Eigentlich machen wir das eher selten, Leipziger Stadtrรคte zu korrigieren, wenn sie Statements zu VorstรถรŸen anderer Fraktionen herausgeben. Am Montag, 2. August, aber hat nun CDU-Stadtrat Michael Weickert Stellung genommen zu einem VorstoรŸ der Linksfraktion, die Baugrundstรผcke an der Kurt-Eisner-StraรŸe fรผr einen Schulbau auch rechtlich zu sichern, nachdem der Deal mit der Stadtbau AG im Stadtrat gescheitert ist. Aber nicht aus den Grรผnden, die Weickert anfรผhrt.

Der polterte am Montag dann gleich in ganz groรŸem Kaliber los: โ€žEnteignungen sind ein Mittel aus der Mottenkiste โ€“ dort sollen sie auch bleiben.โ€œโ€žNoch in der Ratsversammlung im Juni wurde der Bau einer Grundschule an der Kurt-Eisner-StraรŸe durch die Mehrheit des Rates abgelehnt. Auch die Linken als grรถรŸte Fraktion im Leipziger Stadtrat haben der Zusammenarbeit mit einem privaten Investor mit aller Kraft einen Riegel vorgeschoben โ€“ unter anderem mit der Aussage, es gรคbe genรผgend alternative Standorte fรผr die dringend benรถtigten Schulplรคtze im Sรผdenโ€œ, sagte Weickert.

Aber diese Aussage ist so nicht gefallen. Und es wird auch nicht nachtrรคglich โ€žoffensichtlich, dass dem nicht so ist und Grundstรผcke zum Bau von Grundschulen in der Sรผdvorstadt fehlenโ€œ, wie die CDU-Fraktion erklรคrt.

Das war schon vorher offensichtlich und Finanzbรผrgermeister Torsten Bonew hat das in seiner Einbringungsrede der Verwaltungsvorlage auch genau so erklรคrt. Genau daraus resultiert ja das Druckpotenzial, mit dem die Rubin 72 GmbH als Tochter der Stadtbau AG meinte, die Stadt zu einem Grundstรผckstausch drรคngen zu kรถnnen. Die Verwaltung hat sich dazu drรคngen lassen, Linke und Grรผne lehnten das ab.

Stets mit Verweis darauf, dass der ausgehandelte Vertrag unfair ist und der Vertragspartner die Stadt damit zwingen will, ihm Grundstรผcke im Wert von 5 Millionen Euro zu รผbergeben, damit die Stadt mit dem Kauf der Schule auch das Grundstรผck an der Kurt-Eisner-StraรŸe bekommen kann. Auf ein direktes Kaufangebot der Stadt fรผr das Schulgrundstรผck wollte sich die Rubin 72 nicht einlassen.

Aus Sicht von CDU und AfD war das immer noch ein fairer Deal, aus Sicht von Grรผnen und Linken nicht. Die Vorlage wurde mit knapper Mehrheit abgelehnt.

Und die Linksfraktion lieรŸ nun einen Antrag folgen, nach dem die Stadt ihre rechtlichen Mittel nutzen soll, das Grundstรผck dennoch fรผr einen Schulbau zu sichern. Diese rechtlichen Mittel gibt es und keines davon ist Kommunen untersagt. Die Enteignung ist auch im Linke-Antrag nur das letzte Mittel, wenn der Vertragspartner das Grundstรผck unter keinen Umstรคnden fรผr einen Schulneubau herausgeben will. Dann wird er nach den geltenden Baulandpreisen entschรคdigt.

Aber fรผr Weickert war schon das eine Zumutung.

โ€žMit Enteignungen sollen hier staatliche Werkzeuge genutzt werden, die schon viele Jahre und vรถllig zu Recht in der Mottenkiste verschwunden sind โ€“ dort sollen sie auch bleiben!โ€œ, erklรคrte er am Montag.

โ€žWenn die Linken die Zusammenarbeit mit privaten Investoren scheuen, sollen sie echte Alternativen anbieten, endlich in der Marktwirtschaft ankommen und ihren Worten Taten folgen lassen. Das wรคren sie den Familien im Leipziger Sรผden schuldig, nachdem der ausverhandelte und fertig geplante Bau einer Grundschule zusammen mit der Stadtbau AG in letzter Minute und augenscheinlich ideologisch motiviert verhindert wurde!โ€œ

Auch das stimmt so nicht. Denn mit ihrem VorstoรŸ bewegt sich die Linksfraktion nach wie vor auf dem Boden der Marktwirtschaft. Genau die im Antrag beschriebenen Mittel stehen Kommunen in Deutschland zu, damit sie wichtige InfrastrukturmaรŸnahmen im Stadtgebiet sichern kรถnnen, wenn Investoren nicht bereit sind, die Grundstรผcke dafรผr zur Verfรผgung zu stellen. Oder โ€“ wie in diesem Fall โ€“ den Schulbau nutzen, um sich die รœbereignung anderer wertvoller Grundstรผcke zu erzwingen.

Der eigentliche Kern des Linke-Antrags steckt tatsรคchlich in diesen Zeilen: โ€žDazu sollen zunรคchst noch einmal in einem ersten Schritt die Mรถglichkeiten und Konditionen des freihรคndigen Erwerbs der fรผr den Schulneubau erforderlichen, vorgenannten Grundstรผcke durch die Stadt Leipzig โ€“ ohne, dass dabei Austauschgrundstรผcke der Stadt Leipzig รผberlassen werden โ€“ abschlieรŸend geprรผft und entsprechende Kaufangebote an den Grundstรผckseigentรผmer unterbreitet werden. Alternativ kรถnnten auch Verhandlungen รผber langfristige Erbbaupachtvertrรคge aufgenommen werden.โ€œ

Die Stadt soll also noch einmal an den Verhandlungstisch und mit Rubin 72 ein richtiges Kaufangebot fรผr die Grundstรผcke an der Kurt-Eisner-StraรŸe verhandeln. Dahinter steckt auch der Wille eine Stadtratsmehrheit, klare und eindeutige Kaufvertrรคge vorgelegt zu bekommen und die Winkelzรผge eines Investors nicht mitmachen zu mรผssen.

Winkelzรผge, die die CDU-Fraktion augenscheinlich mitzumachen bereit ist. Wer so freilich die Liegenschaftspolitik einer Kommune betrachtet, setzt ihre Erpressbarkeit voraus und erklรคrt ausgerechnet die Mittel, mit denen Kommunen im Sinne ihrer Bรผrger ihre Interessen durchsetzen kรถnnen, fรผr โ€žaus der Mottenkisteโ€œ.

Die Interessen der Stadt vertritt eine Fraktion, die so denkt, auf jeden Fall nicht.

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