Von verschiedenen Seiten her versuchen Leipzigs Umweltverbände und einige Fraktionen im Leipziger Stadtrat jetzt herauszubekommen, was da eigentlich falschläuft beim Artenschutz in Leipzig, warum Baugenehmigungen ausgereicht werden, ohne den Bauplatz artenschutzrechtlich zu prüfen und zu sichern, oder gar Bauplanungen ohne jede Rücksicht auf die vorhandene Vegetation durchgezogen werden. So wie am Wilhelm-Leuschner-Platz.

Dort kam es ja bekanntlich im Januar zu einem erheblichen Aufruhr, weil die Stadt einfach die Fällung einer kompletten Grüninsel genehmigt hatte, obwohl es keine artenschutzrechtliche Prüfung gegeben hatte und das Biotop eigentlich unter Schutz stand. Erst mit erheblichem Einspruch konnte der NABU die Fällungen des alten Baumbestandes stoppen.Die Frage, die sich für die Linksfraktion aus dem Vorgang ergibt, ist schlichtweg: An welcher Stelle des Planungsrechts kommt eigentlich der Schutz von Biotopen und Arten in der Stadt ins Spiel? Warum hat dieser Schutz einfach kleine Auswirkung auf Planungen und wird oft erst nachträglich festgestellt?

Die Grünanlage zwischen Windmühlenstraße und Brüderstraße ist ja nur das medienwirksamste Beispiel eines solchen Vorgehens, bei dem man merkte, dass vorkommende streng geschützte Arten bei der Planung überhaupt nicht berücksichtigt werden. Naturschutz also nur als ein Feigenblatt? Oder haben Bauherren gar (siehe jüngst in Connewitz) freie Hand, wenn es um die Freimachung von Bauflächen geht, und bekommen ihr Vorgehen dann nachträglich auch von der Umweltbehörde genehmigt?

„Immer wieder werden Baufelder beräumt, obwohl die dazugehörigen Planungsgrundlagen noch nicht endgültig entschieden sind. Nicht selten werden dadurch Tatsachen geschaffen, die den weiteren Planungsprozess vorwegnehmen und die beteiligten Akteur/-innen vor vollendete Tatsachen stellen“, stellt die Linksfraktion im Stadtrat jetzt in ihrem jüngsten Antrag zu Thema fest.

„Das aktuellste Beispiel, welches die Notwendigkeit für eine Überarbeitung der Planungsgrundsätze der Stadt Leipzig deutlich macht, ist der Wilhelm-Leuschner-Platz. Noch bevor der Stadtrat grünes Licht gab, wurden Maßnahmen durchgeführt, in deren Ergebnis Bäume gefällt wurden. Darunter befand sich auch ein vom NABU als Biotopbaum nachgewiesener Baum, der selbst bei der erneuten Begutachtung nach der Fällung noch übersehen wurde. Dass es überhaupt zu einer erneuten Prüfung kam, ist alleine den Leipziger Umweltverbänden zu verdanken.“

Der jetzt eingereichte Antrag der Linksfraktion soll deshalb einen Beitrag dazu leisten, „dass Biouniversitätsschutz bei Baumaßnahmen nicht erst zum Tragen kommt, wenn Umweltverbände durch ehrenamtliches Engagement bereits geschehene Missstände aufgedeckt haben. Ein juristisches Instrument dafür könnte die Veränderungssperre sein. Mit ihrer Hilfe können erhebliche oder wesentlich wertsteigernde Veränderungen von Grundstücken und baulichen Anlagen, deren Veränderungen nicht genehmigungs-, zustimmungs- oder anzeigepflichtig sind, untersagt werden. Mit ihr soll die Entfernung der Vegetation zukünftig erst nach Beschluss des Bebauungsplanes als Grundlage für die Bautätigkeit möglich sein.“

Aber am Wilhelm-Leuschner-Platz wurde ja noch gar keine Baugenehmigung erteilt. Hier wurde ja gerade mal am 21. April die Auslegung des Bebauungsplanentwurfs beschlossen.

Aber die Vorgänge zeigen auch deutlich, dass es augenscheinlich einer Sperre bedarf, die schon früher wirksam wird und solche „vollendeten Tatsachen“ verhindert, solange es nicht mal einen Bebauungsplan gibt.

Die Linksfraktion dazu: „Bei Bautätigkeiten der Stadt selbst ist die Veränderungssperre jedoch sinnlos, da es sich um ein planungssicherndes Instrument der Stadt gegen andere handelt. Dennoch kann die Stadt die Bestimmungen, die wir mit der Sperre festsetzen wollen, zur Grundlage des eigenen Handelns bei kommunalen Baumaßnahmen machen.“

Und so beantragt die Linke jetzt konkret: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, zum Schutz der biologischen Vielfalt bei Bebauungsplänen folgende Planungsgrundsätze festzulegen:

1. Bei Bebauungsplänen, bei denen die Stadt Bauherr ist, wird die Entfernung von Vegetation erst nach Beschluss des entsprechenden Bebauungsplanes oder bei vorzeitigem Ausgleich genehmigt. Über Ausnahmen entscheidet der Stadtrat.

2. Bei Bebauungsplänen, bei denen private Akteure Bauherren sind, wird eine Veränderungssperre bis zum Beschluss des entsprechenden Bebauungsplanes verhängt. Über Ausnahmen entscheidet der Stadtrat.“

Möglicherweise wird dann die Stadtratsdiskussion zeigen, ob das im Konflikt zwischen dem aktuell geltenden Baurecht in Deutschland und dem oft genug zahnlos gemachten Naturschutzrecht überhaupt so machbar ist. Denn das deutsche Baurecht hat beide in der Vergangenheit zumeist nicht als unvereinbar betrachtet. Und auch Leipzigs Umweltbehörde war meist zufrieden, wenn die Bauherren Ausgleichspflanzungen irgendwo anders anboten.

Doch wie wichtig Artenschutz und der Erhalt grüner Biotope in der Stadt sind, haben erst die vergangenen Jahre so richtig gezeigt. Es ist eben nicht nur so, dass Stadtbewohner dringend auch solche grünen Oasen brauchen, sondern dass die Stadt schon lange Rückzugsraum für viele gefährdete Tierarten geworden ist, die in der industrialisierten Landwirtschaft vor der Stadt keine Überlebenschancen mehr haben. Sollte der Konflikt nicht lösbar sein, wird es ohne eine gravierende Gesetzesänderung für den Artenschutz nicht gehen.

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