Eigentlich wäre diese Debatte schon im Zusammenhang mit dem Leipziger Freiheits- und Einheitsdenkmal dran gewesen. Denn was da 1965 auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz geschah, gehört eindeutig zur Geschichte der Leipziger Widerständigkeit, die am 9. Oktober 1989 dann kulminierte. Die Stadtratsfraktion Bündnis 90 / Die Grünen hat jetzt einen Antrag eingereicht, im Rahmen der Leipziger Erinnerungskultur dem Leipziger Beataufstand vom 21. Oktober 1965 als Teil der Demokratie- und Musikgeschichte Leipzig an einem zentralen Ort in der Innenstadt angemessen zu gedenken.

Übrigens ein Aspekt, den die damaligen Zweitplatzierten des Leipziger Wettbewerbs realities:united auch mitbedacht hatten. Aber das ging letztlich unter, weil der abschließende Wettbewerbsteil dann von einer undurchschaubar agierenden Jury völlig zum Scheitern gebracht wurde.Ob Leipzig beim zweiten Anlauf vielleicht doch noch ein zeigenswertes Denkmal hinbekommt, ist noch völlig offen. Viel zu stark sind nach wie vor die politischen Interessen, die ihre Deutung der Friedlichen Revolution unbedingt auch im Denkmal umgesetzt sehen wollen.

Nun also ein Versuch, die Beatdemo auf andere Weise im Stadtgedächtnis zu platzieren.

Der Antrag der Grünen-Fraktion.

„Grundlage für den Beataufstand war das Verbot von 54 der 58 Leipziger Bands. In Leipzig führte vor allem das Verbot der Band ‚The Butlers‘ zu Protesten. In kreativer und mutiger Art druckten und verteilten jugendliche Schüler Flugblätter und riefen die Beat-Freunde zum Protestmarsch auf“, geht Jürgen Kasek, Stadtrat der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen, Sprecher der Fraktion für Clubkultur und Livemusik und nebenbei selbst als Musiker aktiv, auf die Geschichte ein.

„Mehr als 2.000 von ihnen hatten sich zu Beginn versammelt. Die aufkommende Beatbewegung hatte auch in der DDR viele Anhänger gefunden. Viele Jugendliche nutzten das gemeinsame Musizieren in der Gruppe als Ventil gegen staatliche Zwänge. Die damaligen Ereignisse hatten deshalb erhebliche Auswirkungen auf die Jugend- und Kulturpolitik der DDR-Führung und indirekt auf die Jugendkultur in der DDR. Nicht zuletzt wurde sogar ein neuer Straftatbestand eingeführt, das ‚Rowdytum‘.“

Die Leipziger Beatdemo war die größte nicht genehmigte Demonstration in der DDR nach den Ereignissen vom 17. Juni 1953 und blieb neben den Geschehnissen am 7. Oktober 1977 auf dem Berliner Alexanderplatz (468 Festnahmen) bis zum Herbst 1989 in dieser Form einmalig und von besonderer historischen Bedeutung für die spätere Friedliche Revolution 1989. 264 Demonstrant/-innen wurden damals festgenommen.

„Diesen Ereignissen wird bislang trotz einer diesbezüglichen Initiative des ehemaligen Stadtrates, Leipziger Romanciers und Hörspielautors Gerhard Pötzsch vor vielen Jahren nur unzureichend gewürdigt“, ergänzt Bert Sander, Stadtrat der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen und Vorsitzender des Kulturausschusses.

„Dies entspricht auch nicht der Bedeutung der emanzipatorischen Bewegung unter den Leipziger Bürgerinnen und Bürgern vor 1989. Denn der Leipziger Beataufstand ist ein bedeutsames Beispiel dafür, wie Geschichte quasi ‚von unten‘ gemacht wird. Die Stadt Leipzig als Stadt der Demokratie und musikalischen Kultur täte gut daran, diese vorhandene Lücke schnellstens zu schließen und dem geschichtlichen Ereignis einen entsprechenden Stellenwert in der öffentlichen Wahrnehmung zu geben. Da sich Stadtrat und Stadtverwaltung derzeit in einer intensiven Auseinandersetzung mit der Erinnerungskultur befinden, ist es uns wichtig, dieses Ereignis und seine weitreichenden Folgen angemessen zu berücksichtigen.“

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