentliche Inhalt: „Am 22.05.2019 beauftragte der Stadtrat den Oberbürgermeister, die Restschuld der LVV aus dem Gesellschafterdarlehen der Stadt Leipzig (planmäßig EUR 227,8 Mio.) mit Wirkung zum 31.12.2020 vollständig in Eigenkapital zu wandeln und die mit dem Gesellschafterdarlehen in Zusammenhang stehenden Vertragswerke entsprechend zu beenden (Beschluss zu VI-A- 06703, Punkt 1.1).

Zwecks Erarbeitung eines zielführenden Umsetzungsvorschlages wurde eine Arbeitsgruppe aus Vertretern der LVV, der Verwaltung und der bbvl gebildet. Der Vorschlag der Arbeitsgruppe wurde in der Dienstberatung des Oberbürgermeisters am 27.10.2020 seitens der Verwaltungsspitze bestätigt“, so die OBM-Vorlage.

„Ein Vertrag zwischen Stadt und LVV zur Umwandlung des Gesellschafterdarlehens in Eigenkapital liegt in abgestimmter Form vor. Demnach erlässt die Stadt Leipzig der LVV mbH, mit Wirkung zum 31.12.2020, die verbleibende Schuld in Höhe von EUR 227.846.477,31, nebst Zinsen, ab dem 01.01.2021 und verzichtet auf die Rückzahlung des Restbetrags des Darlehens. Die LVV nimmt den Erlass an und stellt diesen Verzicht als sonstige Zuzahlung in das Eigenkapital gemäß § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB in ihre Kapitalrücklage ein. Die Parteien erklären, dass sie bei Abschluss des Vertrages keinerlei Anhaltspunkte dafür haben, dass die vollständige Werthaltigkeit des Gesellschafterdarlehens beeinträchtigt sein könnte.“

Das war im Grunde die Begleitmusik zu der Vorlage von OBM Burkhard Jung, die am Freitag, 18. Dezember, im Eil-Stadtrat abgestimmt wurde. Das wäre im Grunde ein ganz eigenständiger Antrag gewesen, hätte die SPD-Fraktion nicht noch einen Änderungsantrag dazwischengeworfen, denn am tatsächlich verfügbaren Investitionsvermögen der LVV änderte sich ja erst einmal gar nichts.

Dabei hatte es nach der Erklärung des Klimanotstands in Leipzig vor einem Jahr noch einen Packen zusätzliche Aufgaben auch für die Unternehmen im Stadtkonzern gegeben. Er muss ziemlich schnell weitere Projekte planen und finanzieren, die Leipzig baldmöglichst zu einer klimafreundlicheren Stadt machen.

Dazu wären aber zusätzliche 20 Millionen Euro unter anderem für die nötigen Investitionen der Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) nötig, so die SPD in ihrem Antrag.

Die hatte formuliert: „Zur Sicherung und Stärkung der Investitionskraft der L-Gruppe gewährt die Stadt Leipzig der Leipziger Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft mbH (LVV mbH) im Jahr 2020 eine einmalige Kapitaleinlage in Höhe von 20 Mio. Euro. Die daraus resultierenden finanziellen Spielräume sind, zusammen mit dadurch akquirierbaren Fördermitteln, ausschließlich zu nutzen für Investitionen in klimaschutzrelevante Schwerpunktbereiche der Daseinsvorsorge, wie Angebotsverbesserungen in den ÖPNV, Ausbau der Kapazitäten für erneuerbare Energien oder die Realisierung wassersensibler Infrastrukturen.“

Den Änderungsantrag zog die SPD-Fraktion zwar zurück. Aber das Anliegen übernahm der OBM dann in der Neufassung der Vorlage: „Zur Stärkung der Finanz- und Investitionskraft der Leipziger Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft mbH (LVV mbH) zur Finanzierung von Investitionen in klimaschutzrelevante Schwerpunktbereiche der Daseinsvorsorge gewährt die Stadt Leipzig der LVV mbH in 2020 eine einmalige Kapitaleinlage in Höhe von 20 Millionen Euro.“

Die so erweiterte Vorlage bekam dann am Freitagabend eine klare Mehrheit von 33:8:8 Stimmen.

Nur die CDU-Fraktion stimmte dagegen. Und das fällt langsam auf, wie diese 2019 mit der Kommunalwahl so deutlich geschrumpfte Fraktion sich jetzt immer öfter und härter gegen die eigentlich vom Stadtrat beschlossene Verkehrswende stellt. Was auch noch in einer anderen Beschlussvorlage deutlich wird, zu der wir in einem späteren Beitrag noch kommen.

Aber der LVV-Konzern ist nun einmal das städtische Unternehmen, das die Hauptlast der notwendigen Verkehrs- und Energiewende bauen und finanzieren muss. Und gerade bei den Leipziger Verkehrsbetrieben ist schon lange vor der Ausrufung des Klimanotstands deutlich geworden, welche Schäden, Ausdünnungen im Angebot und Investitionsstaus das über zehn Jahre verhängte Sparregime angerichtet hat.

Aus Autofahrerperspektive sieht das alles in Ordnung aus, wird die Straßenbahn eher als Störfaktor wahrgenommen. Doch wer die Bahnen tagtäglich nutzen muss (auch im Lockdown), der kennt die Probleme mit Verspätungen, übervollen Fahrzeugen, verpassten Anschlüssen, viel zu langen Taktzeiten. Aber noch viel verheerender sind die fehlenden guten ÖPNV-Vernetzungen in den Randgebieten der Stadt, ein Zustand, der ja bei der Diskussion zum Nahverkehrsplan 2019 in Dutzenden Änderungsanträgen benannt wurde.

Und auch die Finanzierung des Betriebs wurde jahrelang nur durch immer neue Fahrpreiserhöhungen finanziert, die das Straßenbahnfahren für viele Leipziger/-innen unattraktiv gemacht hat. Die Verkehrswende ist hier überfällig. Aber das geht nur mit Geld. Und 2020 und 2021 sollen die LVB ja deutlich mehr Geld aus den Schwesterunternehmen Stadtwerke und Wasserwerke bekommen.

Und das können sie nach Jahren der Konsolidierung auch leisten. Das stellt ein Passus in der Vorlage extra fest: „Eine Vorab-Information über Eckpunkte der Wirtschaftsplanung des LVV-Konzerns für 2021 und damit verbundenen Folgen erfolgte seit September mehrfach in den jeweiligen Gremien, u.a. auch im Verwaltungsausschuss.

Dabei hat sich gezeigt, dass die finanzielle Leistungsfähigkeit der L-Gruppe unter den gegebenen bzw. aktuell prognostizierten Rahmenbedingungen alleine ebenfalls nicht ausreicht, die mit den in den letzten Monaten beschlossenen strategischen Zielvorgaben verbundenen Schlüsselinvestitionen ab 2021 aus eigener Kraft zumindest kurz- bis mittelfristig zu realisieren. Und dies unabhängig von einer geplanten Erhöhung der Zahlungen auf Basis des Verkehrsleistungsfinanzierungsvertrages auf 60,9 Mio. Euro für 2021 und auf 66,3 Mio. Euro für 2022 (s. Vorlage Nr. VII-DS-01977).

Vor diesem Hintergrund hat der Aufsichtsrat der LVV mbH in seiner jüngsten Sitzung, am 30.11.2020, auch einen (Konzern-)Wirtschaftsplan „Plus“ für 2021 beschlossen, der es der L-Gruppe auch unter den höchst risikobehafteten Pandemie- und Marktbedingungen ermöglichen würde, zumindest ein höheres Volumen an Investitionen in den unter BPkt.3 benannten klimaschutzrelevanten Schwerpunktbereichen zu realisieren als sonst aus eigener Kraft möglich.

Um den LVV-Konzern dazu in die Lage zu versetzen, wurde die Geschäftsführung in diesem Zusammenhang vom Aufsichtsrat beauftragt, mit dem Oberbürgermeister als Vertreter der Gesellschafterin in Gespräche über einen damit verbundenen Beitrag der Gesellschafterin Stadt Leipzig in Form einer zweckgebundenen Kapitaleinlage von 20 Mio. Euro in 2020 zur Stärkung von dessen Finanzierungskraft einzutreten.“

Die Zustimmung im Stadtrat ist – so gesehen – die Fortsetzung des Beschlusses zum nachhaltigen Mobilitätskonzept. Denn jetzt muss das auch gebaut und finanziert werden. Die Zeiten, da man sich mit blumigen Versprechungen aus der Sache stehlen konnte, sind vorbei. Auch Energie- und Verkehrswende kosten Geld.

Die (Online)Debatte des Stadtrates am 16. Dezember 2020

Video: Livestream der Stadt Leipzig

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