Das ging eigentlich flott und ohne große Diskussion vonstatten am Mittwoch, 20. Januar. Ganz unspektakulär, als wenn das Verkehrs- und Tiefbauamt den Antrag der Linksfraktion zuvor nicht in Bausch und Bogen abgelehnt hätte. Tenor: „Die Leipziger Verkehrsbetriebe brauchen keine extra Schlichtungsstelle.“ Das sah die Stadtratsmehrheit aber anders.

Warum es gerade wichtig ist, dass es eine unabhängige Schlichtungsstelle gibt, an die sich auch Kunden der Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) wenden können, wenn es Ärger mit dem städtischen Unternehmen gibt, erläuterte in der Online-Ratsversammlung Franziska Riekewald, die in der Linksfraktion für die Verkehrspolitik zuständig ist.„Leipzig ist eine der letzten großen Städte in Mitteldeutschland, deren ÖPNV-Unternehmen nicht Mitglied im söp ist. Damit kann der Kundschaft der LVB im Streitfall nicht die Inanspruchnahme eines öffentlichen Schlichtungsverfahrens gewährt werden“, hieß es im Antrag der Linksfraktion

söp ist die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr e. V.

Das Verkehrs- und Tiefbauamt argumentierte recht umständlich gegen den Antrag der Linken und meinte, ein Beitritt zur söp sei überhaupt nicht notwendig.

„Bisher gab es bei der LVB nicht die Möglichkeit, an einem Streitbeilegungsverfahren teilzunehmen, darüber informieren die LVB in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). Die LVB verzichteten aufgrund der gesetzlichen Voraussetzungen sowie der entstehenden Kosten durch Mitgliedsbeiträge und Fallpauschalen für die ,Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr e. V.‘ (söp) bislang auf eine Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren vor der zuständigen Schlichtungsstelle“, hieß es in der Stellungnahme der Stadt.

„Eine verbundweite Mitgliedschaft bei der Schlichtungsstelle wurde im MDV im Jahr 2016/2017 aufgrund des neuen Streitbeilegungsgesetzes diskutiert. Bei der Diskussion ergab sich, dass bereits einzelne Verkehrsunternehmen beigetreten waren, so z. B. die sachsen-anhaltinischen Verkehrsunternehmen über das Land Sachsen-Anhalt. Vor diesem Hintergrund wurde im MDV die Entscheidung getroffen, der Schlichtungsstelle nicht beizutreten, um eine Dopplung zu vermeiden. Zudem ist der MDV nicht der Leistungserbringer und kein Vertragspartner der Fahrgäste. Der Lösungsansatz ist weiterhin, dass die Verkehrsunternehmen, die der Schlichtungsstelle beigetreten sind, in den Beförderungsbedingungen Anlage 2 benannt werden.“

Und warum sind dann die LVB nicht beigetreten, obwohl es die MDV-Partner in Sachsen-Anhalt längst getan haben?

Das erklärte die Vorlage nicht, sondern erklärte lieber, dass man doch in Streitbeilegungen selbst schon versiert sei: „Da es bei der LVB (sic!) und anderen Mitgliedsunternehmen des MDV bereits die Möglichkeit gibt, Beschwerde einzureichen und Anliegen vorzutragen, bei einigen sogar die Möglichkeit, die SÖP anzurufen, würden die Kosten des Beitritts den Nutzen überwiegen. Dabei ist zu beachten, dass die Verkehrsunternehmen derzeit wegen der Corona-Pandemie außergewöhnlich finanziell belastet werden. Den Unternehmen über den jeweiligen Aufsichtsrat hinweg eine Weisung in dieser Frage geben zu wollen, obliegt zwar der freien Entscheidung des Stadtrats, wäre aber sehr ungewöhnlich. Die Verwaltung empfiehlt deshalb eine Ablehnung des Antrags.“

Bei so einer Haltung befürchtet Franziska Riekewald wohl zu Recht, dass LVB-Kund/-innen, die wirklich in Streit mit den LVB liegen, dann doch wieder einen teuren Gerichtsprozess anstrengen müssen. So richtig hat also hier die Verwaltung nicht verstanden, wo das Problem lag und liegt.

Dabei hatte es im Linke-Antrag sehr deutlich gestanden: „Wenn Menschen mit der LVB in Konflikt geraten (z. B. falscher Fahrausweis, persönlichen Schaden etc.) und dieser nicht einvernehmlich gelöst werden kann, bleibt den Menschen nur noch der Gang zum Anwalt. Damit werden jedoch hohe Kosten (öffentliche und private) verursacht. Die anerkannte Schlichtungsstelle für den öffentlichen Verkehr (inkl. Schiff, Bus, Bahn, Flugzeug) mit Sitz in Berlin kann hier Abhilfe schaffen. Die Stelle leistet sehr gute Arbeit und hat hohe Erfolgsquoten bei der Schlichtung. Wir möchten, dass in Zukunft auch die LVB Mitglied wird und damit jedem Fahrgast der LVB der Weg zur söp freisteht.“

Und genau so sah es dann nach 5 Minuten auch die Stadtratsmehrheit. 47 Stadträt/-innen stimmten dem Antrag der Linksfraktion zu, 15 dagegen, acht enthielten sich der Stimme. Womit der Aufsichtsrat das Unternehmen jetzt auffordern muss, der söp-Schlichtungsstelle beizutreten.

Und dass das Verkehrs-. und Tiefbauamt betont, dass das ein ungewöhnlicher Vorgang ist, sagt eine Menge über das bisher praktizierte Verhältnis von Verwaltung, Stadtrat und Kommunalunternehmen, die jahrelang behandelt wurden wie Krongüter, bei denen der Stadtrat nicht viel mitzureden habe. Hat er aber doch.

Die Debatte am 20. Januar 2021 im digitalen Stadtrat

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Es gibt 2 Kommentare

Das “r” ist uns da tatsächlich durch die Lappen gerutscht. Wir haben es geändert. Vielen Dank für den Hinweis.

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